Die diesjährige Global Space Odyssey thematisiert ein weiteres mal die Frage einer kapitalitischen Stadtentwicklung. Mieterhöhung und Verdrängung rücken auch in Leipzig auf die Tagesordnung. Freiräume werden ins Stadtmarketing einbezogen undoder müssen – wenn unprofitabel – weichen.
In einem Beitrag für die GSO-Broschüre habe ich Wagenplätze thematisiert und selbst zu Wort kommen lassen. Die politischste Form einer Wiederaneignung von Stadt findet sich in Leipzig m.E. am Beispiel von Trailermoon und Rhizomia
Freiräume unerwünscht? Die Wagenplätze Trailer Moon und Rhizomia wollen mehr als alternativ wohnen
An die zehn Wagenplätze dürfte es in Leipzig inzwischen geben.Die Stadt duldet diese alternativen Wohnformen, die in Leipzig ganz verschiedene Modelle gewählt haben. Während einige Wagengruppen sich für den Kauf der Flächen entschieden haben, gibt es auch Pacht-und Mietmodelle. In der Demmering/ Saalfelder Straße will die Stadt erstmals eine eigene Fläche für den Interims-Platz am Karl-Heine-Kanal zur Verfügung stellen.
Der Umgang der Stadt mit den Wagenplätzen kann als entspannt, aber planlos bezeichnet werden. Es mangelt an Engagement Rechtssicherheit für diese Wohnform zu schaffen. Ein grundlegendes Problem ist, dass die Legalisierung von Wagenplätzen bauplanungs- und bauordnungsrechtlich schwierig bis unmöglich sind.
Bauwagen seien keine „Wohnungen“ im Sinne des Baurechts, da sie nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet sind. Das Wohnen in Wagen – so auch die Auffassung mehrere Gerichte – sei rechtlich nicht als Nutzungsart vorgesehen.
Es stellt sich einerseits die Frage inwieweit die Kommune auch vor dem Hintergrund dieser übergeordneten Gesetze Spielräume hat, andererseits gibt es auch unter den verschiedenen Wagenplätzen keineswegs Einigkeit über den goldenen Weg.
Im Mai 2014 nahm die Gruppe Trailermoon Teile des Grundstücks Schulze-Delitzsch-Straße/ Bennsingsenstraße in Leipzig-Volkmarsdorf in Besitz. Ziel war und ist es Teile der brach liegenden Fläche als Wagenplatz zu nutzen. Im Oktober folgte die Wagengruppe Rhizomia und ließ sich auf einem anderen Stück der Fläche nieder. Daraufhin erweiterten sich die Zielstellungen der neuen Bewohner_innen: “Wir wollen einen Stadtteilpark, an dem sich alle beteiligen können! Und wir wollen Teil dieses selbstverwalteten Stadtteilparks werden!”, heißt es in einem Offenen Brief der beiden Kollektive aus dem November 2014.
Das in Rede stehende Grundstück befindet sich im Besitz der Deutschen Bahn. Seit geraumer Zeit ist ein Verkauf an die Stadt Leipzig geplant. Laut Stadtratsbeschluss soll die brachliegende Fläche im zentralen und östlichen Bereich zwischen Schulze-Delitzsch-Straße und Bennigsenstraße als Ausgleichsmaßnahme der Deutschen Bahn AG im Rahmen des Projektes City-Tunnel umgesetzt werden. Geplant ist die Herrichtung einer „waldähnlichen Grünfläche“ aka „Stadtteilpark Volksmarsdorf“.
Nachdem die Deutsche Bahn als Grundstückseigentümerin im Herbst letzten Jahres auf die Beräumung der Fläche durch die Wagenburgen setzte, ist nun Ruhe eingekehrt. Ein Ende der Auseinandersetzung ist jedoch nicht zu erwarten.
Denn: Die Stadt Leipzig verweigert sich dem Kauf der Fläche mit den Wagenburgen.
Das Wagenkollektiv „Rhizomia“ spricht im folgenden über Motive und Perspektiven der Besetzung(en), Trailermoon schließt sich vollumfänglich an.
Ihr habt im Mai bzw. Oktober Brachflächen im Leipziger Osten in Besitz genommen. Warum seid ihr nicht den konventionelle von Miete oder Pacht von Flächen gegangen?
