Bei den Abschiebungen nach Georgien am 10. Juni 2021 wurden nicht nur acht Familien abgeschoben, es traf auch 17 alleinstehende Menschen. Einer davon war ein Bewohner der Aufnahmeeinrichtung Max-Liebermann-Straße in Leipzig. Bereits am Tag der Abschiebung wurde bekannt, dass er als Tuberkulose-Verdachtsfall eingestuft war. Das Staatsministerium des Inneren antwortete nun auf meine Kleine Anfrage (Drucksache 7/6750) , dass die Landesdirektion erst gegen 11 Uhr von der möglichen Erkrankung erfahren habe. Ein Abbruch der Maßnahme sei nicht mehr möglich gewesen. Dem widersprechen Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat und ich:
Das Gesundheitsamt muss im Falle eines Tuberkulose-Verdachts definitiv involviert gewesen sein. Es ist unglaubwürdig, dass die Landesdirektion davon nichts gewusst haben soll, schließlich ist sie für die Quarantäne in Erstaufnahmeeinrichtungen zuständig. Nun muss das Innenministerium in einer weiteren Kleinen Anfrage (Drucksache 7/7151) den Sachverhalt klarstellen.
Jule Nagel:
„Selbstverständlich muss der Landesdirektion die Erkrankung bekannt gewesen sein, sie verantwortet ja nicht nur Abschiebungen, sondern auch die Erstaufnahmeeinrichtungen. Es ist schockierend, mit welcher Laissez-faire-Haltung hier abgeschoben wird. Beim Abschiebeflug wurden scheinbar nur zufällig medizinische Masken, beziehungsweise FFP2-Masken, aufgrund der Corona-Pandemie getragen, nicht aber zum nötigen Infektionsschutz vor Tuberkulose. Auch die georgischen Behörden sollten sich nun fragen, ob sie weiterhin mit einem Partner kooperieren wollen, der ihnen Menschen mit hochansteckenden Krankheiten zuführt.
Entsetzt bin ich auch über die Dimension der Abschiebung von Familien, die durch die Antwort auf meine Anfrage zutage getreten ist. Neben Familie I. aus Pirna wurden sieben weitere Familien abgeschoben, darunter auch zwei alleinerziehende Frauen aus Dresden und Familie Z. aus Radebeul. Wir brauchen dringend eine asylpolitische Trendwende in Sachsen. Statt den Fokus auf die „Humanisierung von Abschiebungen“ zu legen, braucht es eine Bleiberechtsoffensive.“
Auch Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat widerspricht der Darstellung des Innenministeriums zum Tuberkulose-Verdachtsfall:
„Nach unseren Informationen wurde die Landesdirektion bereits im Vorfeld der Abschiebung informiert. Am 10. Juni haben wir lediglich noch einmal den Termin bei der Tuberkulosefürsorgestelle gegenüber der Landesdirektion verdeutlicht.“ Fraglich ist generell, warum die Landesdirektion behauptet hat, nichts von der Erkrankung gewusst zu haben. Schließlich ist die Behörde für Menschen in Aufnahmeeinrichtungen auch das zuständige Sozialamt. „Hier wurde offenbar ganz bewusst eine Abschiebung durchgedrückt und die Gesundheit aller bei der Abschiebung Beteiligten massiv gefährdete.“ so Schmidtke.
PM 15. Juli 2021