Das Weltnest Leipzig spielt Weltpolitik und fragt nach der Positionierung zur Einladung des neu gewählten Kiewer Bürgermeisters zum Lichtfest nach Leipzig
Martin fragt:
Der Ukrainekonflikt hat es bis an die Pleißenmetropole geschafft. Hier wird zum Glück nicht mit Panzern und Granaten, sondern mit offenen Briefen und Kommentaren gekämpft. Der neu gewählte Bürgermeister unserer Partnerstadt Kiew, Vitali Klitschko, wurde von Oberbürgermeister Burkhardt Jung zum Lichtfest nach Leipzig eingeladen. Das hält nicht jeder für eine gute Idee. Wie stehen Sie dazu?
Meine Antwort:
Ein sehr emotional aufgeladenes Thema, wie ich finde. Die Einladung des neu gewählten Bürgermeisters der ukrainischen Hauptstadt Kiew halte ich prinzipiell für keine gute Idee. Eine formale Gratulation hätte es aus meiner Sicht getan. Denn Vitali Klitschko ist nicht nur gewählter Bürgermeister von Kiew, sondern eine im gesamten Ukraine-Konflikt polarisierende Figur. Er gehört zur prowestlichen Seite, wurde mit seiner Partei von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung supportet und bildete während der Euromaidan-Proteste vor allem ein strategisches Bündnis mit der extrem rechten Partei Swoboda. Den DemonstrantInnen des Euromaidan ging es am Anfang um das Ende der korrupten Regierung unter Janukowitsch, die Stärkung demokratischer Rechte und eine Verbesserung der Lebensbedingungen. Denn die Ukraine war zu diesem Zeitpunkt fast bankrott. Schlussendlich ist das geschwächte und gespaltene Land zum Spielball zwischen Westen und Russland geworden. Es ist auch kein Geheimnis, dass die jüngsten Präsidentschaftswahlen vor allem von USA und EU forciert wurden, um ihren Kurs der EU-Assoziierung zu forcieren. Der neue Präsident Poroschenko – für den Klitschko btw. seine eigene Kandidatur zurückgezogen hat – gehört der Oligarchenklasse an, eine echte Demokratisierung und kluge und integrative Problemlösungsstrategien sind von ihm wohl kaum zu erwarten. Aus meiner Sicht bräuchte die Ukraine aber Luft und Unterstützung sich selbst zu finden, ohne sich per se dem Westen oder Russland zu verschreiben. Doch eine solche Strategie ist angesichts der wirtschaftspolitischen Pfründe und den die globale Sicherheitsarchitektur betreffenden Interessen von keiner der beiden die Ukraine einschließenden Player zu erwarten.
Aber zurück nach Leipzig. Was im Ernst soll die Einladung Klitschkos zum Lichtfest als „Fest der Demokratie“ bedeuten? Ich sehe hier keinerlei Verbindungslinien. Klitschko steht einfach nicht für eine demokratische Bewegung, die repressive Verhältnisse umwälzt. Der Link zu 1989 im „Ostblock“ ist dann wohl eher die totale Unterwerfung der Staaten unter kapitalistische Verhältnisse.
Etwas schlimmer finde ich allerdings, dass in diesem Jahr wiederum ein offizieller Repräsentant aus Ungarn zum Lichtfest eingeladen wird. Unter der Fidesz-Regierung erlebt das Land seit mehr als vier Jahren einen krassen Abbau von demokratischen Rechten und eine harte Linie gegen marginalisierte Gruppen wie Roma oder Wohnungslose. Damit wird das Lichtfest so richtig zur Farce.