Die Linke in Sachsen erlitt herbe Verlusten bei der Landtagswahl. Chance, sich neu aufzustellen. Oliver Rast interviewte mich für die Tageszeitung junge welt.
Ihre Partei Die Linke hat sich nach der Landtagswahl in Sachsen mit 10,4 Prozent der Stimmen beinahe halbiert. Ein überraschendes Ergebnis?
Überraschend war, dass der Mitte-links-/»Rot-rot-grün«-Parteienblock in Sachsen vollkommen marginalisiert und schwächer als die AfD aus der Wahl hervorgegangen ist. Überraschend war auch das Ergebnis der Linkspartei insgesamt. Derart herbe Verluste haben weder wir noch Umfrageinstitute vorhergesehen.
In einer Erklärung schreiben Sie, auch die »Angst vor schwarz-blau« habe dazu beigetragen, »dass wir marginalisiert wurden.«
Das ist ein Erklärungsansatz von vielen, die zusammengedacht werden müssen. Es gab eine wahrnehmbare Angst davor, dass die AfD aus diesen Wahlen erneut als stärkste Kraft hervorgehen könnte. Da fielen Aufrufe zum strategischen Wählen, wie von der unsäglichen Kampagne »Zukunft Sachsen«, auf fruchtbaren Boden mit dem Ziel, die CDU zu stärken und eine »Kenia-Koalition« aus CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu ermöglichen.
Wie haben Sie reagiert?
Wir haben dagegen mobilisiert und versucht klarzumachen, dass es die CDU war, die der AfD mit ihren reaktionären, demokratiefeindlichen, rassistischen Inhalten den Boden bereitet hat. Eine »rot-rot-grüne« Option, die laut Umfragen von einer Mehrheit der Menschen in Sachsen präferiert wurde, hatte rechnerisch keine Chance. Eine Koalition mit der CDU haben wir strikt abgelehnt, wozu ich auch weiterhin klar stehe.
Zur Wahlanalyse gehört eine Fehleranalyse. Ihre Fehler?
Wir haben es verpasst, polarisierend aufzutreten sowie die soziale Frage auf die Agenda zu heben. Die sächsische Linkspartei hat sich in den vergangenen Jahren zu stark von gesellschaftlichen Entwicklungen entfernt. Die Landtagsfraktion war zu sehr auf saubere parlamentarische Arbeit fokussiert, ohne wahrnehmbare Schwerpunkte zu setzen und die Fleißarbeit im Landtag nach außen zu vermitteln. Die Niederlage birgt auch die Chance, uns in diesem Sinne neu aufzustellen. Wir müssen um so mehr an der Seite derer stehen, die Unterstützung und Schutz brauchen, weil sie das Feindbild eines gestärkten rechten Blocks sind.
Schon bei der Bundestagswahl 2017 in Sachsen fuhr Die Linke Verluste ein.
Wir hätten spätestens danach unsere Arbeit stärker nach »draußen« verlagern sollen. Wir hatten mit den Dorfladen-, Bahnhofskneipen- und medizinische-Versorgungstouren im Landtagswahlkampf gute Ansätze, das Zusammenbrechen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu thematisieren. Das war aber zu spät, um unseren Abwärtstrend, auch außerhalb Sachsens, zu stoppen. Wir sollten mit konkreten Projekten wie dem Mietendeckel soziale Fragen zuspitzen und uns stärker mit dem Kapital anlegen.
Sie haben im Leipziger Süden das Direktmandat errungen. Was machen Sie anders?
In Leipzig und speziell im Leipziger Süden hat Die Linke die stärksten Wahlergebnisse in Sachsen erzielt. Das ist nichts Neues, hier gibt es eine starke linksalternative Szene. So ein Ergebnis fällt einem aber nicht einfach zu. Wir haben mit unserem »linXXnet« genannten offenen Büro einen wichtigen Anlaufpunkt geschaffen, der kaum mehr wegzudenken ist. Unsere starke Vernetzung mit außerparlamentarischen Akteuren, meine Mitwirkung in Initiativen und Bündnissen sowie die polarisierende Wirkung meiner Politik haben sich ausgezahlt.
Und falls es zu einer Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen kommt?
Das dürfte eine Zerreißprobe sowohl für CDU als auch die Grünen werden. Ein Teil der CDU könnte sich in Richtung AfD orientieren. Wie die Grünen ihr Zusammengehen mit einer Partei, die Grundrechte mit Füßen tritt und ökologische Belange hintanstellt, legitimieren kann, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Lösung sozialer Probleme sehe ich mit dieser Koalition nicht.
(10. September 2019)
Anmerkung: Im Interview spreche ich von einer Mehrheit für rot-rot-grün. Das ist so nicht ganz richtig. In einer Vorwahlbefragung der LVZ gab es zwar die größte Zustimmung zu r2g als möglicher Regierungskoalition, dies aber auf denkbar niedrigem Niveau (19%).