Im Februar 2016 trat der ehemalige hochrangige NPD-Funktionär und Führungsperson der so genannten Freien Kräfte Maik Scheffler in einer Schule im Landkreis Mittelsachsen als „Aussteiger aus der rechten Szene“ auf: dreizehn Monate nach seinem Austritt aus der NPD.
Der gelinde gesagt kurze Weg von einer zentralen Figur der Naziszene in Sachsen und rund 20 Jahren Mitwirkung in der rechten Szene hin zum geläuterten Bürger, der ehrenamtlich Geflüchteten die deutsche Sprache beibringt macht jedoch skeptisch.
Ich habe darum eine Kleine Anfrage an die Sächsische Staatsregierung gerichtet, um etwas mehr über die Arbeitsweise der Aussteigerprogramme in Sachsen zu erfahren.
In Sachsen gibt es ein Aussteigerprogramm, das aus Landesmitteln finanziert wird. Scheffler durchlief allerdings nicht dieses Projekt, sondern das vom Bundesprogramm EXIT unterstützte Aussteigerprogramm „ad-acta“ vom Verein Projekt 21 II e.V., der sich auch „Bündnis zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ nennt. Die Kriterien von „ad acta“ lassen sich nicht transparent erschließen.
Eine Schlüsselfigur der sowohl parteipolitischen als auch parteiungebundenen Naziszene reichlich ein Jahr nach seinem Austritt aus der NPD auf SchülerInnen loszulassen, zeugt jedoch nicht von hohen Ansprüchen und Professionalität. Das meint auch die Staatsregierung: „Für das Aussteigerprogramm Sachsen des Freistaates sind […] konzeptionell keine Auftritte von
Aussteigern im Rahmen von schulischen Bildungs- und Präventionsangeboten vorgesehen oder in Planung, da eine nachhaltige pädagogische Wirkung, insbesondere eine präventive „Immunisierung“ junger Menschen, „nicht ersichtlich bzw. nachgewiesen ist und die Etablierung von „hauptamtlichen Aussteigern“ im Sinne eines erfolgreichen Beratungsprozesses als nicht zielführend angesehen wird“.
Ein erfolgreicher Ausstieg an und für sich wird an folgenden Kriterien gemessen: „1. Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland/ 2. Distanzierung und Abkehr von extremistischen und demokratieablehnenden Szenen und Gruppen (deren Ideologien, Verhaltenskodex, Aktivitäten und Lifestyle)/ 3. Anstreben einer gewalt- und deliktfreien Lebensführung sowie 4. soziale Stabilisierung und Entwicklung einer Zukunftsperspektive“. Darüber „fließen Veränderungen im Einstellungssyndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in die Beurteilung eines
Ausstiegserfolges ein“.
Dass diese doch hohen Hürden von Scheffler in so kurzer Zeit genommen wurden, darf mit Fug und Recht angezweifelt werden. Ein auf dem Portal „leipzig.antifa.de“ veröffentlichter Artikel beleuchtet den Weg des Austritts aus der NPD und die Motivation Schefflers detailliert.
Herausgestellt seien die Leaks von Gesprächsmitschnitten zwischen dem Neonazi Alexander Kurth und Scheffler aus dem Zeitraum Dezember 2014 und März 2015, aus denen recht
einfach zu schließen ist, dass ein Austritt aus der NPD längst kein Ausstieg aus der Szene oder eine Revision menschenfeindlicher Einstellungen bedeutet. („Ein Austritt ist kein Ausstieg“ kommentierte Scheffler selbst und erst Ende April 2016 auf linksunten-indymedia – der Kommentar ist inzwischen gelöscht). Auch die Wortmeldung von Maik Scheffler im
Namen des von ihm mit initiierten „Bürgerbündnis Delitzsch“, das sich in Reaktion auf den Mord an einem Asylsuchenden in der Massenunterkunft in Delitzsch-Spröda, reißerisch eben dort inszenierte, sorgt für Erhellung. Darin heißt es u.a. „Berlin handelt demnach [gemeint ist die „unerträglich gescheiterte“ Asylpolitik] zum Schaden des eigenen Volkes und zum Schaden vieler Menschen, welche vor Krieg und religiöser Verfolgung zu uns flüchten. Und weil man
aufgrund der eigenen Unfähigkeit und Inkompetenz keine vernünftige Argumentation mehr findet, schlägt man unter Zuhilfenahme der Meinungspolizei auf jeden kritischen Aufschrei mit Verbalknüppeln, wie „Pack“, „Rassist“, „Nazi“ usw. ein.“ Allein der Duktus dieser Erklärung erinnert stark an Nazi-Reden und Pegida-Populismus.
Dass selbst die Kindervereinigung Leipzig sich hinreißen ließ Scheffler im Rahmen eines Fachtages Ende April 2016 in Leipzig eine Plattform zu geben, irritiert hochgradig.
In diesem Fall kann sich der Skepsis der ExpertInnen der Staatsregierung, die aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage spricht, angeschlossen werden. Anstelle zweifelhaften Nazi-Aussteigern eine Plattform zu geben, Räuberpistolen über ihre Nazizeit zum Besten zu geben oder eine Referenz mehr hin zum „sauberen Lebenslauf“ zu bekommen, sollte das (pädagogische) Hauptaugenmerk auf das Erlernen von Empathie mit Geflüchteten oder
Betroffenen rechter Gewalt gelegt werden.
Hallo Frau Nagel,
ich glaube es wird Zeit, dass wir uns mal kennenlernen.
Mein Name ist Michael Ankele. Ich bin
der Leiter des Aussteigerprojektes „ad acta“.
Nichts ist besser als ein Gespräch.