Solidarität statt Entmietung!

26876492850_2ba2c4c146_zAm 21. Mai demonstrierten in Leipzig bis zu 300 Menschen gegen Entmietungen. Anlass war und ist die aktuelle Entmietung in der Jahnallee 14. Doch es geht um mehr, um mehr Betroffene als die dort lebenden Mieter*innen und um die Frage ob Wohnen eine Ware sein darf. Ich habe in meinem Redebeitrag die Situation in Leipzig, die schleichende Entmietungspraxis der LWB im Leipziger Süden und die Frage ob Wohnen überhaupt marktförmig organisiert sein darf in den Blick genommen.

 

„Das hatten auch die kühnsten Prognosen nicht vorhergesagt: Die Stadt Leipzig wächst unaufhörlich. Nach der neusten Bevölkerungsvorausschätzung könnten bis 2030 720.000 Menschen in Leipzig leben. Sowohl Zuzüge nach Leipzig als auch Geburten bewegen sich auf Höchstständen, auch Asylsuchende und andere MigrantInnen kommen zahlreich in die Stadt.

Über Jahre hinweg war die Stadtpolitik auf Schrumpfung oder Stagnation orientiert. In den 1990er Jahren wurden massiv Kindertagesstätten und Schulen geschlossen, Straßenbahnlinien ausgedünnt und Häuser abgerissen.

Vor mehr als zehn Jahren galt Leipzig noch als die Hauptstadt des Wohnungsleerstandes.
60.000 Wohnungen standen bis zur Jahrtausendwende leer. Innerhalb von zehn Jahren hat sich dieser Leerstand jedoch mehr als halbiert und dürfte mittlerweile bei nicht mal mehr 20.000 liegen, wovon weniger als die Hälfte als „marktaktiv“ sprich zu Wohnzwecken nutzbar zu machen gilt. In einigen Ortsteilen beträgt der geschätzte Wohnungsleerstand weniger als 3 %, was einer empfohlenen Fluktuationsreserve entspricht. Bei anhaltend hohem Bevölkerungswachstum wird es in nicht all zu langer Zeit zum Wohnungsmangel kommen. Dies, vor allem aber der Immobilienboom haben Auswirkungen auf die Mietpreise, sie steigen. Teure Sanierungen und Neubauten sind für einen nicht geringen Anteil der in Leipzig lebenden Menschen nicht erschwinglich. Und Leipzig ist eine MieterInnenstadt: etwa 87 % der Menschen leben in Mietwohnungen.

Nicht erst der Falle der Jahnallee zeigt zu welchen perfiden Mitteln Immobilieneigentümer greifen um vor diesen Hintergründen ihren Profit zu maximieren. 25 % der LeipzigerInnen erhielten in den vergangenen vier Jahren eine Mieterhöhung, nicht selten mit Modernisierungsmaßnahmen begründet.

Eine alte Faustregel besagt, dass ein Haushalt nicht mehr als ein Drittel des Einkommens für die Miete ausgeben sollte. Doch Mieten-, Betriebskosten auf der einen und die Einkommensentwicklung auf der anderen Seite bewegen sich immer weiter auseinander. Laut kommunaler Bürgerumfrage 2014 liegt die Mietbelastung durch die Gesamtmiete in Leipzig bei 32 Prozent. Dieses Verhältnis könnte sich in Leipzig weiter zuungunsten der MieterInnen verschieben. Aufgrund ihrer Einkommenssituation sind viele Leipzigerinnen und Leipziger sehr sensibel auch für kleine Mietsteigerungen. Das Durchschnittsnettoeinkommen beträgt in der Stadt schließlich nur ca. 1500 Euro, Leipzig ist noch immer eine der Armutshauptstädte Deutschlands. Die Schere zwischen arm und reich geht auseinander und schreibt sich auch ins Stadtbild eine.

