In der 13. Folge der linXXnet-talXX dreht sich diesmal alles um verschiedene Aspekte dringend nötiger und gleichzeitig fehlender Solidarität innerhalb der EU. Unterhalten habe ich mich darüber mit Conny Ernst, die seit 2009 für DIE LINKE als Abgeordnete im Europaparlament wirkt und seitdem Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres ist.
Zum Einstieg in diese Folge werfen wir zuerst einen Blick zurück – in den März diesen Jahres, als reihenweise europäische Staaten die sich anbahnende Corona-Pandemie zuallererst in Eigeninitiative mit Grenzschließungen beantworteten. Eines der vielen Beispiele, an denen sich aufzeigen lässt, wie sich die Vorstellung der so oft beschworenen »europäischen Solidarität« ins Gegenteil verkehrte. Denn von kooperativen, gemeinsamen Strategien zum Umgang mit der Krise statt eines Rückfalls auf ausschließlich nationale Alleingänge ist die EU derzeit meilenweit entfernt.
Dass auf europäischer Ebene trotzdem allerhand Beratungen stattfinden, kann Conny bestätigen: »Es wird über Gelder diskutiert, es wird über Grenzschließungen, über Gesundheitssysteme diskutiert, auch über Geflüchtete, die möglichst draußen bleiben, weil ja Corona alles verhindert«, fasst sie die derzeitigen Gesprächsgrundlagen pointiert zusammen. Die wirkliche Solidarität innerhalb der EU sei derweil auf der Strecke geblieben. Während jeder Staat sich nur um seine Eigeninteressen sorgt, verursache diese Haltung bei ihr Ärger und Angst. Denn zur Idee der Europäischen Union gehört eigentlich weit mehr als eine bloße Verständigung über Gelder, nämlich zum Beispiel das eigentlich unverrückbare Prinzip der Freizügigkeit, von der im Moment keine Rede sein kann. Jedes Land kontrolliert und schließt seine Grenzen nach Belieben, teilweise für Jahre, und »diese Willkür zeigt tatsächlich auch die Zerrissenheit der Europäischen Union«, stellt Conny fest. Außerdem, wie sie anschließend erklärt, könne auch ganz grundsätzlich eine bloße Verteilung von Geldern nicht das Mittel der Wahl im Angesicht einer Krise solchen Ausmaßes sein, weil es aktuell wirklich um das Leben der Menschen gehe.
Anschließend besprechen wir im Talk die verschiedenen Möglichkeiten und Ideen einer wirklichen, zumindest ökonomischen, Solidarität auf europäischer Ebene, die derzeitig diskutiert werden – und denen etwa die deutsche Regierung ganz bewusst im Weg steht, obwohl besonders hart von Corona betroffene Staaten davon direkt profitieren könnten. Conny berichtet etwa von der linken Forderung nach sogenannten »Corona-Bonds« und erklärt deren Wirkungsweise. Durch diese »gemeinsame Haftung« für die Bereitstellung der finanziellen Mittel, die jetzt notwendig sind, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, hätten die EU-Mitglieder untereinander solidarisch handeln können. Stattdessen schwächen einzelne Darlehen ohnehin gebeutelte Staaten noch zusätzlich. Zumindest mögliche Kompromisslösungen stiften aber ein wenig Hoffnung, wie Conny anschließend erklärt.
Im zweiten Teil unseres Gesprächs widmen wir uns einem weiteren Thema europaweiter Wichtigkeit, das uns seit Monaten in Atem hält und bei dem die Mitgliedstaaten der EU in diesen Zeiten kollektiv versagen – der Situation der Geflüchteten in den griechischen Lagern. Auch hier setzen wir mit dem oft bemühten Begriff der europäischen Solidarität an und stellen fest: Solidarität, die an den Grenzen aufhört, ist keine. Nachfolgend beschreibt Conny Ernst die derzeitig dramatische Lage vor Ort und setzt sich außerdem mit dem Scheinargument auseinander, dass die Corona-Krise ein »schlechter Zeitpunkt« für die Aufnahme von Geflüchteten und die Diskussion darüber deshalb hinfällig sei. Gleichzeitig zeigt sie aber auch die bestehenden Möglichkeiten auf, die größten Probleme bei der Verteilung der Geflüchteten auf die EU-Staaten anzugehen und gibt einen Einblick in ihre persönliche aktuelle Arbeit daran. Über allem steht dabei dennoch das Ohnmachtsgefühl, dass die europäische Solidarität, die Lager aufzulösen und Griechenland unter die Arme zu greifen, schlichtweg nicht vorhanden ist. Die Geflüchteten werden mit dem Elend der Lager, Griechenland mit dem Verteilungsproblem der Menschen alleine gelassen.
Zum Schluss werfen wir noch ein kurzes Schlaglicht darauf, wie die momentane Arbeit im Europäischen Parlament eigentlich auf digitaler Ebene abläuft und wie sich regionale und internationale politische Arbeit in diesen Zeiten praktisch verzahnen lässt. Ihr zusammenfassender Appell an DIE LINKE lautet, sich im Schatten von Corona auf nationalistische Spielchen nicht einzulassen und sich nicht darauf auszuruhen, dass in Deutschland die rechtsregressive Bedrohung weniger stark scheint, als in Polen oder Ungarn. Vielmehr gilt es, staatenübergreifend zu denken und die linke Opposition in jenen Staaten zu unterstützen, wo die Regierungen sich Corona für autoritäre Rollbacks zunutze machen. Unsere Stimme laut zu erheben ist gerade jetzt wichtig, auch und besonders außerhalb des nationalen Kontextes.
Zum Talk gehts hier: https://youtu.be/ND74gb8Fmsw