Der Jahresbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) für 2024 untermauert, was alle wissen: Die größte Bedrohung kommt vom rechten Rand. Erneut ist die Szene angewachsen, das ,Potenzial‘ wird mit rund 6.000 Personen beziffert – wohl vor allem bedingt durch das Wachstum der AfD, aber doch nichts anderes als die Spitze des Eisbergs. Denn irritierenderweise geht nur ein Teil der Parteimitglieder in die Zählung ein. Ich glaube kaum, dass die anderen irrtümlich beigetreten sind.
Eine unverständliche Schonhaltung zeigt sich auch darin, dass AfD-Treffpunkte nicht in der Auflistung der ,durch Rechtsextremisten genutzten Immobilien‘ aufgeführt werden. Und es gibt noch mehr Stellen, an denen der Bericht Rätsel aufgibt: Wird eingangs behauptet, dass ,die Anzahl verübter Gewalttaten durch Rechtsextremisten rückläufig‘ sei, gilt das allenfalls, wenn man mindestens ein halbes Jahrzehnt zurückblickt. Später wird zutreffend berichtet, dass die Zahl der Gewalttaten in Wirklichkeit ansteigt, zuletzt um fast 58 Prozent. Für Straftaten war das LfV übrigens noch nie zuständig.
Der für das LfV zuständige Innenminister Armin Schuster (CDU) hat freilich Recht damit, dass wir es – wie er zur Vorstellung des Berichts sagte – in vieler Hinsicht mit besorgniserregenden Entwicklungen zu tun haben. Ich halte es aber für ziemlich gewagt, den Geheimdienst dafür zu loben, auf den grassierenden Antisemitismus aufmerksam geworden zu sein. Denn auf diese keineswegs neue Entwicklung, die praktisch alle Phänomenbereiche betrifft, war die Behörde im Vorjahresbericht leider kaum eingegangen. Auch mit den Hinweisen auf einen ,Trend der Verjüngung‘ erweist sich der Verfassungsschutz nicht als ,Frühwarnsystem‘, sondern als ein absoluter Spätmerker.
Vollends grotesk wird es aber, wenn Schuster die Frage stellt, ,wie lange die Altersgrenze zur Erfassung erst ab 14 Jahren noch ausreichend ist‘ – offenbar will er auch Kinder durch den Geheimdienst beobachten lassen. Für die Bekämpfung von demokratiefeindlichen Bestrebungen könnte der Rechtsstaat allerdings auch auf viele andere Mittel zurückgreifen: auf starke Präventionsprojekte, gute politische Bildung und Opferberatungsstellen, um nur einige Beispiele zu nennen. Doch genau in diesen Bereichen betreibt die Staatsregierung mit ihrem Haushaltsentwurf einen unverantwortlichen Kahlschlag. Als Innenminister ist Schuster auch für das Aussteigerprogramm zuständig – das er mit den vorgesehenen Kürzungen effektiv lahmlegen wird. Kostenlos zu haben wäre übrigens eine Fortschreibung des bewährten Gesamtkonzepts gegen Rechtsextremismus. Aber nicht einmal das planen CDU und SPD. Nicht nur die extreme Rechte wächst, sondern auch meine Zweifel an der Ernsthaftigkeit, sich damit gezielt auseinanderzusetzen.“
PM 03. Juni 2025