Während die CDU für kommenden Samstag eine Kundgebung gegen PEGIDA aus dem Boden stampfen will, verlegt die AfD kurzerhand ihr Treffen mit den geistigen Brandstiftern
„Wir sind eine Stadt, ein Land, ein Volk“ so sollte das Motto einer aus dem Boden gestampften Kundgebung heissen, die die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz und der sächsische Ministerpräsident Stanislav Tillich für Samstag, 10.1.2015 in Dresden planen. „20.000 TeilnehmerInnen“ sollen kommen.
Auf schnell aufkeimende Kritik an dem Motto, mit dem der Bock zum Gärtner gemacht wird, wurde der Titel geändert. Nun laden die beiden CDU-PolitikerInnen unter dem Slogan „Für Dresden, für Sachsen – für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander.“ Da hat die hauseigene PR-Maschinerie wohl doch noch die Kurve gekriegt und den Heimatstolz, den CDU, AfD und PEGIDA eint, zwischen übliche Image-Schlüsselworte eingeklemmt.
Doch warum dieses hastige Agieren, bei dem „vergessen“ wurde, die Akteure an den Tisch zu holen, die sich seit Wochen gegen PEGIDA bzw. für ein „Dresden für alle“ engagieren? Selbst die gewählten VertreterInnen des Stadtrates wurden nicht einbezogen.
So funktioniert die sächsische Demokratie – eben von oben herab. Seit 25 Jahren steinerne Ruhe, egal was passiert. Menschen wurden gejagdt, ermordet, wurden vor Gericht gestellt. Und auch sonst werden Probleme in Sachsen ausgesessen und unter den Tisch gekehrt. Und genau hier liegt vielleicht auch eine Ursache für den Erfolg der montäglich wachsenden Stimmungsmache. Emphatie und Streit gehen den politisch Verantwortlichen in Sachsen ab. Und diese Stimmung überträgt sich auf große Teile des Staatsvolks.
Die PEGIDA-TeilnehmerInnen werden die offiziöse Samstags-Kundgebung wohl geflissentlich ignorieren – schließlich haben sie ihren regelmäßigen Montagsanlaufpunkt, bei dem sie ordentlich Dampf gegen alles ablassen können, vorzugsweise gegen Schwächere und „die da oben“.
Nebenbei ist eine Massenkundgebung wohl kaum ein adäquates Forum für Dialoge zwischen Politik und den „Übrigen“. Genau diesen Taste des „von oben herab“ atmet die CDU-Versammlung.
Manche mutmaßen, dass die Veranstaltung eine Reaktion auf die Einladung Tillichs zum nächsten PEGIDA-Auflauf ist. Er wolle dem Dialog mit den Mitlaufenden keine Absage erteilen, sich aber nicht von den PEGIDA-Köpfen bitten lassen, zumal diese seine Kanzlerin beleidigt haben.
Andere wieder vermuten dahinter ein Kräftemessen Dresdens mit Leipzig, wo am Montag Tausende zu Protestaktionen gegen die lokalen Ableger LEGIDA erwartet werden.
So oder so habe ich dem Tagesspiegel heut folgendes dazu kommentiert:
Die Veranstaltung von OBM Orosz und Ministerpräsident Tillich ist vielleicht gut gemeint, aber geht vollends nach hinten los.
Mit ihrem Motto „Wir sind eine Stadt, ein Land, ein Volk“ reproduziert die Kundgebung genau das, was PEGIDA propagiert: die Mär von einer geschlossenen, homogenen Gesellschaft. Anstatt den Anspruch auf Weltoffenheit und Vielfalt zu formulieren wird so ein moderater Nationalismus gegen einen lautstark formulierten gesetzt. Doch die Union in Sachsen war schon immer gut dabei als es darum ging rechtsaußen zu fischen. Zudem ist eine Großkundgebung wohl kaum ein Ansatz miteinander ins Gespräch zu kommen. Vielmehr scheint die Veranstaltung darauf zu setzen ein besseres Image von Dresden zu propagieren.
DIE LINKE hat immer wieder klar gemacht, dass sie es wichtig findet in der aktuellen, aufgeheizten Situation mit denen ins Gespräch zu kommen, die von der PEGIDA-Stimmungsmache potentiell bedroht sind – Flüchtlinge, MuslimInnen und Initiativen, die für eine demokratische Kultur streiten.
Letzteres hat heut erfolgreich stattgefunden. Die Linksfraktion hatte zur Kontraveranstaltung zum PEGIDA-Besuch bei der AfD im Sächsischen Landtag eingeladen. Zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen waren gekommen und tauschten sich über die Stimmung in Dresden, Perspektiven für den Protest und die Möglichkeit die hörbarer zu machen, gegen die PEGIDA Stimmung schürt, aus.
