Politisch motivierte Zahlen-Posse um den Connewitzer Polizeiposten

polizei_connewitzZum ersten Jahrestag des Polizeipostens in Connewitz habe ich die Staatsregierung nach dessen Wirkung gefragt. Damit begann eine Posse um richtige und falsche Zahlen. Fakt ist: Seit Eröffnung des Postens ist die Kriminalität geringfügig gestiegen. Fakt ist auch: Die Staatsregierung hat versucht die Zahlen schön zu reden.

Mit einer Kleinen Anfrage hatte ich ich im März zu erfragen versucht, welche Effekte der Polizeiposten in der Wiedebachpassage ein Jahr nach seiner Eröffnung hat. Bekanntermaßen war dessen Eröffnung kritisch begleitet worden. Unter anderem die Initiative „Für das Politische“ betrachtet die Errichtung des Postens als politisch intendiert, d.h. gegen eine linke politische Szene und eine zum Teil alternative Bewohner*innenschaft gerichtet.

Die Errichtung des Postens läge laut Kleiner Anfrage meiner Kollegin Kerstin Köditz vom März 2014 (hier klicken) in der „zunehmenden Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Ortsteil Connewitz, insbesondere im Bereich Wiedebachplatz, Biedermannstraße, Bornaer Straße“ (Fehler im Original) begründet.

Ich fragte (hier klicken) also welche Ergebnisse sich ein Jahr nach der Posteneröffnung im Hinblick auf die „Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ verzeichnen lassen, sprich nach der Kriminalitätsentwicklung und außerdem nach der Zahl der NutzerInnen des Postens, den anfallenden Kosten sowie den eingesetzten Polizeibeamt*innen.
Während die Fragen nach Nutzer*innen und eingesetzten Beamt*innen „nicht beantwortet werden kann“, weil diese Daten „nicht statistisch erfasst werden“, gab sich die Staatsregierung bei der Ausweisung der Zahlen zur Kriminalitätsentwicklung ungewöhnlich dienstleistungsfreundlich. Ungefragt wurde sogar die prozentuale Entwicklung ausgerechnet.
Demnach sei die Anzahl der Straftaten nach der Eröffnung des Postens im Ortsteil Connewitz um 1099 Straftaten = 29,7 % und im Straßenbereich Wiedebachplatz/ Biedermannstraße/ Bornaische Straße um 65 Fälle bzw. 37,6 % zurückgegangen. Die Vergleichszeiträume waren jeweils mehr als ein Gesamtjahr (vor Eröffnung des Postens: 1. Januar 2013 bis 5. Februar 2014 & nach Eröffnung des Postens: 6. Februar 2014 bis 28. Februar 2015).
BILD Leipzig und Leipziger Internetzeitung titelten unmittelbar nach Veröffentlichung der Antwort des Innenministeriums: „30 % weniger Straftaten in Leipzig-Connewitz“ bzw. „Connewitzer Polizeiposten erweist sich als Erfolg“.

So staatshörig und anschreibefreudig waren glücklicherweise nicht alle. Denn dass der ausgewiesene Rückgang der Kriminalität nicht stimmen kann, zeigte nicht nur eine selbst angestellte Rechnung, die mithilfe des Kriminalitätsatlas 2013 erstellt wurde. Auch die zur etwa selben Zeit vorgestellte Kriminalitätsstatistik für 2014, die einen stadtweiten Anstieg der Kriminalität von 12,5 % auswies, ließ vermuten, dass die Behauptung eines so drastischen Rückgangs der Kriminalität in Connewitz kritisch zu hinterfragen ist.

Wo liegt nun der Fehler?
Mit meiner Nachfrage (hier klicken) zur zweifelhaften Antwort der Staatsregierung kam Licht ins Dunkel.
Die vom Papier jubelnden Zahlen, die einen beachtlichen Rückgang der Kriminalität belegen sollen, stammen aus einer Datei, die erstmal nichts belastbares über tatsächlich justiziable Straftaten aussagt, nämlich aus dem Polizeilichen Auskunftssystem PASS. Bei PASS handelt es sich um eine so genannte Eingangsdatei, in die erstmal alles einfließt, was bei der Polizei angezeigt wird. Wenn es sind gar nicht um eine Straftat handelt oder Ermittlungen aus anderen Gründen eingestellt werden, verschwinden die gespeicherten Daten (zumindest theoretisch) wieder. Zudem werden im PASS Tatverdächtige, die eine gemeinsame Straftat begangen haben, einzeln erfasst.
Die eigentlich belastbare Statistik ist die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS), eine so genannte Ausgangsdatei. Delikte werden hierin erst zum Zeitpunkt der Abgabe an die Staatsanwaltschaft gepeichert, zudem gilt der PKS eine von mehreren Personen begangene Straftat als ein Fall.

Schaut man sich die Entwicklung der Kriminalität in Connewitz auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik an, stellt sich ein gänzlich anderes Bild dar, als in Antwort Nummer 1 der Staatsregierung.
Unterm Strich ist die Kriminalität in Connewitz nach Eröffnung des Polizeiposten bzw. im Jahr 2014 – denn die PKS operiert lediglich mit Monatsangaben und geht übrigens auch nicht unter die örtliche Ebene der Ortsteile – im Vergleich zum Jahr 2013, also vor Eröffnung des Postens, sogar leicht gestiegen: Von 2156 Straftaten im Jahr 2013 auf 2252 im Jahr 2014. Unterm Strich sind das 96 Straftaten oder 4,5 % mehr. Fraglich bleibt allerdings der Zeitpunkt der Begehung. Im Jahr 2012 lag die Zahl der Straftaten übrigens höher, nämlich bei 2309.
Im Vergleich zwischen 2013 und 2014 nehmen sich die Steigerungen beim KfZ-Diebstahl (+10 oder 21,3 %), Brandstiftung (+13 oder 185,7 %), Sachbeschädigung (+90 oder 16,2 %) und Graffiti (+67 oder 22 %) besonders hoch aus. Auffällig ist dagegen der Rückgang im Bereich Rauschgiftkriminalität (-39 oder 43,8 %) und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (- 39 oder 44,3 %).
Auch der Anstieg der Ordnungswidrigkeiten von 312 im Jahr 2013 auf 467 im Jahr 2014 spricht gegen das Erfolgsmodell Polizeiposten. Randnotiz: Im Bereich Wiedebachplatz lag die Zahl in beiden Jahren ganz genau bei 0 (null).

Offensichtlich ist der Polizeiposten nicht in der Lage die Begehung von Straftaten durch Abschreckung zu verhindern. Ein höheres Anzeigeverhalten durch seine Existenz lässt sich auch nicht nachweisen. Diesen augenscheinlich fehlenden Effekt des Postens jenseits der repressiv-ordnungspolitischen Ansage an die alternativ-linke Szene wollte das Innenministerium offenkundig durch die Angabe falscher Zahlen kaschieren.

Womit die Beamt*innen in den Räumlichkeit eigentlich beschäftigt sind, bleibt dagegen auch nach zwei Anfragen verborgen.

Bild: https://connewitz.wordpress.com/

Ein Gedanke zu „Politisch motivierte Zahlen-Posse um den Connewitzer Polizeiposten“

  1. Streetworker und betreute Jugendclubs statt Polizeiposten! Das verspricht langfristig einen positiveren Effekt und kostet nur die Hälfte!

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