Die Abschiebung eines Siebenjährigen und seiner Mutter nach Polen am 30. November 2021 erregte Aufsehen. Die Polizei hatte den Jungen von seiner Schule in Delitzsch abgeholt und musste sich Kindeswohlgefährdung vorwerfen lassen. Ich habe die Staatsregierung dazu befragt (Drucksache 7/8299) und kommentiere:
Die Antwort der Regierung lässt sich mit ,Alles nicht so schlimm‘ zusammenfassen. Immerhin habe eine Amtsärztin ,kindgerecht‘ erklärt, was passiere. Planung und Umsetzung der Abschiebung lesen sich derweil wie ein perfider Plan. Die Mutter wurde beschattet, die Schuldirektorin vorab informiert, dass ihr Schüler ,in polizeilichen Gewahrsam genommen werden muss‘. Dieses Vorgehen beschreibt das Innenministerium als ,möglichst sensibel‘.
Nichts an dieser Abschiebung war sensibel oder kindgerecht. Stärker noch schockiert mich aber, dass weiter aus Schulen und Jugendeinrichtungen heraus abgeschoben werden soll. Das Ministerium schreibt zwar von Ausnahmefällen, doch was die Regel und was die Ausnahme ist, definiert es selbst. Auch der Leitfaden Rückführungspraxis soll daran offenbar nichts ändern. Das Leid war überdies völlig unnötig – nach meinen Informationen sind Mutter und Kind wieder in Deutschland. Das ist angesichts der prekären menschenrechtlichen Lage, in der sich Asylsuchende in Polen befinden, und nicht zuletzt der Verfolgung, die der Mutter droht, wenig überraschend.
Ich erinnere daran, dass eine Abschiebung aus einer Jugendeinrichtung erstmals am 12. September 2019 – kurz nach der Landtagswahl – dokumentiert werden musste. Da war bereits klar, dass künftig eine Kenia-Koalition regieren würde. Damals traf es eine Achtjährige, die aus dem Landeszentrum für die Betreuung von Blinden und Sehbehinderten in Chemnitz abgeholt wurde. Sie wurde später mit ihrer Familie aus dem Erzgebirgskreis zusammengeführt und gemeinsam abgeschoben (Drucksache 7/93). Die Angriffe auf schützenswerte Orte setzten sich 2020 fort, als zweimal in Dresden versucht wurde, eine 15-Jährige aus einer Jugendhilfeeinrichtung herauszuholen. Das misslang, weil eine Mitarbeiterin den Mut hatte, ,nicht zu kooperieren‘, wie es das Innenministerium damals ausdrückte (Drucksache 7/4587).
Mit diesem Vorgehen torpediert der entlassungsreife Innenminister das Kindeswohl, das Recht auf Familieneinheit und nicht zuletzt zentrale Vereinbarungen des Koalitionsvertrags. Die Frage ist, wie lange die vernünftigen Kräfte der Kenia-Koalition das noch dulden wollen.“
PM 04. Januar 2022