Am Morgen des 26.8.2010 wurden im sächsischen Döbeln ein Transparent abgezündet, das am zivilgesellschaftlichen Zentrum „Treibhaus“ angebracht war. Im Juli 2010 waren Autos von zwei MitarbeiterInnen in Brand gesetzt worden.
Pressemitteilung DIE LINKE Sachsen, 26.8.2010
Laut dem Kulturbüro Sachsen handelt es sich bei dem aktuellen Vorfall um den elften rechts motivierten Brandanschlag im laufenden Jahr. Am 19.8. und 24.8. waren zwei alternative Wohnprojekte in Dresden mit Brandsätzen angegriffen worden. Im sächsischen Freiberg gab es im selben Monat mehrere Anschläge auf von MigrantInnen betriebene Gaststätten.
Juliane Nagel, Mitglied des Landesvorstandes erklärt dazu:
„Ich bin entsetzt über die neue Qualität neonazistischer Gewalt. Hier geht es nicht mehr nur um Einschüchterungsversuche, sondern um Angriffe auf Leib und Leben. In ihrer Halbjahresstatistik weisen die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt der RAA Sachsen für 2010 erneut einen Anstieg rechtsmotivierter und rassistischer Gewalttaten aus. Dass vor diesem Hintergrund der Etat für das Landesprogramm zur Stärkung von Demokratie und Vorbeugung antidemokratischen Handels im Sozialministerium im kommenden Doppelhaushalt um die Hälfte gekürzt werden soll, ist ein Affront. Die davon betroffenen Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus beim Kulturbüro Sachsen sowie die Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt leisten unabdingbare
Arbeit, indem sie Kommunen und zivilgesellschaftliche Akteure beraten und begleiten bzw. von rechter Gewalt Betroffenen zur Seite stehen. DIE LINKE Sachsen fordert mindestens die Rücknahme der anvisierten Kürzungen und zeigt sich mit allen Opfern der benannten Brandanschläge solidarisch.“
Pressemitteilung Treibhaus Döbeln, 26.8.2010
*Nach Sturm 34-Prozess: erneuter Brandanschlag auf Döbelner Treibhaus e.V*.
In der Nacht vom 25.08.2010 auf den 26.08.2010 entzündeten bisher noch unbekannte TäterInnen gegen 2 Uhr ein Transparent an der Hausfassade des Treibhaus e.V. Döbeln. Das Transparent richtete sich mit seiner Aussage gegen die gängige Abschiebepraxis und war in ca. 3 Meter Höhe über dem Bürgersteig an der Hausfassade befestigt. BesucherInnen des vom Treibhaus e.V. betriebenen Café Courage, welches sich im Haus befindet, bemerkten den Brand erst mit Verzögerung und alarmierten daraufhin die Polizei. Ein Eingreifen der Feuerwehr war nicht nötig. Glücklicherweise hatte das Feuer nicht auf die Holzfensterrahmen, an denen das Plakat befestigt war, übergegriffen. Personen kamen keine zu Schaden. Zum jetzigen Zeitpunkt muss von einem gezielten Anschlag unter Verwendung von Brandbeschleunigern ausgegangen werden, da BesucherInnen nach dem Brand eine Flüssigkeit an den Transparentresten aufgefallen war.
Tags zuvor hatte am Döbelner Amtsgericht der letzte Prozesstag gegen drei Mitglieder der mittlerweile verbotenen Neonazikameradschaft Sturm 34 aus Mittweida stattgefunden. Dieser endete mit einer Einstellung des Verfahrens, einem Freispruch und einer achtmonatigen Freiheitsstrafe ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung für einen der Angeklagten. Den Beschuldigten war vorgeworfen worden, im Februar 2007 an einem Überfall auf das Café Courage beteiligt gewesen zu sein, bei dem vier Menschen verletzt wurden. Bei dem Überfall während einer Kabarettveranstaltung hatten die AngreiferInnen Bühnentechnik und Inneneinreichtung demoliert und verletzten eine Frau so schwer, dass sie nach notärztlicher Erstversorgung ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Dreieinhalb Jahre nach dem Übergriff gelang es indes nicht, höhere Strafen gegen die Beschuldigten zu erwirken, da sich nach der großen Zeitspanne zwischen dem Überfall und der Gerichtsverhandlung Widersprüche in den Aussagen von ZeugInnen ergaben. Mitglieder der lokalen Neonaziszene verließen den Gerichtssaal daraufhin nach der Urteilsverkündigung mit einem Siegerlächeln und fuhren hupend davon.
Stefan Brauneis, Pressesprecher des Treibhaus e.V. nannte das Urteil eine Enttäuschung. „Der Brandanschlag einen Tag nach der Gerichtsverhandlung zeigt: Solch milde Urteile helfen nicht, militante Neonazis von gewaltsamen Einschüchterungsversuchen abzubringen.“ Wo Menschen mittels Gewalt an der Ausübung ihrer demokratischen Grundrechte gehindert werden sollen, müsse der Staat mit besonderem Nachdruck aktiv werden. Brauneis weiter: „Rechtsextreme Übergriffe müssen bei der Staatsanwaltschaft mit besonderer Priorität behandelt werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass rechte GewalttäterInnen ihren Kopf aus der Schlinge ziehen können, weil die Verfahren erst nach Jahren zum Abschluss kommen.“ Zudem sei es notwendig, solche Verfahren besonders intensiv vorzubereiten. So dürfe es z.B. nicht passieren, dass weder RichterIn noch Staatsanwaltwaltschaft über weitere laufende Verfahren von ZeugInnen oder Beschuldigten informiert seien.
Kati Voigt, Mitarbeiterin des Treibhaus e.V. ergänzt: „Seit Jahren weisen wir als Verein darauf hin, dass die lokale Neonaziszene ein Objekt in der Reichensteinstraße als Rückzugsraum und Konzerthalle benutzt. Es ist bekannt, dass das Gebäude wichtig für die Szene ist, um sich zu organisieren und Strukturen zu festigen. Dennoch ist dies bis heute kein Thema in der Stadt. Initiativen gegen die Nutzung des Objekts durch Neonazis wären aber dringend angezeigt.“