Aus Anlass von zwei Vortragsveranstaltungen im Npd-Zentrum in der Odermannstrasse am Freitag, 25.6. und am Samstag, 26.6.2010 sind wir hier und protestieren!
Einerseits wird der NPD Vorsitzende Udo Voigt sprechen, andererseits der ehemalige Vorsitzende des NPD-KReisverbandes Hagenow, Rüdiger Klasen, der im Juli 1992 an einem versuchten Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim bei Boizenburg beteiligt war.
Die Ruhe, die mittlerweile in und um die Odermannstrasse eingezogen scheint, ist trügerisch. Zwar sind die Jung-Kader der Leipziger NPD, die gleichsam Führungskräfte der neonationalsozialistischen „Freien Kräfte“ sind, vermehrt außerhalb der Stadt Leipzig aktiv, um Strukturarbeit zu leisten und an Aktionen teilzunehmen (so am 17.6. bei einer NPD-Demonstration in Dresden oder am Naziaufmarsch am 1. Mai in Zwickau), das heisst jedoch lang nicht, dass Rekrutierungs- und interne Organisationsarbeit in Leipzig ruhen. Das Zentrum in der Odermannstrasse bildet weiterhin die Basis für ihre Bestrebungen einen „nationalen Sozialismus“ zu errichten. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen, z.B. Kampfsporttraining und ideologische Schulungen statt. Die außerparlamentarischen Aktivitäten des jugendlichen Nachwuchses werden mittlerweile durch rassistische Hetztiraden von zwei Abgeordneten im Leipziger Stadtrat unterstützt.
Zuletzt trafen sich im Februar rund 20 hochrangige Nazis aus ganz Sachsen im NPD-Büro in der Odermannstraße. Auf dem Programm stand die Vorbereitung des alljährlichen geschichtsrevisionistischen Aufmarsch am 13. Februar 2010 in Dresden. Bei dem Treffen in der Odermannstaße fanden sich neben Mitgliedern der NPD auch Anhänger der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO), der „Freien Kräfte“ sowie der NPD-Nachwuchsorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) ein. Das Treffen war nicht nur für die Planung eines „Sicherheitskonzepts“ speziell für den Aufmarsch am 13. Februar in Dresden anberaumt worden. Es gilt auch als wichtiges Vernetzungstreffen für den Aufbau eines neuen sachsenweiten „Ordnungsdienstes“. Dies bewiesen sie bereits bei nachffolgenden Demos, zb. am 1. Mai in Zwickau.
Die OrdnerInnenstruktur versinnbildlicht zeitgleich die weiter ineinandergewachsenen Strukturen von Partei und so genannten Parteifreien Kräften. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Maik Scheffler („Freies Netz Nordsachsen“) sowie Tommy Naumann mit dieser Aufgabe betraut wurden. Beide haben ausgezeichnete Kontakte in die Szene: sie begannen ihre Polit-Karriere bei den „Freien Kräften“ und sind nach wie vor maßgeblich an deren Organisation beteiligt. Inzwischen versuchen Naumann und sein politischer Ziehvater Scheffler, die vormals übers „Freie Netz“ organisierten Gruppierungen in die NPD-Nachwuchsorganisation JN zu überführen. Ebenfalls zuständig ist Markus Großmann. Dieser machte schon im vergangenen Jahr mit seinen guten Kontakten zur Parteispitze auf sich aufmerksam. Großmann war „Medieninfobeauftragter“ im zentralen Wahlkampffahrzeug der NPD und reiste mit dem Parteichef Udo Voigt durch Deutschland. NPD Parteichef Voigt ist wiederum Star des heutigen Abends im Zentrum in der Odermannstrasse. Was das Motiv des Auftrittes ist, kann nur erahnt werden. Will er in dem Landesverband, der mit der Bundesebene über Kreuz liegt, gute Stimmung machen – oder findet er hier seine eigentlichen UnterstützerInnen? Schliesslich propagieren Holger Apfel in CO NPD intern einen so genannten sächsischen Sonderweg – weniger NS-Kult und mehr Bürgernähe. Die von Voigt auf dem vergangenen Bundesparteitag gewagten Schritte – Änderung des Parteinamens-Zusatzes „Die Nationalen“ in Die soziale Heimatpartei“ scheiterte, ebenso wie sich das für die geplante Fusion mit der DVU andeutet.
Wenn sich heute und Morgen zwei Kader der NPD im Rahmen von Vortragsveranstaltungen präsentieren können, bedeutet das für AnwohnerInnen und Menschen, die sich im Stadtteil bewegen ein erhöhtes Risiko. In der Vergangenheit kam es im Umfeld der Odermannstrasse immer wieder zu Einschüchterungsversuchen und tätlicher Gewalt. Zuletzt bedrohten Nutzer des NPD-Zentrums die TeilnehmerInnen einer zivilgesellschaftlichen Demonstration am 8. Mai. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht die NPD Leipzig Fotos von einzelnen TeilnehmerInnen dieser Aktion. In Geithain im Landkreis Leipzig hat diese Praxis der „Feindmarkierung“ am 7.5.2010 dazu geführt, dass ein Jugendlicher, dessen Foto und Name durch Neonazis im Internet veröffentlicht wurden, Opfer eines schwerwiegenden Übergriff wurde. Der Täter gehört der extrem rechten Szene an.
Wir sind hier weil wir keiner Nazi-Veranstaltung Ruhe gönnen. Unsere Präsenz bedeutet auch nicht die Aufwertung des Treibens hinter dem Zaun, sondern die notwendige Skandalisierung von Rassismus, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Gewaltfetisch, die Ideologie und Praxis dieser Nazis bestimmen.
Wir haben keinen Bock auf Ruhe & Wegsehen! Nazizentren zu Eierschalen!
„Wo man redet, um sich gegenseitig Ohnmacht, Schmiegsamkeit und Harmlosigkeit zu bescheinigen (Ich mein ja bloß, bin gleich wieder still), wird das Schreiben schnell zum Akt bewußter Abwendung von der mit diesen Greueln zugerichteten Öffentlichkeit. Die Vorstellung von »Gesellschaft«, die in einer unter solchem Unstern verfaßten Literatur zu finden ist, sieht danach aus: Was wir schildern, ist halt irgendwie passiert, siehe unerforschliches Walten der sozialen Kräfte, Ausdifferenzierung sozialer Subsysteme, unsichtbare Hand, differentielles Spiel der Diskurse …
Schuld ist niemand an irgendetwas; jeder ist sich selbst das Nichts. Lebt und schreibt man in einer Gesellschaft, die sich so sieht, gibt es eigentlich kaum etwas zu sagen. Würde man aber in einer Gesellschaft leben, die nicht naturwüchsig blind für sich selbst bleiben will, sondern geplant sein soll, ausgefochten, in der alles alle angeht, dann käme es sehr wohl darauf an, was die Leute denken, reden und schreiben“
Dietmar Dath
http://www.neues-deutschland.de/artikel/173389.west-ost-was-ist-eine-debatte.html
Und jetzt? Wie weiter?