In Folge 11 der linXXnet-TalXX spreche ich mit Lisa von CopWatch LE. Es geht um das breitgefächerte Spektrum der momentanen Grundrechtseinschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie und deren gesellschaftliche Auswirkungen sowie aktuelle Erscheinungsformen polizeilichen Agierens unterhalten.
CopWatch LE versteht sich als linksradikale Gruppe, die vor allem autoritäre Verschärfungen polizeilicher Befugnisse, diskriminierende Kontrollen und folgenlose Polizeigewalt analysiert, Gegenstrategien entwickelt und Betroffenen eine Anlaufstelle bieten will.
Zu Beginn unseres Gesprächs haben wir uns dem Spannungsfeld der momentanen Beschränkungen des öffentlichen Lebens gewidmet, die einerseits angesichts der Pandemie notwendige Maßnahmen enthalten, anderseits aber gleichzeitig »grundlegende Prinzipien von demokratischen oder rechtsstaatlichen Verfahren ausgesetzt« sind, wie Lisa findet. Außerdem gibt sie zu bedenken, dass die in den vergangenen Wochen neu geschaffenen Einschränkungs- und Überwachungswerkzeuge jederzeit auch in anderen Situationen abseits gesundheitlicher Notlagen eingesetzt werden könnten. Zu wessen Gunsten dies geschehen würde, scheint angesichts der derzeitigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse mehr als klar.
Ein weiterer Kritikpunkt von CopWatch an den derzeitigen Maßnahmen ist die Art und Weise, wie die Regierungen die Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte an die Bevölkerung kommunizierten. Statt Aufklärung über die enormen Gefahren des Virus‘ für unser Zusammenleben und dem Vertrauen des Staates in die Vernunft der Menschen, die Kontaktbeschränkungen freiwillig einzuhalten, agierten die Regierenden mit autoritärem Vokabular und einschüchternden Strafandrohungen. Auch dadurch bedingt hat sich zwar die große Mehrheit an die Regularien gehalten, jedoch maßgeblich aus Angst vor Geldbußen und nicht vor allem aus persönlicher Solidarität mit den besonders gefährdeten Menschen heraus.
Dass ebenjene Art der Herangehensweise an diese außergewöhnliche Situation unkritischer Staatshörigkeit den Boden bereitet, ist offensichtlich. Gerade deshalb setzen die Regierungen wie in Bayern oder Sachsen auch auf solchartige »symbolpolitischen Maßnahmen«, wie Lisa sie nennt. Wie wir daran anknüpfend im Talk beleuchten, gipfelten diese in der Umkehrung des eigentlichen Prinzips bürgerlicher Freiheiten: Nicht der Staat muss sich rechtfertigen, wenn er die Grundrechte der Menschen beschneiden will, sondern die Menschen müssen sich dem Staat gegenüber dafür verteidigen, ihre Grundrechte in Anspruch zu nehmen. In Form des Verbots des Verlassens der Wohnung ohne »triftigen Grund« wurde diese Haltung dann in konkretes Staatshandeln umgemünzt.
Im zweiten Teil des Talks besprechen wir das Kernthema von CopWatch während Corona: Das Agieren der Polizei insbesondere gegenüber marginalisierten Gruppen. Deren Probleme beginnen bereits damit, dass die für Nicht-Muttersprachler*innen in diesen Tagen existenziell wichtigen Übersetzungen der aktuellen Corona-Verordnungen oft erst Tage nach deren Bekanntgabe zur Verfügung stehen. Besonders gefährdet sind sie jedoch durch polizeiliches Fehlverhalten, welches momentan noch weniger als sonst durch eine kritische Zivilgesellschaft begleitet werden kann.
Da die Polizei nicht in der Lage ist, alle Menschen zu kontrollieren, trifft sie eine Vorauswahl – und diese sieht dann oft so aus: Migrantisch gelesene Personen geraten mittels Racial Profiling besonders in den Fokus, genauso wie Obdachlose und andere Gruppen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Aber auch gleichgeschlechtliche Paare müssen sich plötzlich dafür rechtfertigen, weil die Polizei sie verdächtigt, in keinem partnerschaftlichen Verhältnis zueinander zu stehen. All das reiht sich ein in weitere Formen problematischen Verhaltens der Polizei während dieser Zeit.
Zum Schluss unseres Gesprächs kommen wir dabei auch auf konkrete Beispiele aus Sachsen zu sprechen, wie etwa die »Jagd« einer BFE-Einheit auf fußballspielende Jugendliche an der Leipziger Eisenbahnstraße. Abseits davon wollten wir aber auch nicht vergessen, ein wenig vorauszuschauen, was eigentlich nach Corona an gesellschaftlichen Veränderungen bleiben könnte: sicherlich nicht wenige neue repressive Werkzeuge, aber vielleicht ebenso neue Chancen nachhaltiger Solidarität?
Wer den gesamten linXXnet-Talk mit Lisa von CopWatch hören will, klickt hier: https://youtu.be/n3V8rD2SeY0
PS: Leider ist uns nach der Aufzeichnung die Videospur verloren gegangen, also gibt’s das Gespräch diesmal bloß als reinen Podcast ;)
Zum Blog von CopWatch geht’s hier: https://copwatchleipzig.home.blog