Auf die Perspektive kommt es an oder: viel Lärm um nicht besonders viel

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Diverse Medien haben in den vergangenen Tagen ein Plakat, das in einem auch von mir finanzierten Büro in der Dresdner Neustadt hängt, oder vielmehr den Fakt, dass es dort hängt skandalisiert. Das Plakat trägt die Aufschrift „Am Dritten Oktober – Antifa Action Day – Einheitsfeier zum Desaster machen“ und zeigt ein Haus und Menschen, die dabei sind Dinge zu werfen.
Aber der Reihe nach:

Seit November 2015 finanziere ich ein Ladenprojekt in der Dresdner Neustadt gemeinsam mit meinem Landtagskollegen Lutz Richter und der Europaabgeordneten Cornelia Ernst. Es handelt sich dabei nicht um ein klassisches Abgeordnetenbüro, sondern einen Raum, der von diversen politischen Gruppen und Projekten genutzt wird. Die klassischen Hierarchien zwischen Geldgeber*innen aka Parlamentarier*innen und Nutzenden gibt es nicht. Das ist nicht unriskant, aber entspricht meinem Grundgedanken von emanzipatorischer Politik auf Augenhöhe.
Am Freitag, 16. September schickte eine Person eine Mail an die Fraktionen des Sächsischen Landtags (SPD, Grüne, AfD, CDU und LINKE) und an die Mopo24, DNN und Sächsische Zeitung, mit der der „demokratiefeindliche“ Gehalt des Plakatmotives kritisiert und folgende Fragen gestellt wurden:
„Welche Verbindung hat die Partei Die Linke zur Antifa? Unterstützt die Partei Die Linke
die Antifa bei Aktionen, welche sich gegen unsere demokratische Grundordnung
sowie der verfassungrechtlich garantierten Presse- und Meinungsfreiheit richten?“

Die Sächsische Zeitung machte am 17.9.2016 das Debut mit einem recht sachlichen Artikel, der die Reaktion der Bürofinanciers wiedergab. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Am 20.9. folgten Mopo, Bild und Mitteldeutsche Zeitung. Insbesondere bei den beiden Boulevard-Blättern wurde der Ton schärfer. Während die Mopo wider besseren Wissens titelte: „Linkspartei ruft mit Plakaten im Schaufenster zur Gewalt auf“, tischte die  BILD Leipzig noch eine ganz andere Geschichte auf, nämlich einen Mobilisierungsvortrag mit dem Titel „Die Einheitsfeier crashen“, der im Conne Island in Leipzig stattfinden und zu den Protesten gegen die Einheitsfeier in Dresden informieren soll. Ganz AfD-like wird darin mehr oder weniger subtil die städtische Finanzierung des Projektes angeprangert.
Schlussendlich lässt es sich auch die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag nicht nehmen, mit dem Conne Island und mir zwei Lieblingsfeinde zu fokussieren.

819588d632d5e62088e4268dd5a92adeUnd nun? Viel Lärm um nicht besonders viel. Statt sich über Gebühr um Verbalradikalismus zu echauffieren, der mir selbst wenig liegt, könnten sich Medien selbst kritisch mit dem Tag der Deutschen Einheit befassen.
Mit der politischen Wende 1989/90 hat der Kapitalismus gesiegt, so die Legende. Gerade in Ostdeutschland bedeutete das – und dies lässt sich ohne jeden Funken von DDR-Verherrlichung sagen – den Bruch und Entwertung von Millionen von Biografien, die rasante Durchsetzung kapitalistischer Prinzipien und ein sich ungehemmt Bahn brechender Nationalismus und Rassismus, der mit den Pogromen in Hoyerswerda und Rostock in die Geschichte eingegangen ist. Heute ist Deutschland eine der führenden Wirtschaftsmächte, führt seit 1999 wieder Krieg und ist heute mehr denn je „Gatekeeper“ der Europäischen Union – und dies alles zu Lasten von hundertausenden, ja Millionen von Menschen. Kritik an der Einheitsfeier in Dresden muss zudem Dresdner und sächsische Zustände in den Blick nehmen, die wie nirgendwo anders für rassistische Hetze und Bedrohung stehen.

