Am 29. Januar wurde im Sächsischen Landtag über Silvester, Connewitz, Gewalt von links und die Polizei diskutiert. Beantragt hatte die Debatte die CDU, die dies gemeinsam mit der AfD auskostete und sich dabei massiv auf meine Person fokussierte. Immerhin: Der Innenminister räumte schlussendlich ein, dass es in der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Fehler gab. Ich dokumentiere hier meine Rede (Video auf landtag.sachsen.de) und mein Redemanuskript, das ich nicht ganz durchgehalten habe.
Im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit in diesem Saal war ich zu Silvester vor Ort, vor Ort in Connewitz.
Ind der Ausnahmezustand war schon seit den Mittagsstunden sichtbar, ein Polizeihubschrauber, der über dem Viertel kreiste und ab den späten Nachmittagsstunden Bereitschaftspolizei.Streifen durch die Straßen Connewitz‘im Minutentakt, später verdachtsunabhängige Kontrollen an allen Ecken und Enden. Die Freundin einer Bekannten, die sich mit ihren Kindern im Stadtteil aufhielt, sagte, dass die Situation für sie gespenstisch gewesen sein.
Zu den Ereignissen 15 Minuten nach dem Jahreswechsel ist viel geschrieben und berichtet worden: Ja, es flogen Böller durch die Luft, wie überall, auch in Richtung der Polizei, provokativ und in voller Montur zwischen den Feiernden stand.
Ja, ein Polizei ist attackiert und verletzt worden, ebenso wie zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten durch die Polizei. Das ist zu verurteilen, das geht gar nicht!
Ich sage es auch an dieser Stelle: In dieser Nacht setzte die Polizei auf eine krasse Eskalation: Immer wieder rannte sie in Stoßtrupps in Menschenmengen, rannte Unbeteiligte um, oder über bereits gestürzte hinüber, schlug wahllos Menschen. Sehr geehrte Damen und Herren, das war schockierend und traumatisierend.
Wie bereits erwähnt und erörtert, hat die Polizei noch in der Silvesternacht falsche Informationen in die Welt gesetzt und diese bis heute trotz besseren Wissens nicht richtig gestellt
Das betrifft die Information über eine Notoperation, die es nicht gegeben hat, über den Helm, der dem verletzten Polizisten vom Kopf gerissen worden sein soll, über einen brennenden Einkaufswagen, der in Richtung einer Polizeikette geschoben worden sein soll, was er aber nicht wurde, und das betrifft die namentliche Nennung einer Privatperson, die die Polizei via Twitter kritisiert hatte.
Die Polizei ist zu Silvester und im Nachgang als als politischer Akteur aufgetreten. Und das steht ihr nicht zu!
Der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr sagt dazu: Im Fall von Connewitz hat das Kommunikationsdesaster nicht ein unerfahrener Polizeimeister vor Ort, sondern der Polizeipräsident zu verantworten.“
Im Gegensatz zu den meisten Vorredner*innen sage ich an dieser Stelle offensiv: Der Polizeieinsatz zu Silvester war eine Eskalation mit Ansage. Und die Geschichte beginnt weit vor Silvester.
Seit Wochen, ja Monaten reagiert die Leipziger Polizei zunehmend mit beleidigten, moralischen , wertenden Äußerungen auf Kritik. Das geht soweit, dass Abgeordnete über die Presse aufgefordert werden sich zu Sachverhalten zu positionieren oder Wahlkampfmaterialien durch die Polizei bewertet werden. Das geht soweit, dass Veranstalter von Demonstrationen, auf denen Rufe skandiert werden, die sicher Geschmackssache, aber von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, von der Leipziger Polizei per Pressemitteilung gemaßregelt werden. Das geht soweit, dass Menschen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit genommen wird, wie am 9.10. dem Tag des Attentats in Halle in Leipzig geschehen. Roter Faden ist dabei eine wahrliche Hatz auf den Stadtteil Connewitz.
Und ich kann ihnen als gebürtige Connewitzerin, die dort auch heute stark verwurzelt ist, sagen, dass das die Menschen im Stadtteil nervt.
Die Polizei, die den Stadtteil regelmäßig belagert und die Bewohner*innen mit repressiven Sondermaßnahmen schikaniert, der rechte Teil des politischen Spektrums, der in Connewitz die Reinkarnation des Verderbens sehen, oder Teile der Medien, die den Stadtteil zum Hort von Gewalt stilisieren. Ich kann ihnen sagen: Entspannen Sie sich. Der Freistaat Sachsen sollte sich stolz zeigen, dass es Connewitz gibt. Hier liegt die Kriminalitätsrate unterm dem Stadtdurchschnitt, hier sind die Bewohner*innen überdurchschnittlich gesellschaftlich engagiert, hier gibt es eine ausgeprägte nachbarschaftliche Solidarität, hier haben Rassismus und Neonazismus keinen Platz!
Ja, die Polizei übt in diesem Staat das Gewaltmonopol aus. Das heißt aber nicht dass sie unantastbar ist. Das heißt nicht dass wer die Polizei kritisiert, gleichzeitig Gewalt gegen die Polizei legitimiert. Sie können von den Menschen in diesem Land nicht verlangen, dass sie die Polizei lieben. Ein zentrales, wesentliches Element des demokratischen Rechtsstaates ist der Schutz vor staatlicher Willkür. Das Grundgesetz vereint vor allem Abwehrrechte der Bürger*innen gegen den Staat. Insofern ist eine demokratische Kontrolle staatlichen Handelns zwingende Notwendigkeit. Dazu gehört auch kritisches Hinterfragen polizeilichen Handelns durch mündige Bürger*innen.