Ein Jahr ist es her seit die Evaluation zur Waffenverbotszone der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, schon damals mit Verzögerung. Seitdem wird die Abschaffung der Sonderkontrollzone immer weiter verzögert.
Die Evaluation war im Verordnungstext des Innenministeriums vorgesehen; die Leipziger Stadtratsfraktion der LINKEN hatte 2019 per Ratsbeschluss erwirkt, dass die Stadt und die Bewohner*innen des Einzugsgebietes einbezogen werden.
Nach dem Ergebnis der Evaluation hat die Waffenverbotszone keinen relevanten Einfluss auf das Kriminalitätsaufkommen, vor allem aber keinen positiven Einfluss auf das Sicherheitsempfinden der dort lebenden und arbeitenden Menschen. Stattdessen stieg der Kontrolldichte vor allem durch geschlossene Einheiten der Polizei immens. Der positive Effekt der Evaluation bestand hingegen darin, dass schon lange formulierte Forderungen nach sozialer Sicherheit, Sozialarbeit, Kommunikation und Entkriminalisierung von Drogenkonsum in den Fokus gerückt wurden.
Bereits vor Veröffentlichung der Studie hatte sich der Stadtrat im Februar 2021 für die Abschaffung der Waffenverbotszone ausgesprochen. Im März 2021 hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen jenen Teil der Verordnung gekippt, der das Mitführen gefährlicher Gegenstände wie Reizgas oder Messer verboten hatte, was in der Evaluation mit keinem Wort erwähnt wurde.
Aber: nach diesem Gewitter an Gegenargumenten geschah genau nichts. Die Schilder blieben stehen, das zum 1.1.2020 in Kraft getretene Polizeivollzugsdienstgesetz gab den verdachtsunabhängigen Kontrollen in der Zone sogar einen verbindlichen rechtlichen Rahmen.
Dass Innenpolitik insbesondere in Sachsen nicht evidenzbasiert ist, sondern in hohem Maße durch konservative Sicherheitsphantasien und vermeintliche „Sicherheitsgefühle“ getrieben ist, liegt auf der Hand. Wenn allerdings wie im Fall der Waffenverbotszone Auswirkungen auf Kriminalität nicht ausgemacht werden können, aus dem Kreis der betroffenen Bevölkerung Diskriminierung, Kontrolldruck problematisiert und der Wunsch nach kommunikativen Problemlösungsstrategien formuliert werden, das politische Gremium der betroffenen Stadt sich eindeutig für die Abschaffung des Sonderinstruments positioniert und dann noch ein Gericht die rechtliche Grundlage der Zone aushöhlt, dann müssten doch eigentlich genug rationale Gründe zum Handeln auf dem Tisch liegen.
Stattdessen allerdings wurden seitens Polizei und Stadtverwaltung am 9.6.2021 stattdessen – alle Fakten ignorierend – verkündet, dass „ein gemeinsamer Maßnahmenplan zwischen Polizei und Ordnungsamt gefasst und rasch umgesetzt werden“ soll, „um zielstrebig und zeitnah die gewonnenen Erkenntnisse der Evaluierung in einem lokalen Handlungsrahmen umsetzen zu können“. Hieß nichts anderes, als dass die Konstrukteure der Waffenverbotszone das Gesicht nicht verlieren und den Mythos des „gefährlichen Viertels“ aufrecht erhalten wollten, dem mit einem „Maßnahmeplan“ beigekommen werden muss.
Am 21. Juni 2022 verkündeten Stadt und Polizei nun erneut, dass es einen Maßnahmenplan geben soll, seit 23. Juni liegt er dem Stadtrat vor. Dieser würde einen festen Polizeistandort im Gebiet, vermehrte Kontrollen und Strafverfolgung – alter Wein in nicht besonders neuen Schläuchen also und zudem Verkehrsüberwachung, Informations- und Präventionskampagnen, Spritzenbehälter und verschiedene integrationspolitische und nachbarschaftsstärkende Maßnahmen umfassen.
Was es meines Erachtens stattdessen braucht ist stinknormales kommunal- und landespolitisches Handeln, um die betreffenden Stadtteile sozial, lebenswert und sicher zu gestalten, den steigenden Mieten Einhalt zu gebieten und Bildungschancen von migrantischen Jugendlichen und Einkommensperspektiven aller dort Lebenden zu verbessern. Nicht mehr und nicht weniger.