Wiedermal gab es auf einem Stadtfest in der sächsischen Provinz keinen Platz für Menschen, die nicht ins Weltbild von Nazis passen. Die Polizei beteiligte sich an der Ausgrenzung. Ein Text der Politischen Bildungsverein Solid e.V.
Das auf so genannten Volksfesten oft Nazigruppen unterwegs sind, ist kein Neuland – sie betrinken sich, pöbeln jeden an, der nicht in ihr Weltbild passt, oder greifen Andersdenkende sogar an. Bei solchen Ereignissen schauen andere Festbesucher meistens weg, denn die Tatsache, dass Nazis auf dem geliebten Stadtfest bzw. in der Stadt ihr Unwesen treiben, könnte ja das Ansehen der Stadt schädigen.
Doch was sich am Freitag, den 15.7.2011 zum Inselfest in Rochlitz abspielte, ist nicht zu ignorieren und zeigte wieder einmal, wie eine sächsische Kleinstadt mit ihren Nazis umgeht. Schon in den frühen Abendstunden waren in Rochlitz auf dem Inselfest und dem gesamten Stadtgebiet größere Nazigruppen unterwegs, welche unter Anderem den Hitlergruß zeigten und rechte Parolen skandierten.
Dabei liegt die Vermutung nahe, dass sich einige Nazis im Anschluss an eine Kundgebung des NPD Stadtrates Manuel Tripp in Geithain zum Inselfest nach Rochlitz begaben. In der unmittelbaren Umgebung des Festplatzes wurde ein 17 Jähriger von einer Nazigruppe zunächst angepöbelt. Zwei der fünf jungen Männer griffen diesen danach mit Schlägen ins Gesicht an. Ihr Opfer konnte sich aber glücklicherweise weitestgehend unverletzt vom Ort des Geschehens entfernen. Gegen 23 Uhr fuhr ein Auto mit hoher Geschwindigkeit die Burgstraße entlang. Aus diesem wurde Bierflasche gegen das parkende Auto eines Alternativen Jugendlichen geworfen. Die Insassen des angreifenden PKW`s waren nach Zeugenangaben dem rechten Spektrum zu zuordnen.
Circa eine halbe Stunde später machte sich eine Gruppe Nazis auf den Weg zum Jugendclub „Alte Schmiede“, wahrscheinlich um in Erfahrung zu bringen, ob sich dort alternative Jugendliche aufhielten. Glücklicherweise kam es am Objekt jedoch zu keinen Angriffen.
Im Laufe des Abends konnte immer wieder von Zeugen beobachtete werden, wie Nazis im Stadtgebiet „Streife“ fuhren um Präsenz zu zeigen und Andersdenkende einzuschüchtern bzw. aufzuspüren.
Als dann eine Gruppe alternativer Jugendlicher das Inselfest besuchen wollten, wurden diese von der Polizei aufgehalten. Bei den Jugendlichen wurde eine Personalienkontrolle durchgeführt und der Zugang zum Fest wurde ihnen durch einen grundlosen Platzverweis von der Polizei verwehrt. In Sicht- und Hörweite der polizeilichen Maßnahme beobachteten circa 30 Nazis das Geschehen amüsiert, fuhren mit überhöhter Geschwindigkeit und durchdrehenden Reifen über festplatznahe Bereiche und näherten sich immer wieder der Polizeikontrolle, um die Jugendlichen zu provozieren und mit Sätzen wie „Ohne Bullen wärt ihr längst verloren“ zu verhöhnen.
Diese Aktivitäten wurden, trotz mehrfacher Hinweise aus der Gruppe der Festgehaltenen, von der Polizei ignoriert.
Circa eine halbe Stunde nach der polizeilichen Maßnahme berichten Zeugen von einer Ansammlung mit ungefähr 40 Nazis am Topfmarkt. Bis in die frühen Morgenstunden fuhren die besagten Nazistreifen weiter ihre Runden durch die Stadt.
Rochlitz ist in diesem Fall keine Ausnahme. Auf vielen Stadtfesten sächsischer Kleinstädte dominieren Neonazis das Bild der Veranstaltungen. Wir kritisieren die Vorgehensweise der Polizei in Rochlitz, welche die von den Nazigruppen ausgehende Gefahr unterschätzte und teilweise ignorierte und somit den Nazis eine Plattform für ihr Treiben bot und den alternative Jugendlichen, welche an diesem Abend eindeutig die Opfer der Naziaktivitäten waren, einen Festbesuch nicht möglich machte.
Wir fordern alle Verantwortlichen dazu auf, Stellung zu den Vorkommnissen zu beziehen, denn es ist ein Skandal, wenn Menschen in ihrer eigenen Stadt der Zutritt zu einem Stadtfest verwehrt wird, welches ja für Jeden zugänglich sein sollte, weil dort Nazis ihr Unwesen treiben.