Der Sächsische Landtag debattierte am 30.10.2025 auf Antrag der Linken über das „Stadtbild“ und die Konsequenzen der von Friedrich Merz angestoßenen Diskussion. Meine Beitrag:
In der Nacht zum 24.10.2010, vor nunmehr also 15 Jahren, wurde der damals 19 jährige Kamal Kilade im Park am Leipziger Hauptbahnhof von zwei Männern attackiert, er verstarb wenig später an den Verletzungen. Auch das Landgericht sah es in seinem Urteil als erwiesen an, dass Kamal sterben musste, weil die beiden Täter – beide aus dem organisierten Neonazispektrum – einen Ausländer als nicht lebenswert erachteten. Kamal gehörte für die Täter nicht nur nicht ins Stadtbild, sondern nicht zu dieser Gesellschaft, dafür musste er mit dem Leben bezahlen. Er ist einer von mindestens 18 Todesopfern rechter Gewalt in Sachsen, von denen nur 11 offiziell anerkannt sind.
Und um das Bild des Stadtbildes weiter zu drehen: Heute säumt die Stelle, an der Kamal sein junges Leben verlor, ein Gedenkstein, ein Ort, der mit seiner Familie erkämpft werden musste. Erst vor wenigen Tagen haben wir mit seiner Mutter vor Ort gedacht.
Rechte Jugendkulturen, Einschüchterung, Drohung und Gewalt: Das ist für viele Menschen in Sachsen bittere Realität, vor allem im öffentlichen Raum. Die Zeit der Baseballschlägerjahre, in denen es Menschen mit bunten Haaren und alternativem Aussehen in manchen Orten schwer hatten unbeschadet auf der Straße unterwegs zu sein, sie scheinen zurück.
Denken wir nur an die CSDs vor allem jenseits der großen Städte, wenn sich bunte, vielfältige, queere Menschen für ein paar Stunden den öffentlichen Raum nehmen, dann sind Hasskommentare und rechte Mobilisierungen nicht weit. Unsichtbar sind aber die vielen rassistischen Anfeindungen, die Menschen ertragen müssen, die phänotypisch nicht dem Zerrbild des Deutschseins entsprechen. Genau jene hat Kanzler Merz pauschal in den Negativfokus gerückt, der Begriff Stadtbild steht dabei in seiner Wirkung für den Begriff Gesellschaft.
Und genau das ist Wasser auf die Mühlen, derer, die nicht vor Gewalt zurückschrecken. Fast jeden Tag gab es in Sachsen im vergangenen Jahre einen rechtsmotivierten Angriff. Laut Statistik der Support-Opferberatung war etwa die Hälfte dieser Angriffe rassistisch motiviert, doch auch die auf Nicht-Rechte Menschen haben sich rapide erhöht.
Wenn dann die CDU landaufland ab auf der kommunalen Ebene keinerlei Scheu hat immer wieder mit der gesichert rechtsextremen AfD gemeinsame Sache zu machen, wie jüngst bei der Ablehnung der Spendenannahme für das Netzwerk für demokratische Kultur in Wurzen oder bei der Absetzung der Integrationsbeauftragten in Pirna – dann ist das ein Verstärker für diese Stimmung, es ist eine Ermutigung von Neonazis und eine Entmutigung für Betroffene.
Und ich will hier nochmal klar den Punkt machen, dass uns die schon immer absurde Extremismustheorie, das Reden von den gefährlichen politischen Rändern in die Sackgasse bringt und das Problem vernebelt: Denn das liegt im menschenfeindlichen Hass und dem ideellen und praktischen Ausschluss von Menschen aus der Gesellschaft.
Und darum ist es richtig dass auch in Sachsen an vielen Orten lauthals protestiert und symbolisch gezeigt wird, dass Menschen mit Migrationsgeschichte Teil der Gesellschaft sind und wir uns nicht auseinanderdividieren lassen. Doch es geht um mehr als um die Verteidigung von Vielfalt.
Es geht um Widerstand gegen eine Politik von Exklusion und Ungleichheit. Armut und Wohnungslosigkeit, die das Stadtbild vermeintlich stören, sind Resultat einer falschen Politik. Verdrängung und Wegordnen sind die falschen Mittel. Vielmehr braucht es eine gerechte Sozialpolitik und eine Umverteilung von Reichtum. Dafür werden wir als Linke einstehen. Aufhetzende Ablenkungsmanöver sind die falsche Antwort.