Im Dezember-Landtagsplenum forderte die AfD-Fraktion in dumpfer Weise die Abschaffung des Ministeriums für Gleichstellung und Integration und damit des einzigen Ministeriums, das ein Lichtblick im sächsischen Regierungsreigens ist. Meine Rede zur Großen Anfrage samt Entschliessungsantrag der nationalkonservativen Fraktion:
Thema: Zweieinhalb Jahre Staatsministerin für Gleichstellung und Integration beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz (zur Großen Anfrage und zum Entschließungsantrag)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
sehr geehrte Frau Köpping,
Die vorliegende Große Anfrage zur Halbzeitbilanz der Ministerin für Gleichstellung und Integration und vor allem der beiliegende Entschliessungsantrag machen in plumper Weise klar: Die AfD will das Ministerium abschaffen. Mit Gleichstellung, Integration und demokratiefördernder Arbeit will man bei der AfD nichts zu tun haben, die sollen entweder getilgt oder zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden.
Wir aber sind der Meinung: Das kleine Ministerium hat in den vergangenen drei Jahren mit einer überaus prekären Besetzung und Ausstattung zahlreiche wichtige und richtige Projekte auf den Weg gebracht, hat an vielen Stellen vor allem im Bereich der Integrations- und Migrationspolitik Pionierarbeit geleistet und hat dieses Land damit etwas lebenswerter gemacht. Die Ministerin war bei zahlreichen Terminen vor Ort und hat Menschen Mut gegeben, hat Engagement für ein gleichberechtigtes und solidarisches Miteinander symbolisch unterstützt und hat Brücken gebaut. Dafür gebührt ihr und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein großer Dank! Und wir sprechen hier nicht über gesellschaftliche Randfragen, über Orchideenthemen oder sonstiges „Gedöns“, wie es wohl auch so mancher beim größeren Partner der Regierungskoalition denken mag. Wir sprechen hier auch nicht über ideologisch ausgerichtete Arbeit, wie es die Hetzer der AfD behaupten.
Nein, wir sprechen im Hinblick auf die Arbeitsbereiche des SMGI über existentielle Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des sozialen Friedens. Ein Frieden, den insbesondere die AfD und ihre Helfershelfer immer wieder bedrohen.
Nur ein Beispiel am Anfang. Die Bierdeckel. Wenn sie die Antworten auf ihre Anfrage gelesen hätten, würden sie auch nicht derart abstruse Konsequenzen ziehen. Die AfD schreibt, ich zitiere: „Beispielsweise wurde auf den Bierdeckeln des SMGI behauptet, dass Ausländer nicht krimineller als Deutsche seien.“ Ich finde ja, wer mit Fakten kommen will, sollte sich selbst an die Fakten. Auf dem Bierdeckel wird nämlich eine Behauptung mit Fakten widerlegt: Zitat: „Die Statistik zeigt: Zuwanderer sind nicht krimineller als Deutsche“. Und diese Aussage stammt nicht vom SMGI, sondern, man höre und staune, vom Bundeskriminalamt vom Juni 2016. Das steht übrigens auf dem Bierdeckel, das hätte man sehen können, wenn man es sehen will. Sei es drum, das BKA hatte also damals gerade den ‚Lagebericht „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“‘ herausgegeben und erklärt, dass und warum Zuwanderer nicht krimineller als Deutsche sind. Sie versuchen nun also, diese Aussagen des BKA aus dem Jahr 2016 zu widerlegen, und zwar mit sächsischen Teilstatistiken. Ihren Zahlensalat zu widerlegen soll hier nicht mein Geschäft sein. Ich empfehle dafür die regelmäßige Lektüre des Projektes AfDwatch Sachsen.
