Vorbereitungsgruppe kritisiert massives Polizeiaufgebot als Zeichen der Kriminalisierung antirassistischen und antifaschistischen Engagements
PM von Rassismus tötet! Leipzig, 28.10.2012
Am 27.10.2012 demonstrierten in Leipzig über 1500 Menschen unter dem Motto „Never forgive, Never forget – Remembering means fighting“ gegen Rassismus. Ein Anlass der Demonstration, die von der Leipziger Kampagnengruppe „Rassismus tötet!“ organisiert wurde, war der zweite Todestag von Kamal K., der im Oktober 2010 am Leipziger Hauptbahnhof von zwei Neonazis ermordet wurde. Auch an die fünf anderen Menschen, die seit 1990 in Leipzig gewaltsam zu Tode kamen, weil sie nicht ins Weltbild ihrer Mörder passten, wurde im Rahmen der Demonstration erinnert. So lief der Demo-Zug am Schwanenteich an der Oper vorbei, wo der wohnungslose Karl-Heinz T. im August 2008 von einem Nazi schwer verletzte wurde, so dass er wenig später an den Folgen verstarb. An der Ritterpassage gegenüber des Hauptbahnhofes gedachten die DemonstrationsteilnehmerInnen mit einer Schweigeminute des ermordeten Kamal K. Mit einer Zwischenkundgebung vor der Staatsanwaltschaft wurde die negative Rolle von staatlichen Behörden und Justiz bei der Aufklärung und Anerkennung solcher Gewalttaten als rechts motiviert kritisiert. Der Stützpunkt der lokalen und regionalen Naziszene, das NPD-Zentrum in der Odermannstraße 8, war der letzte Punkt der Demonstration.
Zahlreiche Redebeiträge thematisierten den allgegenwärtigen gesellschaftlichen und staatlichen Rassismus. Migrant*innen erfahren in Deutschland tagtäglich Diskriminierung und Ausgrenzung. Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl suchen, sind davon besonders betroffen. Sie dürfen weder in eigenen Wohnungen leben noch dürfen sie sich frei bewegen oder einer Erwerbsarbeit nachgehen. Diese politisch gewollte Ausgrenzung geht mit einem krassen gesellschaftlichen Rassismus einher. Auch heute organisieren sich bundesweit Bürger*innen gegen die Errichtung von Asylsuchenden-Unterkünften. In Leipzig machten im Sommer vor allem AnwohnerInnen in Portitz und Wahren gegen Flüchtlinge mobil und propagierten rassistische Ressentiments.
„Wir haben mit der Demonstration ein unmissverständliches Zeichen gegen den rassistischen Normalzustand gesetzt und die Menschen gewürdigt, die durch menschenverachtende Gewalt sogar ihr Leben lassen mussten. Rechte Gewalt ist immer Produkt eines gesellschaftlichen Klimas.“ so Miriam Schleicher, Pressesprecherin der Leipziger Kampagnengruppe.
„Dass die Polizei dieses Klima prägt zeigen nicht nur ihre rassistische Kontroll- und Strafverfolgungspraxis („racial profiling“) oder die nachlässige Ermittlungsarbeit bei rassistisch motivierten Übergriffen. Auch der vollkommen überdimensionierte Einsatz bei der Demonstration beweist, dass antirassistische und antifaschistische Praxis dem Staat ein Dorn sind.“
Die Polizei begleitete die Demonstration mit einem massiven Aufgebot – teilweise umschlossen drei- bis vierreihige Polizeieinheiten den Zug – so dass das inhaltliche Anliegen zum Teil nicht mehr transportiert werden konnte. Mehrere kommunikative Versuche diese Situation zu ändern, scheiterten. Erst durch den Stopp der Demonstration an der Angerbrücke konnte der Rückzug von Beamt*innen erwirkt werden.
Als in der Innenstadt ein 15 mal 5 Meter großes Transparent mit dem Schriftzug „Rassismus tötet. Durch Pogrome, Asylgesetzgebung, geistige Brandstiftung, Pogrome“ enthüllt wurde, reagierten die polizeilichen Einsatzkräfte vollkommen hysterisch. Mehrmal wurde der Demonstrationszug zudem grundlos abgefilmt.
„Scheinbar will die Polizei antirassistisches und antifaschistisches Engagement repressiv unterbinden und auch in der Öffentlichkeit als potentiell kriminell darstellen. Das lassen wir uns nicht bieten. Wir werden weiter gegen den rassistischen Normalzustand kämpfen.“ so Miriam Schleicher im Namen der Leipziger „Rassismus tötet!“-Gruppe.
Schon nächste Woche wird es in Leipzig dazu Gelegenheit geben. Am 1.11.2012 will die NPD in Leipzig zwei Kundgebungen abhalten. Eine davon vor einer zukünftigen Unterkunft für Asylsuchende in Wahren, die andere vor einer Moscheegemeinde in der Roscherstraße. Vor diesem Hintergrund melden sich Wahrener Bürger*innen wiederum aggressiv und rassistisch zu Wort. Das Problem ist für sie allerdings nicht die NPD und deren rassistisches Weltbild, sondern die Unterbringung von Asylsuchenden in ihrer Nachbarschaft und vermeintliche „Linksextremist*innen“, die die „beschauliche Ruhe“ in Wahren stören.
„Wir werden die rassistische Stimmungsmache der Wahrener*innen, die sich als Kritik an mangelnder Einbeziehung durch die Stadtverwaltung tarnt, nicht unwidersprochen stehen lassen.“
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