Nun haben sich die Ultras (die selbst keine sein wollen) des 1. FC Lok Leipzig wohl selbst aus dem Rennen genommen. Vorerst zumindest, Nachdem der Verein – egal ob mit altem oder neuem Vorstand – sich nicht daran stört(e), dass die vereinseigene (Nicht-)Ultragruppe Scenario Lok maßgeblich von Neonazis bestimmt wird, und nicht mal ihre offizielle Zuordnung zum „„subkulturellen rechtsextremistischen Milieu““ durch den Sächsischen Verfassungsschutz zum Handeln führte, folgt nun der Klassiker. Aufgrund des übermäßigen Einsatzes von Pyrotechnik werden den Ultra-Fans die Leviten gelesen.
Beim Freundschaftsspiel zwischen dem 1. FC Lokomotive Leipzig und dem Halleschen FC am 5. Juli 2013, ausgetragen im Bruno-Plache-Stadion in Probstheida, hatten die auch weltanschaulich dick befreundeten Fangruppen im Rahmen einer Choreographie kontrolliert und gestattet/ geduldet von Verein und Polizei Feuerwerk abbrennen dürfen. Doch die Jungs konnten sich nicht im Zaum halten und zündelten auch in der 2. Halbzeit weiter. Dies war nicht nur entgegen der Absprachen, sondern führte schlussendlich auch zum Inbrandsetzen von Choreographie-Zubehör.
Die Reaktionen sind exemplarisch. Scenario Lok „verurteilt aufs Schärfste“ und „distanziert sich ausdrücklich“ – wohlwissend, dass daran ihre Fortexistenz beim Mutterverein hängen dürfte. Die Kameraden von der Saalefront versuchen den Vorfall runterzuspielen und beschwören die „Freundschaft zwischen Lok & Halle“.
Und der 1. FC Lokomotive .. der setzt resolut Grenzen. So dürfen die „Ultras“ aka Scenario die Ballspielhalle des Vereins nicht mehr für die Anfertigung von Choreographien nutzen und auch keine Verkaufsstände mehr aufstellen. Rehabilitation folge nur bei Bewährung „durch einwandfreies Verhalten“. Weiterhin ist eine Reihe restriktiver Maßnahmen erlassen worden: der Einsatz von Pyrotechnik ist nun ganz tabu, es gibt schärfere Einlasskontrollen, mehr OrdnerInnen, die „Ultras“ werden vom Dammsitz verbannt etc.pp.
Das im Fußballmilieu seit langem heftig umstrittene Thema Pyrotechnik ist nun also auch in Leipzig-Probstheida angekommen – zuungunsten der Fangruppe Scenario Lok. Über die politische Verortung der Fangruppierung und ihren gewaltsam durchgesetzten Alleinvertretungsanspruch als Lok-Ultragruppe spricht fast niemand. Treffend formulierte der Blog lipsia.wordpress.com Anfang der Woche: „Aufgrund der Vorkommnisse vom Freitag scheint sich “Scenario” nun aber angreifbar gemacht zu haben – kurioserweise eventuell ohne selbst etwas dafür zu können. Nachdem das Präsidium reagiert hat, muss man nun schauen, wie sich die Mehrheit der Fans zu den Ultras positioniert. Es dürfte wohl die zentrale Richtungsentscheidung sein für das zukünftige Image des Vereins. Vielleicht ringen sich Präsidium und “Normalo-Fans” ja aus falschen Gründen zu richtigen Entscheidungen durch.“
Eine Entscheidung ist mit der öffentlichen Stellungnahme des Lok-Vorstandes in Ansätzen getroffen. Ob es sich dabei um eine „Richtungsentscheidung“ handelt, ist offen. Vielleicht führt sie allerdings dazu, Standing und Einflußnahme von Scenario zurückzudrängen und anderen bzw. neuen Fangruppen Raum zur Entfaltung zu geben.
Dass Scenario das Wasser bis zum Hals steht, zeigt sich übrigens nicht nur an der im Lok-Forum am 11.7. geposteten Erklärung des Boykotts von weiteren Test- und möglicherweise auch Punktheimspielen, sondern auch in einem knappen Statement zur Frage „Politik“. Zum ersten Mal erklärt sich die Fangruppe zur – nachgewiesenen – Verbindung zur Naziszene. Die oberflächliche Distanzierung dürfte rein strategisch zu deuten sein. Das „Argument“, dass „auch ein Ausländer“ zur Gruppe gehört, zeigt wie hohl diese Phrase ist. Der User, der die Stellungnahme von Scenario im Lok-Forum postete, ist gleichsam Kapo aka Vorsänger der Fangruppe und war noch 2012 bei Nazidemos als Ordner zugange und vor gut zwei Jahren am Rande des Nazi-Events „Tag der Identität“ in Geithain in einer Gruppe unterwegs aus der heraus zwei AntifaschistInnen angegriffen wurden.
Weiterlesen:
>>> „Verein vs. Schulden vs. Ultras“, Blogbeitrag lipsia.wordpresss.com (9.7.13)
>>> “Leipziger Tradition” Neonazis in der Fanszene des 1. FC Lok Leipzig, Dezember 2012
welch wahnsinnige argumentation des scenario-capos. die zwei zentralen sätze zum thema politik und scenario lauten:
„Wir haben seit unserer Gründung keine Politik im Stadion betrieben und werden dies auch nie tun. Im Gegenteil: Zu unserer Gruppe zählt sich auch ein Ausländer.“
großartig! sicherlich ist diese „unglückliche“ worthäufung seitens des lok-capos so nicht intendiert, sondern ergebnis der weitverbreiteten unfähigkeit, die eigenen nichtgedanken in worte zu fassen. aber was er damit sagt, ist:
keine politik ist, einen ausländer zu haben. ergo: politik ist, keinen ausländer zu haben. dass sich der capo von lok hier ausversehen nur das aktive wirken gegen ausländer, also das hinwirken auf eine „national befreite zone“, als „politik“ vorstellen kann, … nunja. läßt möglicherweise tief blicken. nicht mehr „politisch in der rechten szene aktiv“ zu sein, heißt eben nicht zangsläufig, aktiv auf neonazistisches gedankengut zu verzichten.
es ist aber und jedenfalls im höxxten maße erfreulich, dass „scenario lok“ derzeit auf auf die aktive ausländerhatz verzichtet. glückwunsch lok leipzig zu dermaßen toleranten fans! lok leipzig bleibt bunt!