In Leipzig formieren sich derzeit wieder asylfeindliche Proteste. An deren Spitze versucht sich die extrem rechte AfD mit ihren Stadträten zu stellen. Ein kurzer Blick auf die Lage.
Die Zahl der in der Bundesrepublik ankommenden Geflüchteten bleibt hoch. Im Jahr 2022 wurden in Sachsen insgesamt 18.474 Geflüchtete aus Kriegsgebieten und anderen Notlagen – außer der Ukraine – aufgenommen. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien, aus der Türkei, aus Venezuela, Afghanistan und dem Irak (vgl. https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12004&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined). Die Stadt Leipzig nimmt neben Dresden aufgrund ihrer Größe und Einwohner*innenzahl die meisten Geflüchteten auf, 2022 waren es 1.453. Hinzu kamen fast 10.000 ukrainische Geflüchtete.
Laut Sachstandsbericht der Stadt lebten Ende Dezember 2022 insgesamt 3.352 Personen, ohne Schutzsuchende aus der Ukraine,
in Gemeinschaftsunterkünften, in Notunterkünften und im Übergangswohnheim. Derzeit betreibt die Stadt 38 Gemeinschaftsunterkünfte, davon 23 mit bis zu 60 Plätzen und damit in einer Größe, wie sie von der Mehrheit des Stadtrates auch präferiert und im Unterbringungskonzept der Stadt von 2013/ 14 festgeschrieben sind. Doch es sind über die Jahre auch große Unterkünfte und immer wieder auch Notlösungen in Zelten hinzugekommen. Ein Problem ist der angespannte Wohnungsmarkt, der es gerade Flüchtenden schwer macht in eine eigene Wohnung zu ziehen. Bezahlbarer Wohnraum ist für alle knapp, hinzu kommen Barrieren wegen Herkunft und unsicherem Aufenthaltsstatus.
Die Stadt will im laufenden Jahr etwa 3000 weitere Plätze in Unterkünften schaffen.
Die Ankündigungen eine Zeltnotunterkunft mit über 300 Plätzen in Stötteritz (Kommandant-Prendel-Allee/ Kolmstraße) zu schaffen und ein eher kleines Objekt in der Lindenthaler Hauptstraße anzumieten stößt momentan auf Widerspruch, der sich auch rassistisch ausdrückt und durch die AfD ganz offenkundig angeheizt wird. Zu zwei Versammlungen in beiden Ortsteilen am Wochenende 4. und 5.2.2023 waren jeweils Stadträte der AfD anwesend.
Rassistischen Zuschreibungen von wachsender Unsicherheit durch die Unterbringungen Geflüchteter, von Gefahren für Frauen und Kinder, von Asylmissbrauch etcpp ist klar und deutlich zu widersprechen. Es geht hier verdammt noch mal um Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und nun ein Dach über dem Kopf, Ruhe und eine Chance sich ein neues Leben aufzubauen brauchen. Es geht hier um ein Menschenrecht.
Bereits 2012 hatte es in Stadtteilen Leipzigs rassistische Mobilisierungen von Anwohner*innen gegeben, inzwischen haben sich die Unterkünfte in die Umgebung „integriert“, Probleme sind keine bekannt. Doch darum geht es insbesondere der AfD und anderen rassistischen Wortführern nicht. Sie wittern die Chance gegen schutzsuchende Menschen und die verantwortliche Politik zu hetzten.
Gleichwohl gibt es bei den aktuellen Standortentscheidungen Probleme, für die ankommenden Schutzsuchenden nichts können.
Ein weiterer Zeltstandort sollte allen, die sich für gute und humane Unterbringung engagieren zu denken geben. Bereits am Deutschen Platz und in der Arno-Nitzsche-Straße sind über 400 Menschen in Zelten untergebracht. Mit der Etablierung eines weiteren Standortes wird diese Form der Unterbringung zementiert. Die Großzelte sind innen in kleine Bereiche abgeteilt, die nach oben offen sind. Geheizt wird über ein recht lautes Gebläse. Sanitäre Anlagen befinden sich im Außenbereich. Dies sind insbesondere für vulnerable Gruppen keine adäquate Unterbringung. Warum wird nicht stärker der Leerstand privater Immobilien in der Stadt fokussiert, der in so vielen Straßenzügen ins Auge fällt oder auch große leerstehende Objekte wie die Kinderklinik in der Oststraße oder die ehemalige Unifakultät in der Gustav-Kühn-Straße in Möckern. Warum sitzt die Landesregierung die Ermöglichung von Zweckentfremdungsverboten für leer stehende Häuser nicht aus. Warum werden ungenutzte Gebäude nicht beschlagnahmt, wie es etwa Bremen und Hamburg praktizier(t)en?
Eine antirassistische Mobilisierung, die die Bedingungen für die ankommenden Menschen außer Acht lässt, greift insofern zu kurz.
Probleme gibt es auch am Standort Lindenthal. Die dort gewählte Immobilie dürfte gute Bedingungen bieten und entspricht den einst beschlossenen politischen Maßgaben für die Unterbringung Schutzsuchender. Allerdings müssen für die Unterbringung hier ein eingemieteter Dönerladen und eine Ergotherapie weichen. Ich war vor Ort und habe mit dem Ladeninhaber sprechen können, der ein paar Häuser weiter ein neues Domizil gefunden hat. Auch mit der Ergotherapie habe ich gesprochen, auch hier ist mithilfe der Stadt ein neuer Standort greifbar.
Der neue Hauseigentümer hat die Kündigungen sehr kurzfristig, kurz vor Weihnachten, und für Ende Januar 23 ausgesprochen. Dieser Umgang spricht für ein reines Geschäftsinteresse. Die Stadt Leipzig hat hier direkt keine Verantwortung. Diese Entmietungen werden vor Ort von denen instrumentalisiert, die ganz grundsätzlich gegen die Unterbringung von Menschen in ihrer Umgebung sind.
Wir haben im Stadtrat die Unterstützung der betroffenen Mieter*innen durch die Stadt stark gemacht. Ich habe dort auch klar und deutlich gesagt, dass wer Seite an Seite mit der AfD gegen die Unterkünfte Stimmung macht, zurecht als Rassist*in bezeichnet werden muss.
Rassistische Mobilisierungen wachsen derzeit insbesondere in Sachsen, vielerorts angeheizt durch Faschisten von den „Freien Sachsen“ oder der AfD. Sei es die rassistische Stimmungsmache gegen die Aufnahme von 12 unbegleiteten Minderjährigen in Kriebethal (Mittelsachsen), von afghanischen Ortskräften in Chemnitz-Einsiedel, von Flüchtenden in Laußig (Nordsachsen) oder Böhlen (Landkreis Leipzig). Es braucht darauf eine unmissverständliche solidarische Antwort und eben auch praktische Solidarität.