Aus den 67 Bewerbungen zum Sächsischen Förderpreis für Demokratie wurden zehn Nominierte ausgewählt. Darunter ist das Leipziger Projekt Chronik.LE – Dokumentation und Analyse faschistischer, rassistischer und diskriminierender Aktivitäten in und um Leipzig.
Quelle: www.mut-gegen-rechte-gewalt.de, von Nora Winter (stern-Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“) und Bastian Wierzioch* (mdr Figrao), 31.10.2011
„In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober kam es auf dem Stadtfest in Borna zu gewalttätigen Übergriffen durch Neonazis. Unter den Besucher_innen befanden sich neben zahlreichen Neonazis aus Borna, Geithain und Umgebung auch drei nicht-rechte Jugendliche. Als diese im Laufe des Abends auf eine Gruppe von etwa zehn Nazis trafen, wurde einer der drei Jugendlichen mit Bier überschüttet und geschlagen. Die Angegriffenen versuchten daraufhin, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen. Dabei wurden sie von einer weiteren Gruppe von Nazis mit Bier überschüttet und mit Gegenständen beworfen. Sie erlitten dabei leichte Verletzungen.“
Einträge dieser Art finden sich erschreckend viele in der Chronik. Hakenkreuz-Schmierereien, gewalttätige Angriffe, Parolengegröle. Chronik.LE dokumentiert zahlreiche solcher Vorfälle in und um Leipzig. Dabei setzen die Macher auf die Beteiligung lokaler Initiativen und Gruppen. Die Chronik ist also auch ein Ergebnis der Zusammenarbeit von vielen Engagierten im Raum Leipzig. „In der ersten Jahreshälfte 2008 haben wir eine Zunahme an Naziaktivitäten bemerkt“, sagt Jens Frohburg, Pressesprecher der Initiative. „Wir haben gemerkt, dass es Informationsbedarf gibt und den wollten wir decken.“ Die Engagierten von Chronik.LE sammeln und veröffentlichen die eingereichten Berichte über rechtsextrem motivierte Vorfälle. Seit 2008 entstanden so mehr als 1.000 Einzelmeldungen.
Sammeln, veröffentlichen, sensibilisieren
Chronik.LE möchte damit die Zivilgesellschaft sowie Akteurinnen und Akteure von Politik und Medien gegen rechte Ideologien unterstützen. „Wir möchten durch Dokumentarberichte und Archivquellen für die Themen Diskriminierung und Neonazismus sensibilisieren“, sagt Frohburg. Damit können auch Anreize für neue Handlungsschwerpunkte gesetzt werden. Das Projekt will so viele Vorfälle wie möglich in und um Leipzig erfassen, die in das Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit hineinfallen. Bedingung der Dokumentation ist die Verifizierbarkeit der Ereignisse. Parallel zur Dokumentation werden zudem auch Analysen zu besonderen Problembereichen veröffentlicht.
Aktiv genutzt
„Wir haben den Eindruck, dass die Chronik sehr viel genutzt wird. Wir haben hohe Zugriffszahlen“, sagt Frohburg. „Auch die Stadt Leipzig verweist in ihrer kommunalen Gesamtstrategie im Rahmen des Bundesprogramms ‚TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN‘ auf uns. Ebenso recherchieren überregionale Medien für Reportagen in der Chronik“, betont Frohburg. „Wir waren über die große Resonanz positiv überrascht.“ Leider zeige die regionale Tageszeitung, die Leipziger Volkszeitung, nicht so starkes Interesse. Sie werde aber oft auch selbst von lokalen Initiativen für ihre Berichterstattung kritisiert.
„Über die Nominierung haben wir uns sehr gefreut. Das ist eine schöne Anerkennung unserer Arbeit. Zudem wollen wir nächstes Jahr erneut die ‚Leipziger Zustände‘ veröffentlichen, wofür wir finanzielle Unterstützung gebrauchen können“, meint Frohburg.
*Bastian Wierzioch ist Reporter und Redakteur des MDR Figaro, Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig und gehört zur Jury des Sächsischen Förderpeises für Demokratie 2011.