Seit einigen Tagen, wenn nicht gar Wochen gibt es eine zunehmende Skandalisierung von „linker Gewalt“. Das Abbrennen eines Baggers auf dem Baugelände der CG-Gruppe in der Prager Straße, weitere kleinerer Baustellenbrände und nun Auseinandersetzungen mit der Polizei am vergangenen Wochenende in Leipzig-Connewitz füllen die Gazetten, und treiben führende Politiker*innen an „Linksextremismus“ zur „Chefsache zu machen und zu Verurteilungen zu greifen. * Was also ist los?
Ich sehe zwei Linien von Ursachen für aktuelle Eruptionen:
Einerseits kam es in jüngerer Vergangenheit zu gewalttätigem Eingreifen der Polizei gegen linke Demonstrationen. So am 9. Oktober in Connewitz in Reaktion auf eine spontane Versammlung wegen des antisemitischen Anschlags in Halle mit zwei Todesopfern. Die Polizei stoppte die im Süden Demonstrierenden gewaltvoll ohne sich um eine Kontaktperson zu bemühen. Andererseits ging die Polizei ein paar Tage später hart gegen Teilnehmende einer Solidemo im Leipziger Westen vor. Dem war ein Eingriff in die Meinungsfreiheit, nämlich die Untersagung des Rufens eines polizeikritischen Slogans vorangegangen.
Noch weiter zurückgeblickt machte die Polizei im Frühjahr/ Sommer in Connewitz auf dicke Hose, indem sie mit Bereitschaftspolizeistreifen im Stadtteil eskortierte. Auch bei einer Abschiebung im Leipziger Osten kam es im Juli 2019 zu massiver Polizeigewalt gegen Menschen, die dagegen aus zutiefst humanistischen Gründen protestierten.
Zum anderen treibt insbesondere im Leipziger Süden viele Menschen die Aufwertung ihrer Lebensumfelder um. Dies ist nicht neu und war bereits vor mehr als fünf Jahren ein heiß diskutiertes und durch subversive Aktionen flankiertes Thema.
Aktuell sind an allen Ecken in Connewitz Neubauprojekte zu beobachten. Etwa 600 neue Wohnungen im Bau, können gezählt werden, darunter keine einzige Sozialwohnung. Wohnungen, deren Mietpreis bei 10 Euro/ qm beginnen und die sich arme Menschen und Normalverdiener*innen nicht leisten können werden. Neben der Angst der Veränderung des Stadtteilgefüges durch die neuen gut situierten Nachbarn, gibt es vor allem Angst vor Verdrängung durch ökonomische Veränderungen, sprich: Dass die aufgerufenen Mieten im Neubau sich auf die Bestandsmieten auswirken und zu Verdrängung führen können. (Ich habe mich in diesem Beitrag ausführlich damit befasst). Der Umbau der Bornaischen Straße dagegen, bei dem die Straßenbahnschienen erneuert, Radwege geschaffen und Parkplätze verringert werden, kann nicht ernsthaft als Szenario für Aufwertung herhalten.
Gleichzeit zögert die Stadtverwaltung den Erlass von Milieuschutzgebieten heraus, die Mieter*innen unter anderem vor Luxussanierungen schützen sollen. Vorgesehen sind diese für Gebiete im Westen, Norden, Mitte und Osten. Auf Antrag der Linksfraktion befindet sich auch Connewitz als Milieuschutzgebiet zumindest in der Prüfung.
Oberbürgermeister Burkhard Jung schickt sich an den Brand auf der CG-Baustelle als „Terroranschlag“ zu labeln, während er auf der anderen Seite das Modell des Mietendeckels, wie er in Berlin gerade auf den Weg gebracht wird und mit dem Mieten eingefroren und sogar auf vereinbarte Grenzen abgesenkt werden sollen, ablehnt. Großinvestor*innen wie der CG-Gruppe oder der Stadtbau AG werden zur Entwicklung riesige Areale überlassen, der Gestaltungsspielraum der Stadt beschränkt sich am Freiladebahnhof Eutritzsch und am Bayerischen Bahnhof auf Städtebauliche Verträge/ B-Plan-Verfahren, die aber beispielsweise den Schutz von bestehenden Kultureinrichtungen und die Schaffung von echten Sozialwohnungen nicht leisten.
Bezeichnend ist aktuell auch der mediale Umgang mit den benannten Ereignissen. Ungeprüft wurden – außer in wenigen Ausnahmefällen – die Darstellungen der Polizei übernommen, ohne dass die Perspektiven von Augenzeug*innen und Betroffenen gewürdigt wurden. Beim Anschlag auf die CG-Baustelle wurde sofort nach links gezeigt, ohne dass es dafür Indizien gab und gibt.
Auch in Bezug auf das vergangene Wochenende in Connewitz wurde wiederum ungeprüft die falsche Behauptung übernommen, dass es zu Angriffen auf die Feuerwehr gekommen wäre.
Willkürliche Polizeigewalt und eine Politik, die Menschen nicht davor schützen will und kann, dass sie aus ihren Wohnungen verdrängt und Viertel aufgewertet werden, schaffen keinen sozialen Frieden und schmälern das Vertrauen in politische Lösungen gegen Unrecht und Ungerechtigkeit.
Wenn Medien brennenden Mülltonnen mehr Raum geben als der Kritik an Grundrechtseingriffen und sozialen Missständen, dann stimmt etwas nicht.
Zum Ende noch ein persönliches Wort: Statements im Namen von „Kiezmilizen“ gehen mir auf den Keks. Der Stadtteil „gehört“ nicht einer Gruppe, die dessen Willen ungefragt behaupten kann zu exekutieren. Der Stadtteil gehört vielen Menschen, die hier leben und zu großen Teilen Probleme mit den aktuellen Aufwertungstendenzen und mit Polizeiwillkür und nerviger Polizeipräsenz haben. Menschen, die zum Teil sicher auch eine Akzeptanz für militanten Formen von Politik haben.
Ich bin ein Fan von Kommunikation und kollektivem, grenzüberschreitendem Handeln.
* Anmerkung: Ich ich bin im MDR entkontexualisiert zitiert worden. Darum führe ich meine dort getätigten Aussagen in diesem Beitrag aus.