Ausgehend von der Inbesitznahme eines leer stehenden Hauses an der Westseite des Hauptbahnhofs hat sich der Verein Punkwerkskammer gegründet. Im Dezember letzten Jahres haben die wohnungslosen Menschen ein neues Domizil. LINKE und Grünen haben im Stadtrat beantragt, dass dieses selbstorganisierte Projekt unterstützt wird, auch wenn die Kulanz des Privateigentümers ein Ende hat. Dieser Beschlussvorschlag fand keine Mehrheit im Stadtrat. Stattdessen wurde mit Stimmen von CDU, AfD und SPD beschlossen, dass die Menschen bei der Suche nach eigenem Wohnraum unterstützt werden sollen. Dies geht an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei und ist eine faktische Absage an die Initiative. Meine Rede zum Antrag:
Mit unserem Antrag wollen wir ein modellhaftes Projekt unterstützen, eines was sich in den vergangenen Monaten wirklich gemausert hat.
Im März vergangenen Jahres nahmen über ein dutzend wohnungslose Menschen ein leer stehendes Haus an der Westseite des Bahnhofs, in der Güterstrasse 3, in Besitz. Nicht aus politischen Gründen, sondern um ein Dach über dem Kopf zu haben. Sie begannen das Haus herzurichten und formulierten den Anspruch sich auch um andere Wohnungslose am Hauptbahnhof – von dem wir wissen, dass es ein Hotspot für arme Menschen ist – zu kümmern.
Doch die Dinge nahmen ihren Lauf: Das Areal westlich des Hauptbahnhofs, südlich der Parthe soll zum Wohngebiet werden, trotzdem das von den Wohnungslosen genutzte Haus unter Denkmalschutz steht, war im Spätsommer letzten Jahres klar: Sie müssen weichen. Im Angesicht der Räumungsdrohung des Eigentümers entstand die erste Version des gemeinsamen Antrags von Grünen und Linker. Ziel war und ist es zu erreichen, dass die Stadt Leipzig Verantwortung für die engagierten Menschen verschiedenen Alters übernimmt.
Doch es fügte sich zunächst ohne städtisches Zutun. Einer der Eigentümer des Areals sorgte für ein Ausweichobjekt. Erst letzte Woche konnte ich mich vor Ort im neuen Domziel in der Berliner Straße 66 von dem inzwischen als Verein Punkwerkskammer organisierten Verein vom guten Verlauf der Dinge überzeugen. Auch dort wurde viel gewerkelt, Aufenthaltsräume wurden gestaltet, Schlafstätten geschaffen, ein Seminarraum ist am Entstehen, eine Kleiderkammer eingerichtet. Die Menschen nutzen die ihnen vermieteten Räumlichkeiten als Ort zum Treffen, zum Arbeiten, und auch zur Notübernachtung. Der Mietvertrag endet zunächst zum 31.5., die Option zur Verlängerung besteht und wird voraussichtlich auch genutzt werden. Doch auf diese langfristige Kulanz des Eigentümers können wir nicht vertrauen. In diesem Sinne ist Anliegen unseres gemeinsamen Antrags die Stadtverwaltung in die Pflicht zu nehmen die Bemühungen des Vereins zu unterstützen, wo es nötig ist. Wir sagen ganz klar: Ein derart engagiertes und selbstorganisiertes Handeln Wohnungsloser, diese Art von Hilfe zur Selbsthilfe ist modell- und beispielhaft. Wenn sich Menschen aufmachen, die es sowieso schwer haben, und sich und anderen helfen ist dies der beste Weg in ein selbstbestimmtes Leben.
Der Vorschlag der Verwaltung die Betroffenen bei der Suche nach geeignetem Wohnraum zu unterstützen läuft unserem Anliegen und dem Bedarf der Betroffenen entgegen. Klar soll ihr Weg in eigenen Wohnraum unterstützt werden, dazu stehen ihnen bereits heute die bestehenden Hilfeangebote zur Verfügung, wir wissen dass das eigentliche Problem der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist. Sozialarbeiter*innen verschiedener Träger sind in Kontakt mit dem Verein und seinen Mitgliedern. Ziel unseres Antrages und expliziter Wunsch der Punkwerkskammer ist es allerdings den selbst gestalteten Raum weiter zu nutzen. Es wäre dumm, wenn ihnen die Unterstützung auf genau diesem Weg verwehrt würde.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: nehmen Sie sich ein Herz, stimmen sie unserem Antrag zu und geben sie damit einem einzigartigen und innovativen Projekt der Selbstorganisation von Menschen ohne Dach über dem Kopf die Unterstützung, die es braucht!
Der Antrag wurde nicht abgestimmt. Eine Mehrheit des Stadtrates schloss sich dem Verwaltungsstandpunkt an.
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Beschlussvorschlag:
Die Stadtverwaltung wird beauftragt die Initiative des Punkwerkskammer e. V. aktiv und dezernatsübergreifend zu unterstützen. Zielstellung ist es, das Vereinskonzept für ein soziales und kulturelles Angebot für obdachlose und ehemals obdachlosen Menschen zu begleiten und zum Erfolg zu führen.
Die Kosten der Unterkunft werden von der Stadtverwaltung übernommen.
Sofern der Mietvertrag nicht verlängert wird, wird die Stadtverwaltung zuständig ein adäquates Ersatzobjekt zur Verfügung zu stellen.
Sachverhalt:
Der Punkwerkskammer e.V. ist ein Verein ehemals obdachloser Menschen, die in ihrem derzeitigen Wohnobjekt Berliner Straße 66 selbstbestimmt leben. Die Situation ist nur zwischenzeitlich geklärt, da der aktuelle Mietvertrag befristet ist. Deswegen sehen die Antragsteller das Erfordernis gegeben, dass die Stadtverwaltung im Rahmen ihrer Möglichkeiten Unterstützung bereit stellt und anbietet (u.a. Hilfe bei der Fördermittelaquise), damit die Eigeninitiative obdachloser Menschen erfolgreich werden kann.
Der durch den Verein Punkwerkskammer e. V. begonnene Weg der eigenen Aktivierung ist der einzige nachhaltige und erfolgversprechende Weg aus der Obdachlosigkeit. Über die eigene Versorgung mit Wohnraum und die kulturelle Auseinandersetzung mit der persönlichen Situation hinaus will der Punkwerkskammer e. V. auch mit den anderen obdachlosen Menschen am Hauptbahnhof weiter in Kontakt bleiben, die sich derzeit anderen, sozialpädagogischen oder ordnungsrechtlichen Hilfeangeboten verweigern. Der Punkwerkskammer e. V. übernimmt die Rolle der Obdachlosenvertretung gegenüber Gremien und tritt in dieser Vertretungsrolle auf. Diesen Prozess kann und sollte die Stadtverwaltung unterstützen.
Als ehemals Betroffene haben die Mitglieder der Punkwerkskammer wichtige persönliche Zugänge und einen bedeutenden Bonus, was die Ansprache und den Vertrauenserwerb zu Obdachlosen ermöglicht. Die Stadtverwaltung sollte die Punkwerkskammer als Partner verstehen.