Antirassistischer Protest und solidarische Unterstützung von Geflüchteten im Alltag gehören zusammen

In Dresden wird derzeit über neun Standorte zur Unterbringung von Geflüchteten diskutiert. Bereits vier dieser Container-Unterkünfte wurden von Stadtbezirks- bzw. Ortsbeiräten abgelehnt. Die finale Entscheidung liegt beim Stadtrat. Ich habe für eine Solidaritätskundgebung vor der Sitzung des Beirats in Cotta einen Redebeitrag verfasst, der vor Ort gehalten wurde. Der Beirat stimmte am 19. April 23 für den Standort in Dresden-Gorbitz:

Nicht nur in Gorbitz, nicht nur in Dresden, sondern überall in Sachsen und bundesweit organisieren sich derzeit wieder Rassisten gegen die Aufnahme und Unterbringung von schutzsuchenden Menschen, Unterkünfte werden angegriffen wie in Bautzen oder Groß Strömkendorf bei Wismar, es wird gedroht wie in Strelln in Nordsachsen wo Stahlstäbe an der Zufahrt zu einer geplanten Unterkunft installiert wurden. Und es wird gehetzt: In Kriebethal in Mittelsachsen machen AfD und Freie Sachsen gegen 12 junge Geflüchtete mobil, die ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind. In vielen sächsischen Orten marschieren Anwohner*innen bei den Sitzungen kommunaler Vertretungen auf, versuchen diese zu stürmen und verbreiten ein hasserfülltes Klima. Auch aus Leipzig muss ich so etwas berichten: im am Stadtrand gelegenen Leipzig Lindenthal wird im Ort gegen die Nutzung eines Wohnhauses durch 30 Personen stimmung gemacht – mittels zutiefst rassistischer Erzählungen. Vieles erinnert an 2015/ 2016 als ankommende Geflüchtete vor allem in Sachsen massiv um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten mussten.

Und dabei sind rechte, rassistische und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen keine Sache gesellschaftlicher Randgruppen oder jugendlicher Neonazis. Spätestens seit 2014/15 hat sich ausgehend von den Pegida-Aufmärschen, asylfeindlichen Erhebungen über die Proteste gegen Corona-Maßnahmen und russlandfreundlichen Aufmärsche ein rechtes Milieu konstituiert, das sich aus einem breiten Bevölkerungsquerschnitt zusammensetzt und sich zunehmend radikalisiert. Die Freien Sachsen bieten dafür einen Resonanz- und Mobilisierungsraum und die faschistische AfD Repräsentanz und Wirksamkeit. Größte und einflussreichste Fürsprecherin ist und bleibt aber die CDU. Ihr Innenminister in Sachsen lässt seit dem vergangenen Jahr fast keine Woche vergehen um gegen die Aufnahme von Geflüchteten das Wort zu erheben, mehr Abschiebungen und den Abbruch von Aufnahmeprogrammen wie aus Afghanistan zu fordern. Nicht mal die vorsichtig von den kleineren Regierungspartner*innen hereingerufenen Hinweise, dass Sachsen doch Zuwanderung braucht, erschüttern das Business der CDU.

Und ich meine, auf eine ökonomistische Zweckargumentation sollten wir uns auch nicht einlassen: Asyl ist ein Menschenrecht! Es ist die verdammte humanitäre Verantwortung auch dieses Staates Menschen, die vor Krieg, Verfolgung, Folter und Not fliehen, aufzunehmen. Und mehr noch: Freizügigkeit muss als Menschenrecht begriffen werden. Gleiche Rechte überall für alle, drunter darf es nicht gehen.

Nun stehen wir aktuell als antirassistische Linke vor einem Dilemma: Wir verteidigen das Menschenrecht auf Asyl gegen rassistische Angriffe. Wir stehen aber auch vor der Herausforderung uns zu eilig geschaffenen Unterkünften in Zelten, Containern, in Fabrikhallen positionieren zu müssen und oft bleibt kein Spielraum Alternativen bieten zu können. Insbesondere nicht in den Städten Dresden und Leipzig, wo das Wohnraummangel alle marginalisierten Gruppen dieser Gesellschaft besonders betrifft. Und mit Blick auf viele Fleckchen außerhalb der Großstädte müssen wir uns fragen: wollen wir, dass Menschen dort leben müssen, wo ihnen ihre Umgebung feindlich und ausgrenzend entgegentritt?

Als LINKE haben wir im Landtag kürzlich Vorschläge gemacht, wie in Sachsen eine gute Aufnahme, Unterbringung und schnelle gesellschaftliche Teilhaben von Schutzsuchenden funktionieren kann:

1. Wir müssen die rechtlichen Grundlagen verändern, die Hemmnisse beim Ankommen von geflüchteten Menschen sind: Wer bis zu zwei Jahre in teils prekären Massenunterkünften aka Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes festsitzt, hat keine Perspektive, sich zu bilden oder einen Job zu finden, bei der Gesundheitsversorgung sieht es ganz schlecht aus. Daher wollen wir die dortigen Aufenthaltszeiten reduzieren.

2. Damit die Menschen dann nicht in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften festhängen, wie das heute schon tausendfach geschieht, braucht es endlich Konzepte, die die dezentrale Unterbringung vorantreiben. Sozialer Wohnungsbau ist Landesaufgabe. Die Ertüchtigung von Leerstand und Neubau, der für ein gutes Wohnen für alle in Sachsen lebenden Menschen nutzbar sein soll, wären Alternativen zur Proklamation des Endes der Aufnahmefähigkeit. Rassistische Vermietungspraxen, nach denen bpsw. Ukrainer*innen erschwünscht, People of colour aber nicht, dürfen nicht geduldet werden!

3. Landeseigene Immobilien können für die dezentrale Unterbringung genutzt werden. Die Liste der leerstehenden Objekte ist lang. Deren Nutzung sollte endlich ernsthaft geprüft werden und wenn möglich eine schnelle Instandsetzung folgen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

4. Die Wohnsitzauflage muss weg. Die gilt in Sachsen seit fünf Jahren und nicht nur für Menschen im Asylverfahren, sondern auch Menschen mit Anerkennung für drei Jahre. Heißt: die Betroffenen müssen dort leben wohin sie behördlich zugewiesen wurden, egal ob sie dort Chancen für ihr Leben finden. Tausende sitzen so in Gemeinschaftsunterkünften auf dem Land fest, sind infrastrukturell nicht angebunden und können, trotz dass sie wollen, keine Arbeit finden. Wenn Menschen mobiler werden und sich Unterstützung aus der eigenen Community und von Bekannten und Verwandten suchen, fördert dies Ankommen und Integration!

Antirassistischer Protest und solidarische Unterstützung im Alltag gehören zusammen, das möchte ich am Ende noch stark machen. Wir sollten die neu ankommenden als Individuen auf Augenhöhe wahr- und ernstnehmen, ihre Geschichten und Wünsche hören und sie auch als potentielle Gefährt*innen verstehen.

Gegen jeden Rassismus! Refugeeswelcome! Für das Recht auf Rechte für alle!

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