Für ein inklusives „Wir, die hier leben“

Trotzdem wir also in Sachsen längst in einer Einwanderungsgesellschaft angekommen sind, sind staatliche und gesellschaftliche Institutionen noch immer nicht auf diese Realität eingestellt und handeln in der Praxis integrationsfeindlich. Mein Artikel im aktuellen Mitteilungsblatt der LINKEN Leipzig

14,1 % und in absoluten Zahlen 83.406 Menschen mit Migrationsgeschichte leben in Leipzig. Damit ist die Stadt nach Ostberlin die mit dem höchsten Migrant*innenanteil im Osten Deutschlands. Und es ist bei weitem nicht die Zuweisung von Geflüchteten, die diesen Teil der Bevölkerung wachsen lässt. Es sind EU-Bürger*innen, es sind Familien, die nachziehen und ausländische Studierende und Erwerbstätige, die ihren Weg in die Stadt finden.

Die Differenz zum Migrant*innenanteil im Rest von Sachsen (6,5 %) ist augenscheinlich und beweist, dass sowohl die gesellschaftliche Stimmung als auch Chancen für ein selbstbestimmtes Leben in der Großstadt Leipzig größer sind.
Trotzdem wir also in Sachsen längst in einer Einwanderungsgesellschaft angekommen sind, sind staatliche und gesellschaftliche Institutionen noch immer nicht auf diese Realität eingestellt und handeln in der Praxis integrationsfeindlich.
Da macht die Stadt Leipzig keine Ausnahme. Beispielsweise lehnte die Stadt Leipzig bisher die Erteilung von Ausbildungsduldungen, mit denen Geflüchteten, deren Asylantrag abgelehnt wurde, ermöglicht wird, für die Zeit einer Ausbildung und für zwei Jahre Anschluss-Beschäftigung hier zu bleiben, im sachsenweiten Vergleich überdurchschnittlich häufig ab (vgl. Antwort des Innenministeriums auf meine Kleine Anfrage 6/ 14433).
Im Herbst letzten Jahres wurde sogar ein Azubi eines Autohauses in Leipzig aus der Ausbildung heraus abgeschoben.
Es fehlt an Möglichkeiten für nicht mehr schulpflichtige geflüchtete junge Menschen, ihren Schulabschluss nachzuholen. Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen
wird der Zugang zur Schule verwehrt. Da wird Migrant*innen in Behörden noch viel zu oft entgegen geschleudert: Hier wird deutsch gesprochen! Da werden Migrant*innen aufgrund rassistischer Zuschreibungen bei der Vermietung von Wohnungen abgelehnt.
Hinzu kommt die Stimmungsmache gegen Migrant*innen und insbesondere Geflüchtete. Dies zeigte nicht nur die rassistische Instrumentalisierung des Tötungsverbrechens in Chemnitz, sondern lässt sich aktuell gut an der auf Fakenews basierenden Kampagne
gegen den UN-Migrationspakt beobachten. Die AfD und ihre rechten Fußtruppen machen
systematisch Stimmung gegen diesen Vertrag – zulasten der betroffenen Menschen.
Unlängst schwenkte die Leipziger CDU auf diesen Kurs ein.
Dabei widmet sich der UN-Pakt den wichtigen Fragen unserer Zeit und versucht das
Phänomen Migration in seiner Gänze zu fassen. Sowohl die Bekämpfung der Gründe,
aus denen Menschen unfreiwillig ihre Herkunftsländer verlassen müssen, als auch die
Erleichterung von Einwanderung etwa durch eine liberalere Visavergabe und nicht zu-
letzt soziale und rechtsstaatliche Garantien für Migrant*innen befinden sich unter den
23 vereinbarten Punkten, die im Dezember 2018 bei einem UN-Gipfel in Marrakesch offiziell unterzeichnet werden sollen. Der Haken an dem Pakt ist, dass er eine unverbindliche
Zielbestimmung ist und die Ausgestaltung der Migrationspolitik komplett in den Händen
der Nationalstaaten bleibt.
Als LINKE stehen wir für offene Grenzen und dafür, dass Menschen den Ort, an dem sie
leben wollen, selbst wählen können. Unsere Migrationspolitik basiert weder auf Abschottung noch auf Nützlichkeitsdenken. Auch die Partei- und Fraktionsvorsitzenden bekräftigten jüngst: „Als DIE LINKE streiten wir für eine demokratische Migrations- und Integrationspolitik, die die Freiheit und Würde der Einzelnen schützt und die soziale Sicherheit und das Recht auf politische und kulturelle Teilhabe aller garantiert.“ (http://gleft.
de/2AM)
Um diesen Anspruch auch in Sachsen Realität werden zu lassen, hat unsere Landtagsfraktion unter meiner Federführung ein Migrant*innen-Teilhabefördergesetz (Integrationsgesetz) erarbeitet und in den Geschäftsgang des Landtages gebracht (http://gleft.de/2An/). Das Gesetz zielt darauf, gleichberechtigte Teilhabe, Integration und den Abbau von Benachteiligungen von Menschen mit Migrationshintergrund in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Sachsen zu gewährleisten: Mittels der Festschreibung interkultureller Öffnung auf allen Ebenen, mit der Schaffung von verbindlichen Strukturen und einer verbindlichen Förderung von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Integrationsaufgaben und mittels Partizipationsstrukturen für Migrant*innen. Sachsen wäre das erste ostdeutsche Flächenland und überhaupt bundesweit das fünfte Bundesland, das sich eine solche landesgesetzliche
Grundlage gibt.
Auch für unsere Partei muss die Realität der Einwanderungsgesellschaft stärker auf die
Agenda rücken. Migrant*innen dürfen nicht länger vor allem Objekt linker Politik, sondern
müssen auch politische Subjekte werden können. Genau dieser Schritt trifft zumeist
auf Widerstand in alt hergebrachten Institutionen, wie es sich am Beispiel des Leipziger Migrantenbeirats verdeutlichen lässt. Je selbstbewusster und offensiver dieses städtische Gremium auftritt, desto größer wird die Abwehrhaltung in der Stadtverwaltung.
Für eine zukunftsfähige LINKE lautet die Devise selbst aktiver Teil einer sich durch Mig-
ration verändernden Gesellschaft zu werden.
Dazu bedarf es Offenheit, nicht nur ideell, sondern auch materiell: Mehrsprachigkeit,
interkulturelle Kompetenz und Diskriminierungfreiheit in unserer eigenen Praxis sind
die ersten Schritte auf diesem langen Weg.

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