Weltnest fragte diesmal inwiefern Leipzig gegenüber der Stadt Dresden benachteiligt wird
Martin fragt:
Trotz herbstlicher Temperaturen scheint das Sommerloch wieder zurück zu sein. Eine angebliche Bürgerinitiative fordert die Abspaltung Leipzigs von Sachsen und unsere Boulevardmedien fallen darauf herein. Die heutige Frage lautet allerdings nicht, ob wir vom Leipziger Modell zum Schottischen Weg wechseln sollen. Ich möchte wissen: Wird Leipzig wirklich so oft von Dresden übervorteilt, oder kommt mir das nur so vor?
Meine Antwort:
Nunja, die Abspaltung Leipzigs von Sachsen ist einerseits nicht ganz stimmig, denn schließlich hat die CDU in Leipzig in 6 Wahlkreisen die Stimmmehrheit bekommen, auch wenns hier und da knapp war. Da finde ich den von meinem unterlegenen CDU-Kandidaten Clemen gemachten Vorschlag, einer autonomen Republik Connewitz/ Südvorstadt schon logischer. Aber im Ernst: die CDU-Dominanz stimmt sicher nicht mit den Einstellungen, Ansprüchen und dem Lebensgefühl gerade von Großstädter*innen überein. Traditionell sind Städte, wo sich Unis, Kultureinrichtungen, eine alternative Szene etc. entfalten können und wo mehr Migrant*innen leben, offener und liberaler als es – insbesondere die sächsische – CDU repräsentiert.
Doch zur Frage: klar, wird Leipzig de facto benachteiligt. Zum Teil direkt, zum Teil durch eine nicht-gezielte Förderung zum Abbau von Benachteiligungen.
Nehmen wir uns das Beispiel Kosten der Unterkunft. Der Freistaat ist eines der wenigen Bundesländer, das die Bundeszuschüsse im wesentlichen nach Einwohner*innenzahl und nicht nach der Hartz-IV-Fälle verteilt. Leipzig hat bekanntlich wesentlich mehr Betroffene als Dresden (und auch die Landkreise). Es geht hier um 300 Millionen Euro, die der Stadt damit in den letzten 10 Jahren verloren gingen.
Nehmen wir uns den Hochschulbereich. Unter Kurt Biedenkopf wurde die TU Dresden auf Kosten der Uni Leipzig zur Volluniversität ausgebaut. Während die – politisch gewollt – zur „Exellenz“-Uni gemachte TU Dresden von den aktuellen Stellenkürzungen gar nicht betroffen ist, soll der Rotstift an der Leipziger Uni am krassesten angesetzt werden.
Dresden profitiert als Landeshauptstadt von einem Mehr an dort lebenden Verwaltungsmitarbeiter*innen und auch milliardenschweren Wirtschaftsfördermitteln. Klar, dass es auf der Einnahmeseite besser aussieht.
Leipzig konnte u.a. aufgrund der hohen Sozialausgaben z.T. Fördermittel des Freistaates gar nicht abrufen. Sprich: es braucht eine Korrektur – eine auch an sozial ausgleichende Zuweisungspolitik und eine größere Flexibilität beim Abrufen von Fördermitteln (was den Eigenanteil betrifft). Letztendlich kann es in der Debatte jedoch nicht um das Befeuern der Standortkonkurrenz gehen, sprich dürfen zum Beispiel Landtagsabgeordnete aus Leipzig nicht nur ihre „hood“ im Blick haben, sondern den sozialen Ausgleich im gesamten Land. Der ländliche Raum jenseits der Großstädte hat noch ganz andere, schwerwiegende Probleme, was zum Beispiel sinkende Geburtenzahlen, Wegzug, Stilllegung von Bahnstrecken, Abschneiden vom ÖPNV oder Leerstand von Wohnraum betrifft.
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