Wohnungslosigkeit ist eine der gravierendsten Formen von Armut. Menschen, denen keine gesicherte Wohnung zur Verfügung steht, leben höchst prekär, sind sehr häufig Gewalt ausgesetzt und haben zu großen Teilen gesundheitliche Leiden.
Im Sächsischen Landtag haben wir die Regierung zum Handeln aufgefordert und ein Bündel von Maßnahmen – aus Prävention, Hilfe und Armutsbekämpfung – vorgeschlagen (zum Antrag). Dies wurde abgelehnt.
Meine Rede zum Nachlesen:
Seit vielen Jahren thematisieren wir mit zahlreichen Sozialverbänden und Trägern das wachsende Problem von Wohnungslosigkeit in Sachsen und fordern endlich auch landespolitisch aktiv zu werden. Dies wollen wir mit unserem Antrag bestärken.
Mit einer bundesweiten Statistik und dem im Dezember erschienenen Wohnungslosenbericht der Bundesregierung liegt nun zum ersten Mal eine systematische Aufarbeitung zum Ausmaß, zu Ursachen und Umständen von Wohnungslosigkeit vor. Die dazugehörige Stichtagserfassung weist für Sachsen 1.665
Personen aus, die zum 31.1.22 notuntergebracht wurden. Diese
Zahl umfasst nicht die Menschen, die auf der Straße leben oder bei Bekannten und Verwandten schlafen. Die tatsächliche Zahl der Wohnungslosen dürfte daher deutlich höher liegen. Die Diakonie erfasst in ihrem aktuellen Lebenslagenbericht bspw 3018 Menschen in Sachsen in Wohnungsnot, Menschen die allein in ihren eigenen Anlaufstellen ankommen.
Dem Problem der lückenhaften Erfassung versucht der Bericht der Bundesregierung durch weitere Befragungen und Stichproben beizukommen, insgesamt wird von bundesweit 262.600 Wohnungslosen ausgegangen.
Davon sind zirka 2/3 Männer und 1/3 Frauen und 1 % divers. Mehr als die Hälfte aller Befragten gibt an, unter einer langfristigen Erkrankung oder Behinderung zu leiden; ein Viertel ist von Suchtkrankheiten betroffen. Etwa die Hälfte aller wohnungslosen Menschen, die schon einmal eine Wohnung besaßen haben diese aufgrund von Mietschulden verloren. Nahezu die Hälfte der wohnungslosen Personen hat sich nicht um Hilfe bemüht, um den Wohnungsverlust abzuwenden. Deutlich ist auch dass es sich bei allen Formen der Wohnungslosigkeit um ein langfristiges Problem handelt.
Wohnungslosigkeit ist kein Problem individuellen Versagens. Niemand lebt freiwillig in Not und Elend. Armut ist ursächlich, weiterhin der Verlust von Arbeit oder schlecht bezahlte Arbeit, steigende Mieten und Lebenshaltungskosten, Verschuldung und Schicksalsschläge, die nicht bewältigt werden. Dazu kommt die Scham das Problem einzugestehen und sich Hilfe zu suchen.
Die Einblicke in Ursachen und Umstände von Wohnungslosigkeit zeigen deutlich, dass hier enormes Potenzial besteht Wohnungslosigkeit abzuwenden.
Da wäre zuerst die Prävention vor Wohnungslosigkeit zu nennen:
Wenn Mietschulden die Hauptursache für den Verlust der Wohnung sind, muss hier massiv angesetzt werden.
Wie sind die Vorsorgeketten, wenn Mieten nicht gezahlt werden?
Welche Informationen können an Betroffene Haushalte gezielt übermittelt werden?
Werden in der Kommune Mietschulden übernommen um Wohnungslosigkeit abzuwenden? Einige machen das, aber nicht alle. Und wissen die Betroffenen überhaupt davon? Wie können Vermieter:innen einbezogen werden?
Wir brauchen zweitens innovative, vernetzte, passgenaue Angebote der Wohnungslosenhilfe, die nicht vor allem auf Notunterbringung gerichtet sind.
