Grundstücksmarktbericht für Leipzig zeigt: Dringend wirksame wohnungs- und grundstückspolitische Regulierung notwendig – Milieuschutz muss in Gang kommen!

Der Grundstücksmarktbericht für die Stadt Leipzig zeigt für 2019 einen anhaltenden Aufwärtstrend bei den Preisen für Grundstücke, Häuser und Wohnungen. Was Immobilienlobby und Anleger*innen freuen mag, ist letztlich ein Armutszeugnis für eine soziale, regulierende Wohnungspolitik in Stadt und Land.

Mit über 3,4 Milliarden Euro hat der Gesamtumsatz auf dem Leipziger Immobilienmarkt einen absoluten Höchststand erreicht – und das bei einer seit mehreren Jahren stagnierenden Anzahl von Kauffällen. Der Quadratmeter Bauland oder Wohnfläche wird also immer teurer.

Bauland für Geschosswohnungsbau ist mit durchschnittlich über 700 Euro pro Quadratmeter heute mehr als doppelt so teuer wie noch vor lediglich drei Jahren. Die Preise für vermietete Mehrfamilienhäuser haben sich ebenfalls in nur fünf Jahren verdoppelt, auf heute über 1600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Eigentumswohnungen sind im selben Zeitraum rund 50% teurer geworden. Hier werden in der Spitze absurd anmutende Werte von über 6000 Euro pro Quadratmeter erreicht.

Die anhaltenden Preissteigerungen bei Grundstücken und Wohnungen sind für Mieter*innen fatal. Sie sind es, die letztlich die Zeche zahlen. Während die Einkommen in Leipzig nur mäßig, und vor allem nicht durch alle Einkommensschichten hindurch wachsen, steigen die Mieten stetig: Laut verschiedenen Marktberichten liegen die durchschnittlichen Angebotsmieten rund 25% höher als vor fünf Jahren. Die in Neubauten, aber auch für viele sanierte Altbauwohnungen aufgerufenen Kaltmieten von 10 Euro pro Quadratmeter monatlich und mehr sind für Leipziger Durchschnittsverdiener*innen nicht bezahlbar.

Die umfangreichen Einkommenseinbußen aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie werden dieses Missverhältnis absehbar verschärfen.

Der Grundstücksmarktbericht liefert Hinweise darauf, was der Immobilienhandel damit zu tun hat. So spielt sich ein Großteil des Marktgeschehens bei Eigentumswohnungen im Altbausegment ab, und gerade hier zeigt die Herkunft der Käufer*innen, dass Kapitalanlagestrategien im Vordergrund stehen, und nicht das bürgerliche Versprechen vom selbstgenutzten Eigenheim: 94% der Erwerber*innen neu sanierter Altbauwohnungen haben ihren Wohnsitz nicht in Leipzig. Dass diese Wohnungen pro Quadratmeter sogar teurer sind als das Neubausegment verdeutlicht die Entkoppelung der Preisbildung von realen Herstellungskosten.

An den neu „umgewandelten“ Eigentumswohnungen zeigt sich auch die mangelnde Regulierung des Leipziger Wohnungsmarktes: Die vom Stadtrat im Juni 2019 auf den Weg gebrachten sozialen Erhaltungsgebiete (Milieuschutzgebiete), in denen Luxussanierungen eingedämmt werden können, werden nun wohl erst ein knappes Jahr später gültige Satzungen erhalten, nachdem die Stadtverwaltung monatelang immer wieder neue Verschiebetermine angekündigt hatte.

Und beim Land wurde laut Antwort auf die Kleine Anfrage Drs. 7/1582 (http//edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=1582&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined) noch nicht einmal die Einführung einer Umwandlungsverordnung beantragt, auf deren Grundlage in den Milieuschutzgebieten die Neubegründung von Einzelwohnungseigentum unter Genehmigungsvorbehalt der Kommune gestellt und so der Rückgang an bezahlbaren Mietwohnungen begrenzt werden könnte.

Dabei zeigt der Grundstücksmarktbericht, dass rund die Hälfte der Umwandlungsgeschäfte – d.h. der Erstverkäufe von sanierten Altbauwohnungen, bei denen auch der Gutachterausschuss vom „klassischen Anlegermarkt“ spricht – in jenen Ortsteilen stattfinden, in denen Milieuschutzsatzungen vorgesehen sind oder gemäß den Empfehlungen der vorliegenden Detailuntersuchungen noch geprüft werden sollten.
Vor allem im Gebiet rund um die Eisenbahnstraße im Leipziger Osten sowie im Leipziger Westen von Leutzsch bis Kleinzschocher drohen verschärfte Gentrifzierungs- und Verdrängungsspiralen, wie auch die vergleichsweise hohen Zahlen der der dort verkauften ganzen Mietshäuser zeigen.

Der Milieuschutz muss jetzt so schnell wie möglich wirksam in Gang kommen! Dazu gehört eine unabhängige Mieter*innenberatung in den Stadtteilen und die Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts.

Das Thema darf mit den aktuell anstehenden Satzungsbeschlüssen auch keinesfalls als erledigt betrachtet werden. Die Dynamik auf dem Grundstücksmarkt verlangt vielmehr nach baldigen weiteren Untersuchungen. Das Beispiel Connewitz, wo erst auf einen Stadtratsantrag der LINKEN hin eine Detailuntersuchung durchgeführt wurde, zeigt, dass Hot Spots des Spekulationsgeschehens auch in Gebieten liegen können, die von einem Grobscreening nicht erfasst werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte dabei in den nächsten Jahren der erwartbaren Zweitsanierungswelle in den zahlreichen Häusern gelten, die zuletzt in den 1990er-Jahren saniert wurden.

Um hier die weitere Verdrängung von Mieter*innen zu beschränken, ist auch der Erlass einer Landesverordnung nötig, die den normalerweise drei Jahre geltenden stärkeren Kündigungsschutz für Mieter*innen in neu „umgewandelten“ Eigentumswohnungen in der Stadt Leipzig als „Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt“ auf zehn Jahre verlängern würde. Auch eine solche hat die Stadt beim Land laut Antwort auf die Kleine Anfrage Drs. 7/1580 (http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=1580&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined) noch nicht beantragt.

Auch von den neuen wohnungspolitischen Instrumenten, welche die Landesregierung gemäß Koalitionsvertrag von sich aus vorsieht, ist derzeit noch nichts zu merken. Der soziale Wohnungsbau, den man vorgeblich „qualitativ und quantitativ deutlich weiterentwickeln“ will, spielt unter CDU-Minister Thomas Schmidt offenbar weiterhin die zweite Geige hinter der ökologisch zweifelhaften Eigenheimförderung abseits der Großstädte. Schmidt stellt sogar die im Koalitionsvertrag für Leipzig und Dresden fest vereinbarte Mietpreisbremse in Frage (https://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Sozialer-Wohnungsbau-in-Leipzig-verharrt-auf-Vorjahresniveau). Die Mietpreisbremse, die Sachsen als eines von nur drei Bundesländern noch nie angewendet hat, könnte zumindest den Anstieg bereits relativ teurer Mieten verlangsamen; der Preis bei Neuvermietung von Bestandswohnungen dürfte maximal zehnt Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Die Aufgabe, den Preisexplosionen beim Wohnen wirksam zu begegnen, weist jedoch auch über die Landesebene hinaus. Eine dauerhafte Lösung des Wohnungsproblems erfordert eine Lösung der Bodenfrage. Eine Bodenpreisbremse auf Bundesebene müsste an der Wurzel des Problems der leistungslosen Gewinne aus Grundbesitz ansetzen.

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