Wir hatten nicht vor, einen Platz zu mieten, zu pachten oder zu kaufen, da wir der Meinung sind, dass alle Menschen ein Recht auf einen für sie guten Lebensraum haben; unabhängig ihrer Zahlungskräftigkeit. Alle sollten wohnen, wo sie möchten und wo Platz ist und nicht, wo sie wohnen sollen oder es bezahlen können. Die Aussage, dass nunmal alles im Leben etwas kostet, nehmen wir nicht an. Niemand von uns hat sich entschieden, in einem kapitalistischen System zu leben, in dem sogar aus Lebensraum Profit geschlagen wird. Das heißt, niemand von uns hat sich dazu entschieden, dass Miete gezahlt werden muss, von der in der Regel unklar ist, wofür sie aufgewendet wird und die in vielen Fällen schlichtweg zur Bereicherung von Privatbesitzer_innen beiträgt. Wir möchten uns nicht in ein hierarchisches Lohnarbeitsverhältnis einordnen; uns Konkurrenz und Leistungsdruck aussetzen, um dann den „Lohn“ dafür in Dinge wie Miete zu „investieren“. Statt dessen stecken wir unsere Zeit, Lust, Energie und was uns sonst noch so zur Verfügung steht lieber in unsere kollektive Wohnform und in unkommerzielle Räume.
Wie lebt ihr und warum lasst ihr euch auf diese Grauzone ein?
Wir leben zusammen als solidarische Gemeinschaft. Uns verbindet zum einen eine freund_innenschafliche vertraute Beziehung und zum anderen unsere Utopie vom Leben. Wir versuchen Herrschaftsmechanismen innerhalb und außerhalb des Projektes zu erkennen, zu reflektieren, zu kritisieren und zu bekämpfen.Unsere Art zu leben verstehen wir nicht als Grauzone, sondern als Experiment unserer Utopie einer befreiten Gesellschaft näher zu kommen.
Warum denkt ihr wehren Stadt und DB eure Forderung nach einer kollektiven Gestaltung und Nutzung der Grundstücke ab?
Sowohl Stadt als auch DB scheuen sich davor langfristige Entscheidungen zu treffen und ziehen sich damit immer wieder aus der Verantwortung. Unser Selbstverständnis als anarchistisch selbstverwaltetes Kollektiv steht wohl nicht im Einklang mit der parlamentarisch hierarchischen Stadtstruktur. Die profitorientierte Deutsche Bahn als kapitalistischer Konzern kann wohl auch die unkommerzielle Nutzung der Fläche nicht nachvollziehen. Zudem steht unser Bedürfnis anonym zu bleiben im Widerspruch mit ihrem bekannten Verfahren personbezogene Daten zu sammeln.
Wie weiter nach einer möglichen Räumung?
Derzeit gehen wir nicht davon aus, dass eine einfache Räumung möglich wäre. Sollte es jedoch soweit kommen werden wir wohl angemessen darauf reagieren müssen.
Unser anfängliches Problem, keine geeignete Fläche für unsere Projekt- und Wohnräume zu haben würde wieder bestehen und uns von neuem dazu zwingen uns etwas anzueignen.
Es bleibt schlussendlich festzuhalten: Die Stadt wächst und damit auch die Zahl der Menschen, sie sich – aus verschiedenen Motiven und mit verschiedenen Zielstellungen – für ein Wohnen in Wagen entscheiden. Die Stadt Leipzig muss diesem Anspruch gerecht werden. Dies kann durch das Zur-Verfügung-Stellen von städtischen Flächen oder eine offensive Verhandlungsposition gegenüber privaten EigentümerInnen geschehen.
Dass die Wagenplätze auf einer brach liegenden Fläche, die von der Stadt Leipzig zu einem Park entwickelt werden soll, nicht erwünscht sind, leuchtet nicht ein. Hier einzulenken und den Prozess mit Rhizomia und Trailermoon sowie weiteren Akteuren aus dem Stadtteil in die Hände zu nehmen , wäre der richtige Weg.
http://rhizomia.noblogs.org/
http://trailermoon.blogsport.de/
Die diesjährigen GSO findet am Samstag, 11. Juli statt und beginnt 13 Uhr im Lene-Voigt-Park in Reudnitz.