An dieser Stelle soll es also um wirklich wichtiges gehen: Die Arbeit des SMGI. Spätestens die zweite Ausgabe des Sachsenmonitors – wir haben heute Morgen darüber debattiert – führt uns vor Augen, wie wichtig eine aktive und moderne Gleichstellungspolitik, und wie wichtig Integrations- und Demokratieförderung in diesem Lande sind. Die weite Verbreitung rassistischer, homofeindlicher und demokratieskeptischer Einstellungen in Sachsen zeigen, dass es in den Arbeitsbereichen des SMGI gelinde gesagt noch Luft nach oben gibt und dass es das Ministerium zu stärken statt abzuschaffen gilt.
Für den Bereich der Migrations- und Integrationsarbeit lässt sich mit Fug und Recht sagen, dass das SMGI hier Pionierarbeit geleistet hat. Von 300.000 Euro im Jahr 2014 ist der Etat für diese Aufgaben auf zirka 10 Millionen Euro jährlich gewachsen, und das finden wir richtig. Die verlässliche Förderung der Flüchtlingssozialarbeit, von Vereinen und Organisationen, aber auch kommunaler Aufgaben, von Sprachkursen und Koordinationsstellen – diese Elemente einer aktiven Teilhabeförderung sind mit Petra Köpping und ihrem Geschäftsbereich Realität geworden. Das gab es vorher schlicht und einfach nicht.
An das SMGI sei an dieser Stelle gerichtet, dass all die in den letzten drei Jahren angebauten und unterstützten zarten Pflänzchen dringend Pflege und Stabilisierung brauchen. Zum einen durch eine stabile, verlässliche Förderung, zum anderen sind wir der Meinung, dass wir in Sachsen über das ZIK II hinaus ein Integrationsgesetz brauchen, ein Gesetz, das Integration als gesamtgesellschaftlichen Prozess denkt, interkulturelle Öffnung verbindlich regelt, das institutionalisierte Beteiligungsmöglichkeiten für MigrantInnen und soweit möglich Rechtsansprüche auf Teilhabe an dieser Gesellschaft schafft.
Kommen wir zur Gleichstellung. Die Fragen der Großen Anfrage sind so banal, dass es sich wohl empfehlen ließe, dass die AfD sich mal ein Lexikon zulegt, um den Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung herausfinden zu können, anstatt das Ministerium zu behelligen. Aber es geht nicht um Erkenntnisgewinn, mit dem sich politische Initiativen generieren ließen, es geht um dumpfe Brüllerei und Realitätsverfälschung.
Werfen wir dazu einen Blick auf die abgefragte Statistik zur Verteilung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb der Staatsverwaltung. Die AfD leitet hier ab, dass „der Frauenanteil aller sächsischer Behörden den Männeranteil übersteigt und es daher keinen sachlichen Grund zur Frauenförderung in sächsischen Behörden gibt“.
Ich will Ihnen hier nur ein paar Beispiele nennen, die der Antwort auf die Große Anfrage entnommen sind. Die EinreicherInnen hätten sie vielleicht mal lesen müssen. Es kommt in der gesamten Staatsverwaltung, allen Ministerien und nachgeordneten Behörden nur einmal vor, dass mehr Frauen als Männer die erste Führungsebene besetzen – und das ist, wenig überraschend, das Sozialministerium. Es kommt ebenfalls nur einmal vor, dass die erste Führungsebene paritätisch besetzt ist (im Kultusministerium). Insgesamt ist noch nicht einmal jede 5. Position in der ersten Führungsebene mit einer Frau besetzt, in 5 Ministerien ist hier keine einzige Frau zu finden. Der einzige Bereich, in dem der Anteil der Frauen in der Behörde insgesamt im Frauenanteil in der 1. Führungsebene widergespiegelt ist, sind Grund- und Förderschulen. Das derzeit stark diskutierte Thema der Verbeamtung von Lehrkräften sieht aus gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten düster aus: obwohl insgesamt deutlich mehr Frauen in Schulen unterrichten als Männer, sind durchweg weniger Frauen im Beamtenverhältnis als Männer.
