Die Forderungen nach „Dezentralisierung jetzt!“ und der „Abschaffung der Lager“ werden immer wieder von Flüchtlingsräten, dem bundesweiten Netzwerk geflüchteter Menschen We’ll Come United, der Seebrücken-Bewegung, von der Linkspartei und von vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Akteur:innen erhoben. Auch wir als linXXnet und im linXXnet Aktive setzen uns seit vielen Jahren für die Verbesserung der Unterbringung und einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel ein.
Die berechtigte Frage nach der Umsetzung ist jedoch nicht leicht zu beantworten, zumindest, wenn an angespannte Wohnungsmärkte gedacht wird wie in Leipzig, Dresden oder anderen Großstädten, zunehmend aber auch kleinen Orten in Deutschland.
Wir haben daher versucht, asyl- und wohnungspolitische Maßnahmen zusammenzutragen um so das „Wohnen statt Unterbringen“ für geflüchtete Menschen zu ermöglichen. Dafür haben wir mit Geflüchteten gesprochen und Fragebögen an Expert:innen, die auf unterschiedliche Weise in diesen Feldern arbeiten, versendet: Daraus ist eine Broschüre entstanden, die wir jetzt endlich veröffentlichen.
Die Idee zu diesem Konzept kam schon nach der Fluchtbewegung auf, die sich seit August 2021 über Belarus und Polen entwickelte. Damals führte sie zu stark ausgelasteten Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Mit der einsetzenden Fluchtbewegung aus der Ukraine nach dem 24. Februar 2022 verschärfte sich die Situation in den Aufnahmeeinrichtungen. Gerade diese Lage führte bei Innenminister:innen wie einigen Landrät:innen und Bürgermeister:innen zu immer schrilleren Tönen. Immer wieder ging es dabei darum, die Kapazitäten der Lager intensiv aufzustocken.
Warum aber nicht die Menschen befähigen, ihre eigene Wohnung anzumieten? Mit diesem Konzept stellen wir verschiedene Maßnahmen in den Abschnitten Asyl, Wohnen, Soziales und Infrastruktur vor. Die einzelnen „Maßnahmen-Karten“ können politische Akteur:innen ziehen und anwenden und Fachverbände und Initiativen können sie nutzen, um Entscheidungsträger:innen Druck zu machen.
Ans Herz gelegt wurde uns von Prof. Dr. Birgit Glorius aus Chemnitz, die „Agency“ der Geflüchteten nicht zu vergessen, also Solidarität und Unterstützung unter Geflüchteten zu allen möglichen Fragen des Ankommens und darüber hinaus, genauso wie beim Teilen von Ressourcen, Wissen oder einfach: Zeit füreinander haben. Neben Maßnahmen, die diese Agency berücksichtigen und stärken sollen, sind Auszüge aus verschiedenen Interviews in das Konzept eingeflochten, die zeigen, wie Unterstützung unter geflüchteten Menschen aussehen kann. Diese ist oft leise und unsichtbar, komplett losgelöst und unbeachtet von lautstarken Debatten unter Deutschen, auf Deutsch. Die Interviews, die wir mit geflüchteten Menschen geführt haben, fanden alle auf der Leipziger Eisenbahnstraße statt, einem Ort, an dem diese Solidarität zuhauf organisiert wird. Ein Fakt, der im deutschen Blick auf das Viertel so gut wie nie fokussiert wird. Wir hoffen, hiermit auch einen Ansatz für eine weitere wissenschaftliche wie aktivistische Beschäftigung mit dieser Form der Solidarität unter Geflüchteten vorlegen zu können.
Viel Freude beim Lesen!
Grafik: Kampagne „Dezentralisierung jetzt!“ des Initiativkreis Menschen.Würdig