Die Halbjahresstatistik der Opferberatungsstellen des RAA Sachsen weist für das erste Halbjahr 2010 einen Anstieg von rechtsmotivierten und rassistischen Angriffen um 35 aus. Die Umwidmung der Bundes-Programme für Demokratie und Toleranz zu Programmen gegen Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus ist gerade vor diesem Hintergrund realitätsfremd (…) Waren es im Vergleichszeitraum 2009 noch 84 Gewalttaten, sind es Ende Juli 2010 120. Als Schwerpunktgebiet wird der Landkreis Leipzig ausgemacht. Hier wurden 21 Gewaltdelikte bekannt. Die Hauptbetroffenengruppe sind nicht-rechte und alternative Jugendliche.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den lebensgefährlichen Angriff auf einen 15-jährigen in Geithain am 7.5.2010 durch einen Neonazi.
„Der Anstieg rechtsmotivierter und rassistischer Gewalttaten in Sachsen ist erschreckend. Nachdem die NPD im vergangenen Jahr in zahlreiche Gemeinderäte einzog und auch den Einzug in den Sächsischen Landtag schaffte, scheint jetzt ihr „Kampf um die Straße“ wieder oben auf der Tagesordnung zu stehen.
Der sächsische Landesverband der extrem rechten Partei pflegt enge Kontakte zu den so genannten Freien Kräften, einer neo-nationalsozialistischen Jugendbewegung. Führende Köpfe dieser Freien Kräfte nehmen inzwischen Schlüsselfunktionen in der Partei, in der Landtagsfraktion und in der Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) ein.
Die Gefahr, die von dieser Mischung aus ewig gestrigen Altkadern und jungem aktions- und gewaltorientierten Nachwuchs ausgeht, spüren insbesondere alternative Jugendliche und Menschen mit Migrationshintergrund. Im ländlichen Raum ist es den Neonazis vielerorts gelungen Angstzonen zu errichten, indem sie den öffentlichen Raum mittels Propaganda (Aufkleber, Plakate) und körperlicher Präsenz dominieren.
Die Pläne der Bundesfamilienministerin die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus („kompetent. für Demokratie“ und „Vielfalt tut gut“) zu Programmen gegen Extremismus von rechts und links sowie gegen Islamismus umzuwidmen sind prinzipiell, gerade aber vor dem Hintergrund dieser realen Bedrohungssituation, entschieden zurückzuweisen. Wie die Zahlen der RAA-Statistik eindrücklich illustrieren, ist das Problem die Gewalt, die auf Ideologien der Ungleichwertigkeit basiert, auf Rassismus, Antisemitismus, Homophobie oder Sozialdarwinismus.
Eine Debatte um die Förderprogramme für Demokratie und Toleranz müsste sich vielmehr um die Verlässlichkeit der Finanzierung sowie die qualitative Weiterentwicklung der Arbeit drehen. Dies wäre der Realität angemessen.“
Pressemitteilung, 9.8.2010
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