Die LVZ berichtet am 05.03.2018 über BettlerInnen an der Zentralhaltestelle am Hauptbahnhof und über Fälle vermeintlich gewerbsmäßigen Bettelns. Der Grundtenor des Beitrages ist ein negativer: Bettelnde Menschen bedrängen BürgerInnen der Stadt oder sind Teile von organisierten Bettlerringen. Das soziale Problem bleibt vollkommen unterbelichtet. Mit einer derartigen Berichterstattung werden weit verbreitete Ressentiments gegen arme Menschen angeheizt. Die politische Frage, die in diesem Zusammenhang statt dessen aber gestellt werden muss, ist die nach den Gründen, die Menschen zum Betteln zwingen und wie diese Situation behoben werden kann. Armut muss bekämpft werden, nicht aber arme Menschen! Mein Statement:
Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hat im Dezember 2017 einen Antrag ins Verfahren gegeben, der den Umgang mit am Hauptbahnhof aufhältigen bettelnden und wohnungslosen Menschen zum Thema hat.
Der Antrag ist eine Reaktion auf die Musikbeschallung in den Außenbereichen von West- und Osthalle, die seit Frühjahr 2017 zu bemerken ist und offensichtlich zum Ziel hat, die benannten Menschengruppen zu vertreiben. Nach eigenem Bekunden prüft die Stadtverwaltung zudem, die überdachten Außenbereichsflächen am Hauptbahnhof an die privatwirtschaftlich organisierte Verwalterin des Hauptbahnhofs, das ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG zu übertragen. Damit würde in den betroffenen Bereichen die restriktive Hausordnung des Hauptbahnhofs gelten.
Mit dem Antrag schlägt die Fraktion vor, einen Runden Tisch einzurichten, um die Situation im Außenbereich des Leipziger Hauptbahnhofs gemeinsam zu erörtern und nach Lösungen zu suchen. Am Runden Tisch sollen sowohl VertreterInnen der Stadt, des Bahnhofsmanagements, der Bundespolizei als auch VertreterInnen sozialer Dienste und Vereine (Streetwork, Bahnhofsmission, Träger von Einrichtungen der Sucht- und Wohnungslosenhilfe) beteiligt sein. Mit diesem Vorschlag richtet sich die Linksfraktion gegen die einfachen Methoden von Verdrängung und Verboten. Denn selbst, wenn bettelnde Menschen vom Bahnhof oder der Zentralhaltestelle vertrieben werden sollten: Sie bleiben arm und auf das Betteln angewiesen. Verdrängung allein hilft nichts! Und genau hier müssen Politik und Gesellschaft ansetzen.
Von Armut betroffen sind insbesondere EU-BürgerInnen. Durch bundesgesetzliche Neuregelungen haben diese, wenn sie nicht erwerbstätig sind und nicht über ein Daueraufenthaltsrecht verfügen, keinen Anspruch auf Sozialleistungen – ausgenommen Überbrückungsleistungen und Heimreisekosten. Oft bleibt nur das Betteln, um sich und die Familie über Wasser zu halten. Dass in der o. g. LVZ-Berichterstattung in Bezugnahme auf eine Einwohneranfrage mit dem bereits hetzerischen Titel „Kriminelle Bettelei in der Stadt“ ungeprüft Vorurteile gegen „osteuropäische Banden“ übernommen werden, schreit zum Himmel.
Es bleibt dabei: Betteln an und für sich ist keine Straftat und das ist auch gut so.
Es muss Schluss damit sein, sozialer Ungleichheit mit Verboten zu begegnen und Ausgrenzung zu forcieren. Die Verdrängung von Not in die Unsichtbarkeit hilft den Betroffenen nichts.
Für den 14.3.2018 lädt der Bildungsträger „Kommunalpolitisches Forum Sachsen“ zu einer Podiumsdiskussion „Zur Verdrängung der Armut aus dem öffentlichen Raum in Leipzig“ ein. Es diskutieren unter anderem der Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal, die Pfarrerin der Thomaskirche Britta Tadikken, VertreterInnen der sozialen Arbeit und der Wissenschaft.
PM 05. März 2018