Von all dem will die skandalisierende Hatz auf linke Menschen und Projekte nichts wissen. Im Gegenteil passen Plakat und Veranstaltungstitel denen gut in den Kram, die sonst von neoliberalem Ausbeutertum, Alltagsrassismus und Chauvinismus nichts wissen will.
Auf die Fragen des aufmerksamen Bürgers lässt sich nur antworten:

„DIE LINKE ist Teil der antifaschistischen Bewegung in der Gesellschaft, beteiligt sich aber prinzipiell ausschließlich an Aktionen, die vom Konsens der Friedfertigkeit getragen sind. Das Plakat ist keine Motivwahl der Partei.
Kritik an der Art der Einheitsfeierlichkeiten und nationalistischen Bestrebungen in diesem Zusammenhang üben auch wir. Es gibt nicht wenige Menschen, die diese Feiern schon vor ihrem Beginn als Desaster empfinden.“

Lesenswert: Broschüre des Bündnis „Solidarity without limits“ zum 3. Oktober 2016 in Dresden

[Update]

PS: Am Donnerstag, 22.9.16 wurde der Linksfraktionschef im Landtag, Rico Gebhardt, gedrängt zum #plakatgate etwas zu sagen, am Freitag vermeldete die Mopo, dass ich „über das Plakat gelacht“ hätte. Gelacht habe ich allerdings über einen Twitter.Dialog, der sich um die absurde Züge annehmende Berichterstattung der Mopo drehte. Soweit also zum seriösen Anspruch dieser Zeitung.
Mittlerweile hat sich auch das Büro-Kollektiv geäußert und das inkriminierte Plakat kontextuiert.
Am Freitag, 23. September erschien ausserdem eine PM des AfD-Abgeordneten Hütter, der nicht nur das Plakat in meinem Büro in Connewitz gesehen haben will, sondern auch „20 sichtlich linksextremistischen Kreisen zugehörige Personen“, die „möglicherweise die angekündigten Chrash-Aktionen in Dresden abgesprochen haben“, wie „Zeugen beobachteten“.
Vor dem Hintergrund dessen, dass am selben Abend im linXXnet eine Veranstaltung im Rahmen der Interkulturellen Wochen der Stadt Leipzig stattfand und dass Herr Hütter wohl nur neidisch ist, dass sich in einem Abgeordnetenbüro mehr als 2 Personen aufhalten, kann diese Wortmeldung gut und gern unter Ulk verbucht werden.
Dass insbesondere Mopo und Bild sich auf einen Plakat versteifen, aber ausser Acht lassen, dass FaschistInnen um Tatjana Festerling am 3.10. „Merkel ihr blaues Wunder erleben“ lassen wollen, ist bezeichnend. Bei dieser Veranstaltung wird neben dem Kategorie-C-Sänger Hannes Ostendorf auch eine AfD-Politikerin aus Schwerin sprechen. Nebenbei wird die rassistische „Wellenlänge“-Bewegung, die unter besonderer Obhut des AfD-Abgeordneten Hütter steht, aufmarschieren.
Diese Nennung soll keine Verteidigungshaltung markieren. Denn links ist und bleibt wo der Kampf um Menschenrechte ist, egal ob mit oder gegen die, die politische Verantwortung tragen.

4 Gedanken zu „Auf die Perspektive kommt es an oder: viel Lärm um nicht besonders viel“

  1. Hört auf zu „kämpfen“. Eure Ideologie hat einen Staat namens DDR zu Grunde gewirtschaftet. Treibt den Staat, der mich arbeitenden Bürger leben läßt, nicht auch noch in den Ruin. Wenn Ihr Freude am Kommunismus habt, geht nach Kuba. Wenn Ihr Freude an Multi-Kulti habt, ruft nicht alle nach Deutschland. Geht hin, Ihr Deutschlandhasser, wandert aus nach Syrien, Afghanistan, Nigeria….

  2. Nun stelle sich einer vor, die AFD würde ein Ladenprojekt betreiben. Ein Nutzer wäre vielleicht die NPD und keiner will etwas gewusst haben. Die Ohren schmerzen schon beim Gedanken an das linke Geschrei. Wo schon jeder Klamottenladen, der auch nur eine „Thor Steinar“ Jacke verkaufen will, in den Bankrott demonstriert wird. Toleranz wird immer nur für sich eingefordert…
    Und plötzlich sind Bekennerschreiben bei linksunten.indymedia gefaked… Angst vorm eigenen Selbstvertrauen, oder die eigenen Soldaten nicht im Griff ???

  3. Ja, ja Hannes, da hast Du Dich etwas selbst deplatziert. Dass Du Kuba und Nigeria in einen Topf wirfst, zeigt doch Dein beschränktes Wissen. Dümmer geht immer!

    Ich stehe zu Jule und unterstütze ihr Tun. Und das mit vielen Mitstreiter*innen. Venceremos e no paseran!

    Jule, Du weißt, aus welcher Ecke das kommt!

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