Für & wider: Kosten der Unterkunft – Sparen auf Kosten Bedürftiger

In dieser Woche im Weltnest endlich ein anderes Thema: Wie an Menschen, die von Alg II leben müssen, gespart wird

Martin fragt:

Die bisherigen Mietobergrenzen für Harz-IV-Empfänger in Leipzig sind laut einem Bericht des ARD Magazins Plusminus rechtswidrig gewesen. Von den Sozialgerichten ist dieser Umstand immer wieder anerkannt worden. Allerdings hält das Leipziger Arbeitsamt bis zuletzt an den Obergrenzen fest, wohl um jährlich Millionen zu sparen. Die Betroffenen müssen so immer wieder klagen, damit ihre Miete auch voll übernommen wird. Obwohl das Arbeitsamt davon weiß, ändert sich lange nichts. Wie ist eine solche Praxis zu rechtfertigen?

Meine Antwort:

Zunächst: Das System Hartz IV & Co, das vor zehn Jahren von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt wurde, ist menschenunwürdig. „Hartz IV ist Ausdruck einer Gesellschaft im prähumanen Zustand.“ so die LINKE-Chefin Katja Kipping jüngst aus Anlass dieses fragwürdigen „Jubiläums“.
Hartz-IV degradiert Millionen von Menschen, die sich dem Regime von Arbeitsagentur/ Jobcenter unterwerfen müssen, die jede Arbeit annehmen müssen, um nicht die Kürzung des Existenzminimums bis auf Null in Kauf zu nehmen. Die durchleuchtet und „aktiviert“ werden bis auf die Knochen. Auch der ureigenste Rückzugsraum, die eigene Wohnung, gerät hier in den Fokus. Die Kosten der Unterkunft gibts nur, wenn bestimmte Wohnungsgrößen zu bestimmten, gedeckelten Preisen eingehalten werden. Sonst drohen Zwangsumzüge oder eben keine Unterstützung. In Leipzig lag der Satz für die Kosten der Unterkunft bis dato bei 4,48/ qm bei maximal 45 qm Wohnfläche (= 201,60 Euro Grundmiete). Diese durch die Richtlinien der Stadt festgelegten 4,48 EURO/m² hielten 2013 nur etwas über 40 Prozent der Ein-Personen Haushalte ein.  Bei den Ein-Personen Haushalten lagen nur knapp 20 Prozent innerhalb der vorgegeben 45 m² Wohnfläche.

DIE LINKE hat lange kritisiert, dass die Stadt Leipzig kein schlüssiges Konzept hat, nach dem ein angemessener Satz für die Kosten der Unterkunft festgesetzt wird. Ein solches Konzept, dass die Berechnung der Mietobergrenzen schlüssig nachweist, muss nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes 2009 an bestimmte Voraussetzungen (maßgeblich örtlicher Vergleichs- und Beobachtungsraum, Ausstattung der Wohnungen, Validität etc.) gebunden sein. Leipzig hat sich dem verweigert und lieber darauf gesetzt, dass Menschen, die auf KdU angewiesen sind, nicht klagen. Damit werden jährlich immerhin fünf Millionen Euro gespart, heißt es im Plusminus-Beitrag.

Nun hat die Stadt Leipzig kurzerhand eine neue KdU-Richtlinie vorgelegt, die eine Erhöhung des qm-Preises auf 4,60 Euro und einen „Methodenwechsel zur Ermittlung angemessener Kosten der Unterkunft“ vorsieht. Von nun an sollen die Angemessenheitsgrenzen auf den empirischen Daten des aktuellen Leipziger Mietspiegels und den Ergebnissen der Betriebskostenbroschüre basieren.

Der Pferdefuss: Damit kommt Leipzig nicht zu einem schlüssigen Konzept. Das Bundessozialgericht hat klar festgelegt, dass ein Mietspiegel als Bemessungsgrundlage eben nicht zu einem gültigen schlüssigen Konzept führen muss. Es müsse zudem nachgewiesen werden, dass ALG-II-EmpfängerInnen innerhalb einer angemessenen Zeit eine Wohnung finden können müssen, die den Richtlinien entspricht.

Der angekündigte „Methodenwechsel“ beim Schlüssigen Konzept in Leipzig wird diesen Anforderungen wiederum nicht gerecht. Und so muss es wohl weiter Klagen geben, zu denen die Betroffenen unbedingt ermutigt werden müssen!

Schlussendlich bleibt dieses Abfallprodukt von Hartz-IV vor allem eines: Menschenunwürdig!

>>> zum gesamten Beitrag

5 Gedanken zu „Für & wider: Kosten der Unterkunft – Sparen auf Kosten Bedürftiger“

  1. Wie sähe denn ein „menschenwürdiges“ Konzept aus?
    – in m² und EUR?
    – in Messung von Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit?
    – in Definition von Lebenshaltungskosten?

