In der Nacht vom 20. zum 21. Mai 2011 kam es im Leipziger Stadtteil Lindenau zu mehreren Angriffen durch Neonazis. Am Freitagabend fand in Lindenau die Kunstraumnacht „Lindenow“ mit Ausstellungen und Veranstaltungen statt, so dass außergewöhnlich viele Besucher_innen im Stadtteil unterwegs waren.
Pressemitteilung chronik.LE, 25.5.2011
Darunter befanden sich allerdings auch etwa 20 Neonazis, die sich in der Lützner Straße trafen und ab Mitternacht vermummt und bewaffnet durchs Viertel zogen, Wohnhäuser und Kunsträume angriffen, Personen bedrohten und mit Flaschen warfen.
Dadurch wurden Besucher_innen und Veranstalter_innen der Kunstraumnacht eingeschüchtert. Die Betroffenen konnten sich aber jeweils rechtzeitig zurückziehen.
Gegen 2:30 Uhr in derselben Nacht wurden mindestens zwei einzelne Personen aus dem NPD-Zentrum in der Odermannstraße 8 heraus angegriffen und geschlagen. Einem Betroffenen wurden dabei sein Portemonnaie mit Ausweis und das Handy, mit dem er die Polizei verständigen wollte, entwendet. Bei den Tätern handelte es sich mutmaßlich um dieselbe Nazigruppierung, die zuvor durch die Lützner Straße gezogen war. Da sich die aggressive Gruppe mehrere Stunden durch den Stadtteil bewegte, wobei sich die Neonazis immer wieder in das NPD-Zentrum Odermannstraße 8 zurückzogen, kam es eventuell zu weiteren Übergriffen. Chronik.LE bittet darum Menschen, die ebenfalls angegriffen wurden, sich – auf Wunsch auch anonym – zu melden (via www.chronikle.org/kontakt), um eine umfassende Aufarbeitung der Ereignisse zu ermöglichen und gegebenenfalls Kontakt zur Opferberatung herzustellen.
Offenbar standen die Angriffe auch in Zusammenhang mit der antifaschistischen Kundgebung „Push it to the Limit“, die am Sonnabend in Lindenau stattfand. Die veranstaltende Initiative „Fence Off“ beschäftigt sich mit dem NPD-Zentrum Odermannstraße 8 und fordert dessen Schließung. So versuchte die Neonazi-Gruppe an der Ecke Enders-/Lützner Straße, Transparente abzureißen und auf der Straße zu entzünden, die auf das Nazi-Zentrum sowie die antifaschistische Veranstaltung hinwiesen. Bereits seit einiger Zeit bemühen sich Neonazis, im Vorfeld und während zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Veranstaltungen in Lindenau solche Angsträume zu schaffen, um engagierte Gegner_innen neonazistischen Gedankengutes ebenso einzuschüchtern wie Anwohner_innen und Passant_innen.
„Wir kritisieren in diesem Fall, dass die Polizei keinen Tatverdächtigen feststellen konnte – trotz der Tatsache, dass die Gruppe sich stundenlang im Viertel bewegte und sich wahrscheinlich noch lange nach dem zweiten Vorfall im NPD-Zentrum aufhielt“, so Jens Frohburg, Redaktion chronik.LE. „Auch finden sich in den Presseinformationen der Polizeidirektion Leipzig keinerlei Hinweise auf diese Neonazi-Aktivitäten.“
Der Polizei lag am Sonntagmorgen eine Anzeige vor, ein Angriff sowie verschiedene vorhergehende Aktivitäten der Neonazi-Gruppierung in dieser Nacht waren nach Auskunft der Pressestelle bekannt. Stattdessen listet die Pressestelle zahlreiche Autodiebstähle und Einbrüche auf. „Uns scheint, als liege der Fokus der Pressearbeit der Polizeidienststelle derzeit eher auf der Flankierung der von Polizeichef Horst Wawrzynski angestoßenen Kampagne gegen die städtische Drogenpolitik, die einen Zusammenhang zwischen der Arbeit verschiedener Drogenberatungsstellen und der steigenden Einbruchskriminalität herstellen will.“
Weiter erklärte Frohburg: „Immer noch bedarf es einer engagierten Aufklärungsarbeit zur Rolle des NPD-Zentrums in der Odermannstraße. Die direkte Gefährdung durch gewaltbereite Neonazis ist dabei nur ein Punkt. Die Ereignisse vom Wochenende zeigen aber, wie gegenwärtig diese Gefahr ist. Die zentrale Rolle des NPD-Zentrums als Veranstaltungs-, Schulungs- und Organisationszentrum für die regionalen Kameradschaftsstrukturen sowie die sächsische NPD und deren Nachwuchsorganisation JN gilt es, immer wieder zu betonen. In der Odermannstraße 8 werden ideologisierte Neonazi-Kader gezüchtet. Wie sich deren menschenverachtende Ideologie äußern kann, zeigte sich an diesem Wochenende.“
Ereignis-Bericht zu den beschriebenen Angriffen: „Neonazis am NPD-Zentrum: mehrere Angriffe auf Personen und Kunsträume“