Zirka 1000 unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche waren zum Jahresende in Sachsen untergebracht, Kinder und Jugendliche, die vor allem aus Syrien und aus Afghanistan kommen. Das besondere ist, dass die jungen Menschen, die im vergangenen Jahr zum Beispiel nach Leipzig kamen, in einer merklich schlechten physischen und psychischen Konstitution und über Maßen erschöpft sind, ein Indiz dafür, dass ihre Fluchtwege lang und beschwerlich waren und dass sie Gründe hatten, diese Wege auf sich zu nehmen. Wir meinen klipp und klar: Es ist gut, dass die Kinder und Jugendliche endlich an kommen und dass ihnen eine altersgerechte Betreuung und Versorgung im Rahmen des SGB 8 zukommt. Die faschistische AfD hat im Landtag erneut Misstrauen und Unmut gegen diese vulnerable Gruppe geschürt und obligatorische medizinische Altersfeststellungen gefordert. Meine Entgegnung:
Was die AfD uns heute als Antragspamphlet vorlegt, strotzt nur so von Fake-News und rassistischer Stimmungsmache. Thema verfehlt, setzen, ließe sich die Forderung nach medizinischer Altersfeststellung goutieren. Dieser Antrag ist die parlamentarische Rahmung der Hetze gegen Kinder und Jugendliche, wie sie sie seit Wochen in Kriebethal betreiben. Und sie ist ein Affront gegen die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe und die Ehrenamtlichen, die sich um das Wohl dieser vulnerablen Gruppen bemühen.
Im Rahmen der fachlichen Debatte, die wir u.a. auch im Leipziger Jugendhilfeausschuss regelmäßig führen, spielt auch die Altersfeststellung eine Rolle. Ich kann auch mit diesen Debatten im Rücken deutlich sagen: Die Aussagen, die die AfD in ihrem Antragspamphlet trifft, spiegeln die Lage in Sachsen und auch der Bundesrepublik eben nicht. Zudem lassen sich ihre herausgepickten Einzelfälle z.B. aus dem Saarland oder die Studie aus Münster eben auch durch andere Ergebnisse kontern.
Aus der medizinischen Perspektive gibt es vielfältige Kritik an der medizinischen Altersfeststellung: Denn es sind ganz verschiedene Faktoren, die Einfluss sowohl auf die körperliche Entwicklung als auch auf die momentane physische Verfasstheit von Menschen ausüben, sprich soziale, kulturelle, wie auch bspw. klimatische Einflüsse. Auch die beschwerliche Flucht an und für sich kann jungen Menschen buchstäblich graue Haare machen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychatrie weist zudem darauf hin, dass die in der Medizin verwendeten Referenzen z.B. bei Knochenaltersbestimmungen entweder überaltert oder in Bezug auf Herkunftsländer lückenhaft sind. Im Deutschen Ärzteblatt heißt es ganz grundsätzlich: „Es handelt es sich um einen verbreiteten Irrglauben von Nichtmedizinern, Ärzte könnten das Alter exakt definieren. Möglich ist nur eine grobe Schätzung des chronologischen Alters.“ Der Präsident der Bundesärztekammer Montgomery lehnte in der Vergangenheit „einen obligatorischen Alterstest grundsätzlich ab“. Ohne medizinische Indikation zu röntgen, sei dies ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Das sehen wir auch so.
Wir sollten eher darüber reden wie die „qualifizierte Inaugenscheinnahme“ durch sozialpädagogische Fachkräfte für den Fall des Fehlens von Papieren – was für eine Fluchtsituation durchaus typisch ist – fachlich gut vollbracht werden kann. Die Fachkräfte, die diese Gespräche und Prüfungen vollziehen, brauchen dafür Qualifizierung, Beratung und gute Arbeitsbedingungen. Und genau darüber müssen wir sprechen! Denn angesichts des schleppenden Aufbaus von Kapazitäten in den sächsischen Landkreisen und Kreisfreien Städte wurden wie schon 2015 die fachlichen Anforderungen an Personal und Räume gesenkt.
So unumgänglich das in der angespannten Situation scheint, so falsch ist es mit Blick auf die pädagogischen Anforderungen für diese besonders Schutzbedürftige Gruppe.
Wir schließen uns daher den Forderungen von Fachverbänden wie dem Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach nachhaltigen Jugendhilfe-Infrastrukturen und finanzieller Absicherung auch in Zeiten sinkender Fluchtzahlen an.
Der Antrag der Knochenvermesser der AfD ist Quatsch, die darin verwendeten Zahlen Panikmache, denn die Zahl der Minderjährigen ist im Vergleich zu 2015 klein, und der von Ihnen so genannte „Konflikt in Kriebethal“ zeigt nicht, dass die Unterbringung an ihre Grenzen kommt, sondern – wie so oft in Sachsen – der Humanismus, aber da reiben sie sich natürlich die schmutzigen Hände. Wir lehnen ihnen ab.