Nichts über uns, ohne uns: Demokratische Teilhabe Wohnungsloser stärken

Im Leipziger Stadtrat wurde der Antrag der Linken beschlossen, Beteiligungsmöglichkeiten von wohnungslosen Menschen zu verbessern. ES gibt viele informelle, aber auch formelle Ausschlüsse. Zum Beispiel haben Menschen ohne festen Wohnsitz in Sachsen bisher kein kommunales Wahlrecht. Das muss sich ändern. Meine Rede:

Die Zahl der wohnungslosen Menschen in Leipzig steigt: Fast 1000 waren es nach Zählung des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2024. Wohnungslosigkeit wird sichtbarer im Stadtbild und wir wissen, dass Betroffene oft und zunehmend unter mutiplen Problemlagen leiden. Durch Aufwertung und Mietaufwärtsspirale fallen Rückzugsräume und die Option weg, wieder eigenen Wohnraum zu erlangen. Unser größtes und wichtigstes Ziel ist und bleibt, Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu beenden, und uns nicht in aufhetzenden Debatten über Stadtbilder zu verfangen. 

Mit unserem Antrag greifen wir ein anders Thema auf, das auch bei wohnungslosen und ihren Vertretungen eine große Rolle spielt: Beteiligung. Wer den Tag der Wohnungslosen regelmäßig besucht oder schon zu Gast bei der Peergruppe, ein selbstorganisierter Zusammenschluss von Wohnungslosen war, weiss, dass es oft darum geht gehört und wahrgenommen zu werden. Auch unseren Antrag haben wir mit der Peergruppe diskutiert. Wir wollen die Perspektive der Betroffenen stärker in politische Prozesse und Entscheidungen einbinden. Denn was wir tun und wie sich das Hilfesystem ausrichtet, welche Effekte Gesundheits-, Sozial- und Wohnungspolitik haben, hat unmittelbar Auswirkungen auf ihr Leben.

Es sind informelle und formelle Hürden, die einer gleichberechtigten Teilhabe von Wohnungslosen an Entscheidungsprozessen im Wege stehen. Informell, weil die Folgen ihrer Lebenslagen konkrete Auswirkungen darauf hat, wie sie kommunizieren, Interessen stark machen oder sich an Gremien beteiligen können und auch beteiligt werden.
Formell weil es eben harte Ausschlüsse gibt. Zum Beispiel beim Wählen. Wer keinen festen Wohnsitz hat, ist in Sachsen von den Kommunalwahlen – anders als von allen anderen parlamentarischen Wahlen – ausgeschlossen – die allermeisten Bundesländer (13) haben diese Regelungen längst verändert.

Wir fordern, dass sich die Stadt Leipzig dafür auf Landesebene stark macht, damit Menschen ohne festen Wohnsitz auch schon zur 2027 nahenden Oberbürgermeisterwahl eine Stimme abgeben können. Dies könnte durch die Veränderung der Gemeindeordnung und Kommunalwahlrecht geschehen.

Gleichzeitig müssen die Hürden für die Teilnahme an den Wahlen gesenkt werden. Wir anerkennen, dass eine Dezentralisierung der Wahlmöglichkeiten für nur diese Gruppe zu verfassungs- und wahlrechtlichen Problemen führt und folgen hier dem Vorschlag der Verwaltung, in dem wir den VSP zur Abstimmung stellen. Allerdings insistieren wir, dass Information und Unterstützung durch die vertrauten Anlaufstellen und die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt weiter intensiviert werden. Zwar ist die Zahl der Eintragungen bei der vergangenen Bundestagswahl gestiegen – von 16 im Jahr 2021 auf 29 – aber gemessen an der Zahl Betroffener nicht befriedigend.

Last but not least fordern wir, dass die Expertise der Betroffenen stärker in die Entwicklung von wohnungs- und sozialpolitischen Maßnahmen in Leipzig einfließt. Mit der schon erwähnten Peer-Gruppe existiert seit geraumer Zeit eine aktive Selbstvertretung von Wohnungslosen in Leipzig. Deren Ideen und Netzwerke zu nutzen, um die Situation aller Betroffenen zu verbessern, ist mehr als sinnvoll.

Wie es die Bewegung der Menschen mit Behinderungen geprägt hat, sollte im Umgang mit Wohnungslosen Menschen der Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ handlungsleitend sein!

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