Kommerzialisierung des Westwerks ist nur die Spitze eines Eisbergs

Über 1000 Menschen demonstrierten am 11. Februar 2017 für den Erhalt des Westwerks in Leipzig-Plagwitz. Allein die große TeilnehmerInnenzahl zeigt, dass es dabei um mehr geht als das Kunst- und Kulturquartier auf der Karl-Heine-Straße. Mit meiner Stadtratskollegin Mandy Gehrt habe ich fürs Mitteilungsblatt der Leipziger LINKEN geschrieben:

Doch der Reihe nach. Ende letzten Jahres flatterte beim ersten Projekt, dem Atelier- und Projektraum Westpol, die Kündigung ins Haus. Ähnliches betraf im folgenden einzelne andere von KünstlerInnen genutzte Räume sowie den Hackerspace Sublab – allesamt nicht-kommerziell genutzte Orte. Alle der zirka 130 MieterInnen dagegen betrifft eine saftige Miet- bzw. Betriebskostenerhöhung.
Über das Doppelte müssen die Kulturschaffen, KreativwirtschaftlerInnen, Getränkehändler oder WerkstättenbetreiberInnen seitdem zahlen. Der Verwalter des Westwerks – ehemals Armaturenfabrik, dann in Treuhandbesitz und seit 2007 Kulturquartier – Peter Sterzing kündigte „Umstrukturierungen“ an. Vom Einzug einer Billardhalle über einen Supermarkt bis hin zur Errichtung von Parkplätzen – zahlreiche Gerüchte ranken sich um die zukünftige Nutzung des Westwerks. Fest stehen dürfte: Die Zeit der niedrigen Mieten und Freiräume auch für die, die prekär und gemeinwohlorientiert arbeiten, scheint im Westwerk ein Ende zu haben.
Vor diesem Hintergrund gründete sich im Januar die Plattform „Westwerk retten“, die sowohl von NutzerInnen, MieterInnen als auch externen UnterstützerInnen getragen wird. Deren Analyse und Forderungen gehen über die augenscheinliche Kommerzialisierung des Westwerks hinaus. Die aktuellen Entwicklungen werden in den Kontext der  Aufwertungsprozesse der letzten Jahre insbesondere im Leipziger Westen gesetzt. Zu lang hat die Verwaltung die Stadtentwicklung der Privatwirtschaft überlassen. Zwischennutzungen wie durch den Nachbarschaftsgarten in der Josephstraße oder die Nutzung von Lokalitäten durch KünstlerInnen zu guten Konditionen, wie das Delikatessenhaus auf der Karl-Heine-Straße – haben einiges zur Belebung und ideellen Aufwertung des Viertels beigetragen. Mit dem Immobilienboom scheinen derartige Projekte, die nicht auf Rendite ausgerichtet sind, ihre Schuldigkeit getan zu haben und müssen Eigentumshäusern oder Luxussanierungen weichen. In Süd- und Altwest sind diese städtebaulichen Aufwertungsprozesse augenscheinlich, sie fallen zumeist zuungunsten von sozial Benachteiligten und gemeinnützigen Projekten aus.

Die Entwicklungen im Westwerk müssen insofern als Spitze eines Eisberges verstanden werden. Die Perspektiven in Bezug auf „Rettung“ des Westwerks sind schlecht, denn dies beindet sich in Privatbesitz, die öfentliche Hand hat hier kaum bis keine Möglichkeiten regulierend einzugreifen. Allerdings ist es höchste Zeit, dass die Stadt Leipzig sich einschaltet und etwas zur Sicherung von Räumen für künstlerisches und gemeinnütziges Engagement beiträgt. Denn genau wie beim Thema Wohnraummietentwicklung ist klar: der kapitalistisch organisierte Markt wird’s nicht richten!

Die Linksfraktion im Stadtrat hat vor diesem Hintergrund einen Antrag ins Verfahren gebracht, mit dem die Stadt aufgefordert wird, einen Maßnahmeplan zur Sicherung und Schaffung von Atelier- und Projekträumen für KünstlerInnen in Leipzig zu erstellen. Dieser soll vom Dezernat Kultur in einem partizipativen Verfahren zusammen mit dem Dezernat für Stadtentwicklung und Bau, StadträtInnen, Kulturschaffenden sowie freien Akteuren aus dem Bereich Stadtentwicklung in Leipzig erarbeitet werden.
Blickt man zurück in die Vergangenheit, gibt es in Bezug auf die Rettung von Kultur- und sonstigen gemeinnützigen Räumen Licht und Schatten. Während es gelang den, Techno-club Distillery per Stadtratsbeschluss vor der Verdrängung im Zuge der Entwicklung des Stadtraum Bayerischer Bahnhof zu sichern, misslang dieses Unterfangen bei den Nachbarschaftsgärten. Trotz fraktionsübergreifendem Engagement im Stadtrat gelang es nicht, den Eigentümer der Hauptläche des kollektiv genutzten Gemeinschaftsgartens zu überzeugen oder gar eine Übernahme der Flächen zu stemmen. Die Errichtung der Eigenheime, dort wo Familien noch vor kurzem Beete anlegten und ihre Freizeit verbrachten, ist fast abgeschlossen.

März 2017

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