Umsetzung des „grünen Asylkompromisses“ in Sachsen

R_6538e91045Die konkrete Händelung asylrechtlicher Fragen hängt nicht unwesentlich von den Kreis- und Stadtverwaltungen sowie den lokalen Ausländerbehörden ab. Das zeigt sich auch bei der Umsetzung der zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Veränderungen bei der Residenzpflicht und beim Zugang zum Arbeitsmarkt in Sachsen

Um für das Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten eine Mehrheit im Bundesrat zu erlangen, wurde die Lockerung bestimmter Restriktionen für Asylsuchende vereinbart („Grüner Asylkompromiss„). In dem zum 1.1.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern werden diese Vereinbarungen gebündelt.
Demnach werden eine Verkürzung der Dauer der Residenzpflicht (nicht deren Wegfall!), die Aufhebung des Sachleistungsprinzip (außer in Erstaufnahmeeinrichtungen) und der teilweise Wegfall der Vorrangprüfung bei der Arbeitssuche (hier gibt es drei begünstigte Kategorien, wie sinnlos!) in Gang gesetzt.
Bereits mit dem Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31. Oktober 2014 wurde die Wartezeit für den Zugang zum Arbeitsmarkt von neun auf drei Monate verkürzt. Die o.g. abgespeckte Vorrangprüfung muss bei dieser Regelung mitgedacht werden.

Zur Umsetzung beider Bundesgesetze in Sachsen habe ich Kleine Anfragen gestellt.
Mit der Kleinen Anfrage zur Umsetzung des Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer (hier klicken) wollte ich einerseits die negativen Konsequenzen für Asylsuchende aus den neu deklarierten „sicheren Herkunftsstaaten“ Serbien, Bosnien und Mazedonien und andererseits die positiven Auswirkungen der Verkürzung der Frist zum Arbeitsmarktzugang in Erfahrung bringen. Antworten? Fehlanzeige.

Die Antwort auf die Anfrage zum Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern (hier klicken) ist da schon ergiebiger.
Die Fragen drehen sich u.a. um die Zahl derer, die in den „Genuss“ der Aufhebung der Residenzpflicht kommen und darum, wie vielen dies nicht gewährt wird. Denn: Mit dem neuen Gesetz werden Ausnahmetatbestände fortgeschrieben und sogar verschärft.
Von der Aufhebung der räumlichen Beschränkung aka Residenzpflicht ausgenommen sind demnach Asylsuchende, die Vorstrafen (ausgenommen sind ausländerrechtliche Straftaten) und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) vorweisen sowie wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen“.
In Sachen Vorstrafen sind weiterhin weder ein Mindeststrafmaß noch eine Verjährungsfrist für Delikte angegeben. Ein Einfallstor für Behördenwillkür.
Beim Ausschlussgrund BtmG kam es zur Verschärfung: Nicht mehr ein „hinreichender Tatverdacht“, sondern bereits „Tatsachen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen …“ reichen, um die Residenzpflicht aufrecht zu erhalten.
In Bezug auf die bevorstehenden aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen kritisiert der Deutsche Anwaltsverein, dass diese Regelung bei Asylsuchenden mit Aufenthaltsgestattung ins Leere läuft, da sich ihr Asylantrag eben in Prüfung befindet, und bei Geduldeten, die faktisch immer vollziehbar ausreisepflichtig sind, von der zuständigen Ausländerbehörde immer negativ gelesen ausgelegt werden kann.

Die Antwort auf meine Anfrage ergibt kein systematisches Bild der Handhabung der Neuregelungen durch die Ausländerbehörden in Sachsen, da nur eine von drei kreisfreien Städten und nur sechs von zehn Landkreisen gegenüber der Staatsregierung Angaben gemacht haben.
Doch allein die vorliegenden Zahlen verraten einiges.

Demnach wurde in der
Stadt Leipzig gegen keine Person Ausschlussgründe von der Aufhebung der Residenzpflicht geltend gemacht.
Dasselbe gilt für die Landkreise Meißen und Vogtlandkreis.

Ein anderes Bild ergibt sich für:
– den Landkreis Bautzen. Hier wurde 107 Personen die Erlöschung der räumlichen Beschränkung wegen Vorstrafen verwehrt.
– Im Landkreis Görlitz betrifft das 15 Personen (Vorstrafen),
– im Landkreis Leipzig insgesamt 10: sechs (Vorstrafen) plus vier (Btmg)
und
– im Landkreis Sächsische Schweiz Osterzgebirge 67 Personen (Vorstrafen).

Diese Zahlen demonstrieren, wie verschieden die Ausländerbehörden mir der Neuregelung umgehen. Dass der Landkreis Bautzen wie bei rassistischen Protesten und Angriffen auf Asylunterkünfte auch hier negativer Spitzenreiter ist, kommt sicher nicht von ungefähr.

Bezüglich des erleichterten Zugangs zum Arbeitsmarkt können dagegen noch keine belastbaren Aussagen getroffen werden. Im Jahr 2014 wurde laut Antwort der Staatsregierung 59 Personen die Ausübung einer Tätigkeit erlaubt, und 111 die Ausübung einer Tätigkeit versagt, davon 21 Personen wegen der Vorrangprüfung. Diese Daten beruhen allerdings nur auf Angaben aus dem Vogtlandkreis, Mittelsachsen, Landkreis Leipzig und Görlitz sowie der Stadt Chemnitz (also fünf von dreizehn Gebietskörperschaften in Sachsen). Zudem sind (noch) keine Effekte der gesetzlichen Neuregelungen abzulesen.
Hinzuzufügen ist, dass ohne ausreichende Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache, ohne Schutz vor Abschiebung während der Ausbildung oder Erwerbstätigkeit und ohne den Abbau von Diskriminierung auch auf Seiten von ArbeitgeberInnen die Neuregelung unvollständig bleibt.

Ich frage wie gehabt nach…

Bild: proasyl.de

Ein Gedanke zu „Umsetzung des „grünen Asylkompromisses“ in Sachsen“

  1. „Ich frage wie gehabt nach..“ – und das ist auch gut so.
    Ob die augenscheinlichen Ausländerfeindlichen Taten in einem Regierungsbezirk mit der Anzahl von der Residenzpflicht nicht befreitet Asylbewerber zu tun hat, wage ich zu bezweifeln.
    Im Einzelfall zu klären, warum die Aufhebung dieses wichtigen Rechtes zur freien Wahl des Aufenthaltsortes angeordnet/verfügt wurde, wäre wichtig.
    Ich entnehme den Zahlen, daß die Residenzpflicht in ganz Sachsen für >99% der Asylsuchenden aufgehoben ist – Klasse!

    Ich persönlich bin sehr gespannt ob diese Freiheit und der vereinfachte Zugang zum Arbeitsmarkt zu einer besseren Situation für Asylbewerber führt – ob diese vermehrt eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle bekommen. Das wäre sowas von wichtig!

    P.S.:
    Das abgelehnte und nicht freiwillig innerhalb von 3 Monaten ausreisende Asylbewerber sich darüber im Klaren sind, dass die Abschiebung droht und sich dieser zu widersetzen versuchen, ist belegt, logisch und wenngleich illegal, so doch nachvollziehbar.
    Eine Residenzpflichtsaufhebung ändert hier gar nichts.

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