Die Unterbringung von Obdachlosen ist zwar eine kommunale Aufgabe, das Land darf sich hier aber nicht aus der Verantwortung stehlen. Im Freistaat funktioniert der überörtliche Austausch noch viel zu wenig.
In NRW werden die Kommunen seit vielen Jahren mit der Landesinitiative „Endlich ein Zuhause“ bei der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit unterstützt: Mit Förderprogrammen, Praxishilfen und einer Kooperationsvereinbarung mit der Wohnungswirtschaft. Das ist beispielhaft auch für Sachsen.
Zur Landesverantwortung gehört u.E. auch das Forcieren innovativer Konzepte, wie z.B. Housing First. Dieses Modell, das nach dem Grundsatz „Zuerst eine Wohnung, dann Lebensstabilisierung“ funktioniert, wird erfolgreich und fachlich fundiert bereits in Leipzig praktiziert, das Land unterstützt hier auch finanziell. Auch Dresden versucht sich bereits mit housing first. Um diese Modelle auszuweiten erwarten wir finanzielle Ressourcen für weitere Projekte und mehr Investitionen in bezahlbaren Wohnraum.
Da die Gruppe der Wohnungslosen sehr heterogen ist, müssen auch die Angebote heterogen sein.
Das Land ist gemeinsam mit den Kommunen gefragt Maßnahmen und verbindliche Verfahren zu entwickeln, die auf Zielgruppen zugeschnitten sind:
– auf Frauen, die vorrangig in verdeckter Wohnungslosigkeit leben
– Auf Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen
– Auf junge Menschen (ein Drittel der untergebrachten Wohnungslosen ist unter 25 Jahre alt)
– Auf Gefangene, die aus der Haft entlassen werden – Gründe für Wohnungslosigkeit sind in etwa 10% der Fälle Haftantritte. Nach der Haft ist die Wohnung weg. Hier bedarf es einer sehr guten Verzahnung von Hafteinrichtungen mit den zuständigen Stellen in der Kommune um frühzeitig Wohnungen zu sichern, damit Menschen nicht in die Wohnungslosigkeit entlassen werden
– und schließlich auf Frauen und Kinder, die in stationären Gesundheitseinrichtungen oder Frauen- und Kinderschutzhäusern untergebracht sind. Hier muss es die Möglichkeit geben, drohenden Wohnungsverlust anzeigen zu können, damit die kommunalen stellen gleich aktiv werden können und die Entlassung in die Wohnungslosigkeit abwenden.
Und last not least und drittens geht es auch um fundamentale Maßnahmen: Armutsbekämpfung und Wohnraumversorgung. Hier ist das Land glasklar in der Verantwortung. Der Bau von Sozialwohnungen schleppt sich dahin. Die überarbeitete Förderrichtlinie gebundener Mietwohnraum löst die Probleme der Baukosten- und Zinsentwicklungen eben nicht und löst auch nicht die Strukturprobleme der zeitlich begrenzten Preis- und Belegungsbindungen und die Subventionierung von Privatunternehmen. Wir brauchen eine nachhaltige und passgerechte Form der Wohnraumversorgung für ökonomisch benachteiligte Menschen. Und wir brauchen besondere Schutzmechanismen gerade in Krisenzeiten! Alle Fachleute sind sich einig, wenn sie prognostizieren, dass aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten Armut und auch Wohnungslosigkeit in der kommenden Zeit zunehmen wird.
Darum plädieren wir vor allem in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten für einen Mietenstopp und das Verbot von Zwangsräumungen!
Zur Prävention gehört auch die Bekämpfung von Armut durch armutsfeste Löhne und eine armutsfeste und komplett sanktionsfreie Mindestsicherung statt das faktisch in Bürgergeld umbenannte Hartz IV.
Wir drängen darauf das Recht jedes Menschen auf angemessenen Wohnraum zu verwirklichen. Die Ausreden der Vorjahre, dass die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit keine Aufgabe des Freistaates wäre, weisen wir zurück. Es gibt viele Stellschrauben, wir bieten ihnen im Antrag einige an und bitten um Zustimmung!