Leipzig wird zum Testfeld einer härteren polizeilichen Gangart. Body Cams, stärkere Kontrollen, der Einsatz einer Prognosesoftware, die Einrichtung einer Waffenverbotszone sind in den letzten Tagen verkündet worden. Anstatt gesellschaftliche Problemlagen anzupacken, wird auf law-and-order gesetzt. Dies verdient Widerspruch und Widerstand.
„Bodycams und Waffenverbotszone für Sachsens Kriminalitätshochburg“
„So rüstet Leipzig im Kampf gegen Straßenkriminalität auf“
„Leipzigs junge Kriminelle“
„Polizeiliche Prognosesoftware zur Vorhersage von Einbrüchen“
(Schlagzeilen diverser Medien der letzten Tage)
Leipzig als Testfeld einer neuen harten polizeilichen Gangart also.
Kleine Kameras am Polizeibeamten, die den/die BürgerIn der Willkür der Beamten ausliefern (Body cams), Sonderzonen, in denen die Polizei noch mehr schalten und walten kann wie sie will oder Software, die Verbrechen voraussagen und perspektivisch vielleicht persönliche Daten und digitale Spuren von Menschen zur Kriminalitätsbekämpfung einsetzen will sind vor allem Teil der innenpolitischen Aufrüstung, kaum aber der Problemlösung.
Ich meine: das können und dürfen wir als LINKE so nicht unwidersprochen lassen.
LINKE Politik bedeutet in diesem Zusammenhang Ursachen von Kriminalität zu benennen, also soziale Verwerfungen, mangelnde Bildungs- und gesellschaftliche Teilhabe, und auch falsche Kriminalisierungen, wie im Bereich der Drogenpolitik oder linker Politik, zu hinterfragen.
Statt einer hochgerüsteten Polizei und der Erweiterung von polizeilichen und ordnungspolitischen Kompetenzen brauchen wir eine gerechte und starke Sozial- und Bildungspolitik und ich füge bewusst hinzu: eine gute Integrationspolitik und zwar nicht nur für Migrantinnen und Migranten, sondern für alle Menschen, die gesellschaftlich marginalisiert sind.
Schauen wir uns die Zahlen an: Im Jahr 2016 war in Leipzig wiederum ein Anstieg der Kriminalität zu verzeichnen. Dies liegt teilweise in der wachsenden Bevölkerung begründet, ein Teil stellt einen realen Anstieg dar, nämlich um knapp 14 % . Hauptdelikt, nämlich jede zweite Straftat in dieser Stadt, ist Diebstahl! Gleichzeitig verfestigt sich in Leipzig die Schere zwischen arm und reich, steigt die Zahl an Kindern und Jugendlichen in instabilen Familienverhältnissen, steigt die Zahl von Zwangsräumungen und Wohnungslosigkeit. Und wir wissen auch: Beim Aufwuchs des Polizeipersonal hinkt insbesondere die Stadt Leipzig hinterher. All diese greifbaren Problemlagen versuchen die großen Ankündigungen aus dem Innenministerium in Dresden zu überdecken.
Es handelt sich längst nicht nur um lokale oder landespolitische Verschärfungen der Sicherheitspolitik. Im Gegenteil haben wir es auf Bundesebene mit einer Orgie des Ausbaus von Überwachung und Repression und einem rapiden Abbau von Freiheitsrechten zu tun: vom Staatstrojaner, der sich durch die persönlichen Handy- und Computerdaten wühlt über die Speicherung von Fluggastdaten, niedrigere Hürden für Videoüberwachung an öffentlichen Freizeitorten bis hin zur anlasslosen Auslese von Handydaten von Geflüchteten im Rahmen ihres Asylverfahrens. Das was schwarz.rot in den letzten Jahren an law-and-order-Gesetzen in rasender Schnelle über die Bühne gebracht haben, ist einzigartig. Gegen Kriminalität, mit der wir auch in Leipzig im Alltag zu tun haben, werden diese weit reichenden Eingriffsbefugnisse nichts anrichten, sie tragen letztendlich vor allem zur Demontage von Bürgerrechten bei.
Der Abbau von Freiheitsrechten im Schlepptau eines versprochenen, aber nie einlösbaren rund-um-Sicherheits-Pakets geht uns alle an. Das fängt damit an, das man zur falschen Zeit am falschen Ort war und sich verdachtsunabhängigen polizeilichen Kontrollen und Durchsuchungen unterziehen muss, geht weiter mit der Speicherung in einer polizeilichen Datenbank, weil man beim Fußball vielleicht dabei stand, als es zu einer Straftat kommt. Jede und jeder kann blitzschnell verdächtig werden, wie es auch das Verfahren nach § 129 StGb gegen 14 Antifaschistinnen und Antifaschisten aus Leipzig gezeigt hat. Drei Jahre lang wurden jene, darunter auch ein Mitarbeiter des staatlich finanzierten Fußballfanprojektes, ausgespäht, bis ins privateste, und in geschützte Bereiche wie Gespräche mit JournalistInnen und RechtsanwältInnen und ÄrztInnen. Schlussendlich musste das Verfahren eingestellt werden, weil sich der Verdacht auf eine gewalttätige gegen Nazis agierende Gruppe nicht bestätigt hat. Hunderte Menschen wurden im Zuge dieses Verfahrens vom Staat nackig gemacht.
Wir brauchen keine autoritäre Kraftmeierei, ob auf klassische oder moderne, digitale Art und Weise. Ohne soziale Sicherheit wird es keine Sicherheit geben. Menschenrechte, Grund- und Freiheitsrechte sind dabei keine Nebensache. Denn: Soziale Gerechtigkeit ist ohne Demokratie, Sozialismus ohne Freiheit niemals zu denken.