Immerhin verfügt die Stadt im Gegensatz zu anderen über eine kommunale Wohnungsgesellschaft die LWB, auch wenn diese in den letzten Jahren etwa 50 % ihrer Bestände verkauft hat – ein schwerer politischer Fehler, der nicht mehr rückholbar ist. Die LWB ist – wie vom Stadtrat vorgegeben – auch für die Versorgung einkommensschwacher Haushalte verantwortlich. 20.000 Wohnungen soll die LWB im preiswerten Segment vorhalten. Die Frage ist ob dieser Bestand auch vor dem Hintergrund des immensen Bevölkerungswachstums nicht erhöht werden muss, und ob es sich bei der Definition von preiswert – es handelt sich um 5,19 Euro = der Satz der Kosten der Unterkunft plus 10 % – um wirklich bezahlbare Mieten handelt, gerade vor dem Hintergrund der sozialen Situation in dieser Stadt.

Was derzeit im Leipziger Süden mit LWB-Beständen vor sich geht, kann nicht den Vorstellungen eines stadteigenen Unternehmens, das für die Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge verantwortlich ist, entsprechen.

Es geht um insgesamt 340 Wohneinheiten in Connewitz und in der Südvorstadt, die mittelfristig saniert werden sollen. Doch wie wird mit den MieterInnen verfahren? Sie werden im Unklaren gelassen, leer stehende Wohnungen nicht mehr vermietet, verbliebene MieterInnen einzelner Wohnungen gedrängt auszuziehen oder sogar gekündigt. Darf so ein kommunales Unternehmen agieren? Nein, niemand – auch kein privater Vermieter darf das.
Doch es geht weiter: Anstelle von Kaltmietpreisen von unter 4 Euro/ qm wird nach den Sanierungen ein höher-preisiges Segment angesteuert. Die MieterInnen, die aufgrund des kalkulierten Leer-Ziehens ihrer Häuser nicht schon von selbst ausgezogen sind, droht Verdrängung. Im Süden Alternativen zu finden, dürfte vielen von ihnen schwer fallen, denn hier sind die Preise längst angezogen.
Schleichende Entmietung, drohende Preissteigerungen und ein intransparentes Agieren gegenüber den MieterInnen – das kann und darf nicht Methode gerade eines kommunalen Wohnungsunternehmens sein. Die leer stehenden Wohnungen müssen zur Nutzung geöffnet und mögliche Sanierungspläne mit den MieterInnen besprochen werden. Dies ist in diesem Fall die Minimalforderung. Nicht zuletzt könnten die Mittel für soziale Wohnraumförderung, die das Land nach langem Ringen wieder zur Verfügung stellen will, genau auch in diese Objekte fließen. Denn der freie Markt wird keinen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dafür ist es ein kapitalistischer Markt.

Die benannten LWB-Häuser reihen sich mit der Jahnallee 14, der Naumburger 36, der Holbeinstraße 28a, Bernhard-Göring-Straße etcpp ein in eine Kette von Entmietungen. Solche Praxen werden gewiss nicht weniger. Wir müssen uns bewusst sein, dass es beim Thema Wohnen um den Widerstreit kapitalistischer und sozialer Interessen geht: Immobilien bleiben die lukrativsten Anlagemöglichkeiten und Spekulationsobjekte, MieterInnen stehen renditeorientierten EigentümerInnen zunehmend schutzlos gegenüber. Hier heißt es Solidarität zu zeigen, Betroffene zu unterstützen und das Vorgehen von VermieterInnen öffentlich zu skandalisieren. Grundsätzlich muss es allerdings darum gehen den Warencharakter von Wohnraums infrage zu stellen. „Wer es mit der sozialen Stadt ernst meint, sollte Wohnen – wie Bildung, Gesundheit oder den öffentliche Nahverkehr – als soziale Infrastruktur und als öffentliche Aufgabe ansehen.“ so der Stadtsoziologe Andrej Holm. In diesem Sinne: Keine Rendite mit der Miete! Wohnen ist ein Menschenrecht! Solidarität und Widerstand gegen Entmietungen!“

Bildquelle: De havilland 

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