Weltnest fragt in dieser Woche nach der Nutzung von städtischen Gebäuden für Wohnzwecke, zum Beispiel für Asylsuchende
Martin fragt:
Die Initiative Stadt für Alle möchte, dass ein leerstehender Gebäudekomplex in Reudnitz nicht wie geplant abgerissen wird, sondern in ein Wohnprojekt für Asylbewerber und Studenten umfunktioniert wird. Dafür gibt es Vorbilder in Augsburg und München. Was halten Sie von der Idee?
Meine Antwort:
Das ist eine ganz super Idee und berührt die Spitze eines Eisberges.
Es scheint in dieser Stadt kein vernünftiges und auf Nachhaltigkeit setzendes Liegenschaftskonzept und -management zu geben. Genau so kommt dann der Verkauf einer stadteigenen Immobilie wie in der Friederikenstraße in Dölitz oder des Jahrtausendfelds zustande, obwohl ersteres 2012 ernsthaft als Atelierhaus in kommunaler Hand im Gespräch war und zweiteres dringend als Schulstandort gebraucht wurde bzw. wird. Der in Rede stehende Komplex Witzgallstraße 18, Riebeckstraße 37-47 und Stötteritzer Str. 43 in Reudnitz ist ein weiteres Beispiel. Die Gebäude waren vor drei Jahren zum Abriss vorgesehen, wovon aufgrund von Protesten abgesehen wurde.
Seit wenigen Jahren warnen ExpertInnen und AktivistInnen in Leipzig davor, dass der Leerstand schneller schmilzt als gedacht und die Mieten ordentlich anziehen. Beide Prozesse sind in vollem Gange, die Bevölkerung wächst, durch Geburten, Zuzug und auch Asylsuchende. Am wenig strategischen Umgang der Stadt mit eigenen Liegenschaften und Grundstücken hat sich trotz dieser Entwicklungen scheinbar nichts getan. Der Vorschlag von „Stadt für alle“ war ein Bestandteil der Debatte um die vermeintliche Alternativlosigkeit des Ausbaus der Asyl-Massenunterkunft in der Torgauer Straße. Mit Beschluss des Stadtrats vom 25. Februar folgte die Mehrheit des Rates dieser gebetsmühlenartig vorgetragenen Position der Verwaltung und besiegelte den Mangel an Kreativität und menschenwürdigen Lösungen für die große Zahl an Asylsuchenden, die in der Torgauer Straße wohnen (etwas über 300, darunter 35 Familien!!!) und die neu in Leipzig ankommen. Die Sondierung eigener Liegenschaften, eine zielführende Verhandlung mit den Wohnungsgenossenschaften, die über mehr als 3.000 leer stehender marktaktiver Wohnungen verfügen oder ein WG-Modell – all das wurde vom Gros der StadträtInnen faktisch ausgeschlagen. Der Komplex in der Riebeckstraße hätte sicher mit einem Teil des Geldes, was nun in die Torgauer Straße im Gewerbegebiet gesteckt werden soll, auch wunderbar saniert werden können.
Es wird jenseits dieser konkreten Debatte tatsächlich Zeit, den Umgang mit öffentlichem Eigentum an Immobilien und Grundstücken grundlegend und vor dem Hintergrund des boomenden Immobilienmarktes zu diskutieren. Kommunales Eigentum ist der Schlüssel für bezahlbares Wohnen und Freiräume für nicht-kommerzielle und soziale Projekte und Betätigungen. Es mag sein, dass es manchmal tatkräftige und kreative MacherInnen gibt, die aus unsanierten Gebäuden oder brach liegenden Grundstücken mehr oder schneller etwas machen können bzw. wollen. Für diesen Fall hat die Linksfraktion im vergangenen Sommer einen Antrag ins Verfahren gegeben, der bei einem Verkaufsvorhaben eine Konzeptvergabe statt Verkauf an den Meistbietenden vorsieht und Pachtverträgen immer den Vorrang gibt.
Bild: grandhotel-cosmopolis.org