  2. Hallo Herr Neumann.
    wie ein „schlüssiges Konzept“ aussieht hat das BSG definiert: einfach mal schauen vor dem entrüsteten Nachfragen
    http://openjur.de/u/169576.html

    Menschenwürdig ist es Menschen nicht einfach aus ihrem Wohnraum rauszuschmeissen, weil sie keine Arbeit mehr finden. Menschenwürdig ist Wohnen nicht vom Geldbeutel abhängig zu machen.
    Sie können das mit ihrem Job und ihrem Leistungswillen natürlich von oben herab beurteilen. Alle, die ihren Standard nicht erreichen wollen und können, sind irgendwie faul, unwillig und nicht willens etwas für diese Gesellschaft zu leisten, oder?
    Es ist echt traurig, wie sie aus ihrem Leistungs-Elfenbeinturm auf Gesellschaft herabschauen. Genau das sind Privilegiertenvorrechte, die die Lyrik bzw Epik zum realen sozialen Gap darstellen.

    Zur Einwanderung antworte ich wenn ich mal wieder Zeit habe.
    Derweil faulenze ich und leben auf Kosten ihrer Steuergelder. (das denken sie sicher, die sie Arbeit auf klassische Erwerbsarbeit reduzieren und denken, dass GEsellschaft sich allein darüber reguliert).

  3. Hallo Frau Nagel,

    danke für die Antwort.
    Entrüstet habe ich nicht gefragt.
    Ich denke nur prinzipiell das Anti- und Kontra- deutlicher einfacher sind als in der Verantwortung zu stehen und etwas Umsetzen zu müssen.

    Die persönlichen Annahmen zu meiner Motivation und meiner Meinung möchte ich gern korrigieren.
    Also Privilegienrechte besitze ich nicht, ich hab die gleichen Rechte wie jeder in Deutschland.

    Und ich bin völlig entgegen ihrer Annahme davon überzeugt, dass in Deutschland die Entlohnung in keinem Verhältnis zur gesellschaftlichen Verantwortung steht. Ich würde jedem Kindergärtner und jedem Lehrer sofort 4000 EUR brutto zahlen.
    Das auch Menschen die sich z.B. kulturell engagieren, und dabei eventuell gar keiner „klassischen Erwerbsarbeit“ nachgehen – so wie Sie als Politikerin – wichtig für die Gesellschaft sind – darin stimmen wir überein.
    Aber es geht doch hier nicht darum was ich denke oder nicht denke. Es geht um das Thema.

    Und wo wir nicht zusammenkommen ist Folgendes:
    Es gibt Ausnutzung von Sozialsystemen. Es gibt Menschen die eben NICHT „gut“ für die Gesellschaft sind. Diesen muss man beständig Anreize und Unterstützung geben sich zu verändern. Sonst gibt es eine zweite Generation von Ihnen. Und genau das sehen wir ja tlw. in einigen Stadtteilen. Also was dagegen tun?

    Kommen wir wieder zum Thema: Ist es zur erfolgreichen Partizipation an unserer Gesellschaft notwendig – oder gar sinnvoll- Wohnen unabhängig vom Geldbeutel zu machen? Würden sie dieses Konzept auf alle Grundbedürfnisse ausdehnen? (Ernährung, Kleidung, Mobilität, Gesundheit, Wohnen). Alles kostenlos (und damit zwingend ja auch für alle gleich gut, damit es gerecht sein kann?).
    Keine Unterschiede zulassen? Dem Leistungsprinzip als Motor (ja auch als Erzeuger sozialer Spannung) unseres Gesellschaftsystems vollkommen entsagen?
    Ich halte das für eine Utopie – wenn auch eine wirklich Erstrebenswerte. Star Trek …
    Allein ich habe kein so optimistisches Weltbild. Ich glaube nicht daran, dass Menschen eher sozial als egoistisch sind. Zumindest nicht die heute auf der Welt lebende Mehrheit.

    Wäre es nicht richtig (so wie es gemacht wird)einen Mindeststandard zu garantieren?
    Für dessen Erhöhung sollten sie streiten.
    Menschenwürdigkeit fängt bei 50m² für 3 Personen an (oder so etwas)… Deswegen ja die Frage nach Ihrem Konzept in ZAHLEN.

  4. Hallo Ede,

    den Artikel kenn ich. Ich glaub nicht dran.
    Was ich bisher gelernt habe ist, dass in Familien und kleinen Sozialen Gruppen – auch in Dörfern bis 100 Menschen ohne große Fluktuation – ein Vertrauensverhältnis entsteht und auch ein gegenseitiges Kennen, Sehen, Kontrollieren…, daß ein kommunistischer (Kommune) Ansatz funktioniert. Man teilt sich materielle Dinge, man schliesst nicht ab etc..

    In jeder größeren sozialen Gruppe ist dies aufgrund der Anonymität nicht möglich (wer hat’s gestohlen?) Und das gilt für alle Aspekte einer Gesellschaft. Schuld daran ist der egoistische auf „Mehr haben = mehr Sicherheit = mehr Überlebenschance“ programmierte Teil des Gehirns. Ja, den werden wir – auch aufgrund der sozialen Sicherheit ablegen. Noch sehe ich das nicht. Ich verleihe meinen Akkuschrauber nicht an einen mir Unbekannten der grad an meinem Haus vorbeikommt… noch nicht.

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