Verspätete Beschlussfassung über Mietspiegelzuständigkeit schafft Rechtsunsicherheit – Freistaat entzieht sich der Finanzierungsverantwortung

Am 15. Dezember 2022  hat der Sächsische Landtag das Mietspiegelzuständigkeitsgesetz beschlossen. Diese Regelung ist infolge einer bundesgesetzlichen Änderung im August 2021 notwendig geworden. Seit dem 1. Juli 2022 müssen Kommunen mit über 50.000 Einwohner:innen einen Mietspiegel erstellen und die Länder die zuständigen Behörden bestimmen. In Sachsen betrifft dies die Städte Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig, Plauen und Zwickau. Meine Rede im Landtagsplenum:

Es ist dringlich, dass wir das Mietspiegelzuständigkeitsgesetz heute zum Gegenstand der Debatte und Beschlussfassung machen, vielmehr muss aber gefragt werden wie es zu dieser massiven Verzögerung kam. Schließlich hat der Bundestag schon im August 2021 das Mietspiegelreformgesetz beschlossen. Ein Mietspiegel ist nach diesem Beschluss verpflichtend für die Städte mit über 50.000 Einwohner*innen. Die Länder waren beauftragt in ihrem Gebiet die für die Mietspiegelerstellung zuständigen Behörden zu bestimmen. Bis zum 1. Juli diesen Jahres war dafür Zeit. Jetzt ist Dezember 2022 und die Untätigkeit führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit.

Vor allem in der Stadt Leipzig, die derzeit im Prozess ist Daten für den neuen Mietspiegel zu erheben, der im Juni 2023 in Kraft treten muss.
Leipzig ist neben Dresden und Chemnitz die Stadt in Sachsen, die einen qualifizierten Mietspiegel hat, ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde, deutlich mehr Genauigkeit, Rechtssicherheit und Akzeptanz hat.

Ohne der Stadt Leipzig formal auch die Zuständigkeit für die Mietspiegelerstellung zu übertragen, müsste dies entweder das Land machen oder die Stadt stünde ab dem 24.6.2023 ohne Mietspiegel da. Mieterinnen und Mieter wären dann ungehemmten Mieterhöhungen unterworfen, denn dann ist die Bezugsgröße für Mietveränderungen nicht mehr die durch den Mietspiegel ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete, sondern vom Vermieter beigebrachte drei Vergleichsmieten von neu vermietetem Wohnraum. Auch die Anwendung der sowieso schwachen Mietpreisbremse wäre ohne Mietspiegel geschmälert, genau wie die Basis der Ermittlung der Richtwerte für die Kosten der Unterkunft.

Der Eigentümerverband Haus und Grund hat die Regelungslücke auch eifrig genutzt und gegen die Stadt Leipzig und deren laufende Erfassung von Daten für den neuen Mietspiegel, die nunmehr auf freiwilliger Basis erfolgen muss, mobil gemacht. So wie die Eigentümerseite gegen jedes Instrument zur Regulierung der Miete zuungunsten ihrer Profite mobil macht.

Nun heilen wir das Problem durch die heutige Beschlussfassung notdürftig, insofern lassen wir auch von unserem Ansinnen ab, auf ein rückwirkendes Inkrafttreten des Gesetzes zum 1.7. zu insistieren, wie es ein Sprecher des Regionalministeriums  selbst in der Presse angekündigt hat.

Mit dem eiligen, aber notwendigen Beschluss fällt nun aber ein wichtiger Aspekt des Gesetzes unter den Tisch: Der finanzielle Ausgleich. Dies war Thema fast aller Stellungnahmen zur schriftlichen Anhörung im Ausschuss für Regionalentwicklung. Die Argumentation der Staatsregierung, dass nur die Kommune, die bisher keinen Mietspiegel erstellen, nämlich Görlitz, mit einer Kostenerstattungen bedacht wird, ist nicht nachvollziehbar. Wir übertragen mit Beschlussfassung den Gemeinden eine neue Pflichtaufgabe. Und dies erfordert einen Mehrbelastungsausgleich, auch wenn 4 von 6 Kommunen bereits regelmäßig oder wie Plauen in der Vergangenheit einmal einen Mietspiegel erstellte. Hier reicht der Blick in die sächsische Verfassung, Artikel 85 Absatz 2:

„Führt die Übertragung der Aufgaben zu einer Mehrbelastung der kommunalen Träger der Selbstverwaltung, so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen. Dies gilt auch, wenn freiwillige Aufgaben in Pflichtaufgaben umgewandelt werden.“

Für uns als Linke ist der Mehrbelastungsausgleich indiskutabel und muss selbstverständlich auch für die Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln gelten. Zudem ist zu beachten, dass mit der überarbeiteten Mietspiegelverordnung  die Anforderungen an Datenerhebung, Datenauswertung und Dokumentation von Mietspiegeln erhöht wurden. Die Kommunen haben also objektiv mehr Aufwand mit der Mietspiegelerstellung. Der Städte- und Gemeindetag taxiert die Kosten in Rücksprache mit den betroffenen Kommunen auf 892.857,43 Euro pro Jahr.

Zum Ende hin möchte ich zumindest noch erwähnen, dass wir als Linke Mietspiegel wie sie derzeit erhoben werden, ambivalent bewerten. In Städten mit steigenden Mieten sind sie Mieterhöhungsspiegel und dämpfen die Profit-Macherei auf Kosten der Mieter*innen nur notdürftig. Es braucht hier einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel hin zu einem Mietenkataster, das die Miethöhen in ihrer Gesamtheit betrachtet und nicht nur die Neuvertragsmieten der letzten sechs Jahre.

Wir stimmen zähneknirschend zu und werben um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag für den Mehrbelastungsausgleich.

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