Weiter zahlreiche antisemitische Straftaten im Freistaat – doch der Verfolgungsdruck lässt stark nach

Bei der sächsischen Polizei wurden im vergangenen Jahr 267 antisemitische Straftaten bekannt. Das ist das Ergebnis einer Detailauswertung der regelmäßigen Kleinen Anfrage der Linken zu politisch motivierten Straftaten im Freistaat (zuletzt: Drucksache 8/1494). Mein Statement mit meinem Kollegen Rico Gebhardt:

„Die besorgniserregende Entwicklung bei der Verbreitung von strafbarem Judenhass hat im Vergleich zu 2023, als mit 275 Taten ein Rekordwert erreicht worden war, kaum nachgelassen. Insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 stiegen die Fallzahlen deutlich an – und im Jahr 2024 trat keine Entspannung ein. Dabei zeichnen sich klare Schwerpunkte ab. Die mit weitem Abstand meisten Taten wurden in der Stadt Leipzig begangen (87), gefolgt von Dresden (25) und Chemnitz (22). Nur jeweils einige wenige Fälle sind hingegen für die Landkreise Nordsachsen (7), Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (4) und Meißen (1) verzeichnet. Unter den Taten sind zahlreiche Volksverhetzungen (111) sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (83), aber auch 27 Sachbeschädigungen, mehr als ein Dutzend Beleidigungen, ferner eine Reihe direkter Bedrohungen und Nötigungen sowie eine gefährliche Körperverletzung.

Die meisten Fälle werden wie in den Vorjahren als rechtsmotiviert eingestuft (209). Der Rest wird einer ,ausländischen Ideologie‘ zugeschrieben (34), gilt als linksmotiviert (9), religiös (8) oder ist nicht näher zuzuordnen (7). Unabhängig davon ist und bleibt Antisemitismus immer und in jeder Form inakzeptabel – ganz egal, aus welcher Richtung er kommt.“

Wie die Auswertung der Kleinen Anfragen ebenfalls zeigt, führt Judenhass in Sachsen nur äußerst selten vor Gericht. Dazu erklärt Rico Gebhardt, Sprecher für Justizpolitik:

„An sächsischen Gerichten kam es 2024 nur zu fünf Verurteilungen wegen antisemitischer Delikte, jeweils zu Geldstrafen und einmal zu gemeinnütziger Arbeit. Das ist ein Hauch von nichts und eine äußerst irritierende Rückentwicklung. Zum Vergleich: 2023 und 2022 waren jeweils 16 Personen verurteilt worden, 2021 waren es immerhin 26. Mit der Fallentwicklung hält der Verfolgungsdruck – falls man das noch so nennen will – nicht einmal ansatzweise Schritt. Das zeugt nicht von wachsender Sensibilität und ist auch sonst verwunderlich. Denn die Fallauswertung zeigt, dass Dreiviertel aller Taten in der Öffentlichkeit begangen werden, buchstäblich auf der Straße. Mindestens ein Dutzend Mal war der Tatort eine Versammlung, unter den Augen der Polizei.

Das Problem illustriert meine Kleine Anfrage zu Verstößen gegen das Verbot von Kennzeichen der ,Hamas‘ (Drucksache 8/1009): Demnach wurden 2024 in neun Fällen verbotene Parolen und Symbole dieser islamistischen Terrorvereinigung festgestellt – offenbar zum Teil auch bei Demonstrationen. Trotzdem wurden überhaupt keine Tatverdächtigen festgestellt. Jedes einzelne Verfahren läuft ,gegen Unbekannt‘ und damit absehbar ins Leere. Ich würde nicht behaupten, dass man in Sachsen nichts gegen Antisemitismus unternimmt. Aber das, was man unternimmt, reicht hinten und vorne nicht, insbesondere nicht in der Justiz.“

PM 19.2.25

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