Während dessen – und mutmaßlich aus Angst vor Störungen durch Protest und Medien – verlegte die AfD ihr Treffen mit den geistigen Brandstiftern, zumindest aus dem Landtag heraus.
Das Problem ist damit nicht verschwunden.
Pressemitteilung, Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, 8.1.2015
AfD und „Pegida“ weichen, Demokratie-Schützer kommen
Gestern trafen sich verschiedene Organisationen, die sich für ein weltoffenes Sachsen engagieren, im Sächsischen Landtag mit der Fraktion DIE LINKE. Überschattet wurde das Gespräch vom entsetzlichen Terroranschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. Die Teilnehmenden legten eine Schweigeminute für die Opfer ein. Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, mahnte: „Diese Morde müssen mit aller Konsequenz juristisch verfolgt werden. Mörder, die ihre Taten mit religiösen oder politischen Hintergründen rechtfertigen wollen, sind genauso Verbrecher wie andere Mörder auch.“
Kurze Zeit später wurde bekannt, dass das Gespräch der AfD mit den „Pegida“-Köpfen bereits außerhalb des Landtages stattgefunden hatte. Rico Gebhardt: „Ich freue mich, dass das ,Pegida‘-Zentralkomitee für Volksverhetzung nun doch nicht im Parlamentsgebäude vertreten war. Die AfD & ,Pegida‘ stellen sich mit ihrer Heimlichtuerei, auch gegenüber den Medien, außerhalb der üblichen demokratischen Prozesse.
Unser Gespräch hat ergeben, dass wir nicht nur eine Willkommenskultur brauchen, sondern den Schritt zur Integrationskultur gehen müssen. Ängste müssen wir ernst nehmen, wir dürfen uns aber nicht von ihnen beherrschen lassen. Auch ohne ,Pegida‘ wissen wir um die Probleme: Armut, Versäumnisse in der Integrationspolitik, Unzufriedenheit mit der demokratischen Praxis. Dort müssen wir ansetzen. Wir kämpfen nicht gegen Menschen, die bei ,Pegida‘ mitmarschieren, sondern im Gegensatz zu Bachmann und Co. für eine humanistisch gestaltete, demokratische Gesellschaft des sozialen Ausgleichs.“
Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik: „Die AfD ist für ihr Gespräch mit ,Pegida‘ aus dem Landtag geflohen, Initiativen für Demokratie und gegen Rassismus haben stattdessen Platz genommen. Das ist das richtige Zeichen. Jene, die sich im Alltag für ein friedliches Zusammenleben engagieren, jene, die Rassismus und Diskriminierung erfahren, müssen gehört und gestärkt werden. Wer sich zum politischen Handlanger von ,Pegida‘ macht, ist auf dem falschen Weg. Wir empfehlen der Staatsregierung, es uns gleichzutun, anstatt – wie für Samstag in Dresden – von oben herab PR-Veranstaltungen aus dem Hut zu zaubern.“
Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik: „Wenn wir verhindern wollen, dass ,Pegida‘ zu einer europäischen Bewegung wird, müssen wir für gleiche Rechte für alle Menschen kämpfen. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen Menschen und Kulturen. Der Vernetzung der Rassisten stellen wir eine Zusammenarbeit auf humanistischer Grundlage entgegen.“
„Auch ohne ,Pegida‘ wissen wir um die Probleme: Armut, Versäumnisse in der Integrationspolitik, Unzufriedenheit mit der demokratischen Praxis. Dort müssen wir ansetzen. … für eine humanistisch gestaltete, demokratische Gesellschaft des sozialen Ausgleichs.“
Klasse, genau das ist das Richtige, jetzt bitte direkt die daraus folgenden Maßnahmen benennen und einfordern. Aber das ganze sollte mit dem nötigen Nachdruck erfolgen – also bitte auch die Menschen überzeugen, dafür demonstrieren oder schlichtweg gleich die Regierungsparteien von den Maßnahmenforderungen überzeugen.
Sonst wären es nur Lippenbekenntnisse. Und das die Kräfte zur Stärkung der Demokratie mehr sozialen Ausgleich (weniger Konflikte) wollen, daß ist nun wirklich keine neue Erkenntnis. Diese umzusetzen, das ist etwas, was PEGIDA deutlich stärker vorwärtsbringt als der bisherige Umgang mit dem Thema Flüchtlings- und Asylpolitik….