Ich denke, dieses Verhältnis zeigt sehr deutlich, dass noch erheblicher Bedarf besteht, sehr aktiv für die Gleichstellung der Geschlechter zu arbeiten und zu kämpfen, am wenigsten im Bereich der eigenen Verwaltung.
Noch kurz zur von der AfD am heftigsten bekämpften Queerpolitik: Ja, wir stehen zum Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen, auch wenn er hinter unseren Erwartungen zurückbleibt. Entscheidend wird die Umsetzung sein, dafür muss sich der Beirat mehr als einmal im Jahr treffen, müssen Evaluation und Fortschreibung garantiert sein.
Zum – last but not least – Thema der Demokratieförderung hat die AfD in ihrem Antragspamphlet dann doch nicht so viel zu sagen. Aber dies hat nichts zu tun mit einer Erkenntnis, dass es hierzulande tatsächlich ein Rassismus- und ein Naziproblem gibt, das sich dieser Tage auch wieder in Gewalt gegen Linke und MigrantInnen Ausdruck verleiht. Nein, das Problem wird als Extremismus gelabelt, und damit vernebelt. Ich will es nochmal ganz pädagogisch versuchen: Während rechte Ideologien die Gleichheit der Menschen im Grund antasten und sich damit gegen die Menschenrechte wenden, basiert linke Weltanschauung auf der Verteidigung von Menschenrechten. Die grundsätzliche Differenz zwischen den hier immer wieder gleich gesetzten Polen lässt sich wohl am besten an den sachsenweiten An- und Übergriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte einerseits und denen, die sich vor die Unterkünfte stellen und Solidarität organisieren illustrieren.
Ich will es klar sagen; Ja, es gibt demokratiegefährdende Bestrebungen in diesem Freistaat. Diese präventiv anzugehen einerseits und Ausstiegsmöglichkeiten anzubieten andererseits ist ein Arbeitsschwerpunkt des SMGI und das ist gut so.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Programm „Weltoffenes Sachsen“ in den Bereich des SMGI gewandert ist. Denn es geht eben nicht um ein ordnungspolitisches, sondern ein gesellschaftspolitisches Thema. Dabei kann das WOS und die anderen eher klein dimensionierten Ansätze nicht das leisten, was Kita, Schule, Sportvereine und eine breite angelegte Gemeinwesenarbeit im Alltag leisten können.
Aber wir wünschen uns mehr Transparenz: Den vor Jahren einfach abgeschafften WOS-Beirat gibt es zwar wieder, aber unter Ausschluss der Opposition, um nur ein Beispiel zu nennen.
Eines will ich namens meiner Fraktion ihnen, Frau Köpping explizit auf den Weg geben: Sorgen Sie dafür, dass in Sachsen weiterhin auf die so genannte Extremismusklausel verzichtet wird. Gegen ihren eigenen Koalitionspartner, gegen die AfD und für die demokratische Zivilgesellschaft und die demokratische Kultur in diesem Land!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, das durchsichtige Ansinnen der AfD-Fraktion, den Geschäftsbereich Gleichstellung und Integration im SMS abzuschaffen, weisen wir klar und deutlich zurück. Wir sehen den Geschäftsbereich vielmehr als Grundstein für ein eigenständiges Vollministerium. Das wäre ein deutliches Zeichen, dass die weit verbreitete gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Geschlechterungerechtigkeit, die Missachtung von Minderheiten und die Ablehnung von demokratischen Prinzipien als Probleme ernst genommen und diesen Problemen offensiv die Stirn geboten wird. Vielleicht müssten wir uns dann in naher Zukunft auch nicht mehr mit solch hasserfüllten und realitätsfernen Initiativen, wie wir sie gleich noch mit dem Entschließungsantrag vor uns liegen haben, befassen.
Ihnen Frau Köpping und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünschen wir weiterhin Mut, Kraft und Durchsetzungsvermögen.