Dokumentiert: Nachlese zur antifaschistischen Aktion gegen das Nazi-Zentrum am 20.4.

Am Freitag den 20.04.2012 sollte im Nazi-Zentrum in der Odermannstraße 8 in Leipzig Lindenau ein Vortrag der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel zum Thema „Wirtschaftswunder der 30er Jahre“ stattfinden.

von: Einige Antifaschist*innen, erschienen auf de.indymedia.org, Lizensiert unter einer Creative-Commons-Lizenz

Schnell und auch unverhofft flogen Steine und Böller von außen über den Zaun des Zentrums und trafen ein Nazi-Auto und offensichtlich auch einen Kamerad_in. Die Antifaschist_innen zogen sich vorerst zurück und entschieden sich anschließend für eine Spontan-Demo. Diese wurde schon nach wenigen hundert Metern von der Polizei gestoppt und gekesselt. Nach knapp drei Stunden Kessel, zwei Ausbruchsversuchen und zwei Ingewahrsamnahmen war, fanden die Gegenaktionen ihr fremdbestimmtes Ende.

Das falsche Datum, um zu feiern
Leider gibt es immer noch notorische Reaktionäre, für die der 20.04. vor allem eines bedeutet: Der Geburtstag Adolf Hitlers. So wollten sich auch in Leipzig ein paar Nazis an diesem Tage sich mal wieder gegenseitig die Taschen über Volksgemeinschafts-Mythen voll hauen. Dies sollte die mindestens sechste Veranstaltung dieser Art innerhalb von zwei Monaten in der Odermannstraße 8 sein. Um den Protest gegen das Zentrum war es bis dahin eher ruhig geworden. Doch an diesem Freitag hatten sich AntifaschistInnen angesagt, um die Anreise der Nazi-Gäste mit einer Straßenblockade zu be- bzw. verhindern und damit den bleibenden Widerstand gegen Naziideologien zu praktizieren.
Schnell und auch unverhofft. Gegen stürmten 17:30h vom Lindenauer Markt ungefähr 80-100 Antifaschist_innen in die Odermannstraße, um eine Seite der Straße (Ecke Gemeindeamtsstraße) zu blockieren und damit den Zutritt für Nazis zum Zentrum zu verstellen. Die Polizei, die mit einer Wanne vor Ort war, wurde von der Masse an Menschen deutlich überrascht. Bereits einige Minuten nachdem sich die Antifaschist_innen auf der Straße positioniert hatten,hatte eine Gruppe etwas unerwartet Initiative zu einer „Hit-And-Run-Aktion“ ergriffen, so dass ein paar Steine und Böller aufs Gelände des Nazizentrums landeten.
Daraufhin rumpelte es hinter dem Zaun und ein Nazi öffnete die Tür und provozierte so, dass einige Aktivist_innen auf die Tür losstürmten. Noch mehr Steine, Böller und Warnbaken flogen über den Zaun wobei ein Auto und eine „Kamderad_in“, die sich im Hof des Nazi-Zentrums befanden, getroffen wurden. Zu dem Zeitpunkt befanden sich, ungefähr sieben Personen im Zentrum, insgesamt fanden sich später bis zu 40 „Kamerad_innen“ zum Hitler-Geburtstag in der Odermannstraße ein.

Nachdem klar wurde, dass aufgrund der militanten Aktion ein Verbleiben auf der Straße, sprich die Blockade-Aktion unmöglich geworden war, zogen sich die Antifaschist_innen auf den Lindenauer Markt zurück. Einige Menschen entfernten sich bereits von der Masse. Trotzdem wurde kurzerhand entschieden, nach diesem (zu) kurzem Intermezzo noch eine Spontan-Demo in der Nähe der Odermannstraße anzuschließen. Bereits kurz nach dem Loslaufen folgten Bereitschaftsbullen dem Demozug, andere hatten sich an der Einfahrt zur Odermannstraße positioniert.

Spontan-Demo endet im Kessel
Kurz nach der Kreuzung Odermannstraße/Lützner Straße wurde die Demo aufgehalten und umstellt. Erst wollten die Bullen nur eineN Anmelder_in, doch schnell wurde in Verhandlungen mit der Polizei deutlich, dass der Kessel bestehen bleiben würde. Die Stimmung im Kessel war entspannt und außerhalb befanden sich etliche Unterstützer_innen. Leider hatte die gekesselte Meute außer über Flyer wenig Außenwirkung auf Passant_innen. Nun trauten sich auch die Nazis aus ihrer Butze, pöbelten und provozierten von der Polizei völlig unbehelligt vor dem NPD-Zentrum.

Bei einer Rangelei versuchten mehrere Menschen aus dem Kessel auszubrechen, was die Polizei schnell und brutal zu verhindern versuchte. Drei Antifaschist_innen wurden überwältigt, zwei davon in Gewahrsam genommen und auf die Wache gebracht. Ein anderer wurde zwar brutal getreten und zu Boden gerissen, trotzdem wurde schnell von ihm abgelassen. Bei einem zweiten Versuch kamen Unterstützer_innen von der anderen Straßenseite mit erhobenen Händen auf die Polizeikette zu, nur leider fehlte im Kessel die Dynamik um ein beherztes Schieben in die richtige Richtung einzuleiten.

Währenddessen mussten die Antifaschist_innen im Kessel einzeln eine Personalienkontrollen über sich ergehen lassen, denn Bullen behandelten alle Gekesselten nun als Zeug_innen der militanten Aktion vor der Odermannstraße und versuchte halbherzig Leute zu befragen („Wer wars denn nun?“). Nach dieser Prozedur entließen die Bullen die Leute einzeln mit Platzverweis aus dem Kessel und es wurde klar, dass es zu unterschiedlichen und offensichtlich völlig willkürlichen Vorwürfen kam. Alle bekamen einen Platzverweis für die umliegenden Straßenzüge, einigen wurde nur mitgeteilt, sie würden Post wegen der Zeug_innenaussage bekommen, andere bekamen zusätzlich Vorwürfe wegen Ordnungswidrigkeiten, versuchter Körperverletzung o.ä.

Fazit:
Ungewollt gut vermieste das Zusammenspiel der Kurzblockade und der „Hit-and-run-Aktion“ den Nazis ihre Veranstaltung. Auch die Spontan-Demonstration und der Kessel hatten zumindest die Funktion den Verkehr im Viertel zu behindern und Aufmerksamkeit von AnwohnerInnen und Vorbeifahrenden zu erzeugen. Als bitterer Nachgeschmack bleibt der Zwang zur Abgabe von mehr als 80 Personalien.
Wir appellieren an alle von ID-Maßnahmen Betroffenen und allen, die nun Post von der Polizei bekommen, sich an die Rote Hilfe bzw. den EA zu wenden. Denkt dran: ihr müsst nicht zu polizeilichen Vorladungen erscheinen!
Grundsätzlich erwarten wir eine solidarische Grundhaltung von all jenen, die an diesem 20.4.2012 in der Odermannstraße aktiv waren.

Interessanterweise konnte den ganzen Tag über niemand eine ältere Frau (Ursula Haverbeck-Wetzel) in das Nazi-Zentrum gehen sehen, weshalb der Vortrag höchstwahrscheinlich nicht stattgefunden hat.
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Gegen Nazis, ihre Zentren, Alltagsrassismus und Repression!

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