Am 11. Januar 2016 – vor nunmehr neun Jahren – überfiel ein Mob von mehr als 250 Neonazis den links-alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz, attackierte Menschen und zerstörte zahlreiche Läden und Kneipen. Noch heute beschäftigt dieser Angriff die Justiz. Laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Leipziger Linken-Abgeordneten Juliane Nagel sind 209 von 217 Beschuldigten rechtskräftig verurteilt, in zwei Fällen gibt es noch kein erstinstanzliches Urteil (Drucksache 8/551). So läuft weiter das Verfahren gegen den Justizbeamten Kersten H. Dieser hatte trotz Ermittlungsverfahren drei Jahre weiter in Justizvollzugsanstalten gearbeitet. H. hatte Rechtsmittel eingelegt, im Dezember 2024 fiel der Revisionsprozess erneut aus.
Zur Aufarbeitung kommentiere ich:
„Der organisierte Neonazi-Angriff auf Connewitz richtete sich gezielt gegen ein linksalternatives Viertel und dessen Bewohnerinnen und Bewohner – in einer Zeit, als in Sachsen und bundesweit fast täglich Aufmärsche und Angriffe der extremen Rechten stattfanden. Neun Jahre später sind immer noch nicht alle Prozesse beendet. Auch abseits der langwierigen juristischen Aufarbeitung beschäftigt der Überfall viele Menschen in Leipzig, die mit den Tätern konfrontiert sind. Ein Beispiel ist die Auseinandersetzung im Leipziger Westen um den Bezirksschornsteinfeger Christian S., der in Wohnungen und Hausprojekte von Menschen geht, die sich als nicht-rechts verorten. Hausbewohnerinnen und Hausbewohner müssen erdulden, dass ein verurteilter Beteiligter am koordinierten Naziangriff ihre Wohnungen betritt. Ihr juristischer und praktischer Protest war erfolglos. Ich kann die Entscheidung der Landesdirektion und der Stadt nicht nachvollziehen, ihm die Tätigkeit im betroffenen Gebiet weiter zu ermöglichen.
Obwohl inzwischen fast alle Tatverdächtigen verurteilt sind, bleiben Fragen offen. Strukturermittlungen gegen die Drahtzieher gab es nicht. Vielmehr erleben wir seit Jahren träge und teils irritierende Verfahren. In der Regel liefen diese nach dem gleichen Schema ab: Die Angeklagten machten halbherzige Einlassungen und behaupteten, nichts von dem geplanten Angriff gewusst zu haben. Dafür wurden sie mit milden Strafen ,belohnt‘. Das Gros der Beteiligten sagte aus, ganz hinten mitgelaufen zu sein, eigentlich nichts mit dem Angriff zu tun gehabt oder gar mit der rechten Szene gebrochen zu haben. Unglaubwürdig ist dies vor dem Hintergrund, dass viele von ihnen zu organisierten Strukturen gehörten. Keiner sagte zu Hintergründen des Angriffs aus. So ist es nicht verwunderlich, wenn Neonazis für ihre Gewalttaten keine Konsequenzen befürchten und erneut bei rechten Aufmärschen und Straftaten in Sachsen in Erscheinung treten.“
PM 09. Januar 2025