Alternativen zur Haft erproben, Resozialisierung stärken und die soziale Situation der Gefangenen in Inflationszeiten verbessern: Das waren unsere zentralen Forderungen in den Beratungen zu Doppelhaushalt mit Blick auf den Justizvollzug. Meine Rede und Änderungsanträge:
Als Linksfraktion legen wir mit Blick auf den Einzelplan des Ministeriums für Justiz, Demokratie, Europa & Gleichstellung einen besonderen Fokus auf den Justizvollzug. Ein Bereich, der keine so große politische Lobby hat. Schauen wir uns nur die verquere Debatte an, die die CDU in Bezug auf die Weihnachtsamnestie in den letzten Tagen angestrengt hat: den Gnadenakt der vorzeitigen Entlassung in der Weihnachtszeit derer, die sowie bald aus der Haft entlassen werden, nach umfangreicher Prüfung durch die Staatsanwaltschaft.
Die Weihnachtsamnestie war ein wirklich kleiner Schritt hin zu einer Humanisierung des Strafvollzugs. Schauen wir uns die Entwicklungen der letzten Jahre an, müssen wir als LINKE konstatieren, dass sich so viel hier nicht getan hat, zumindest nicht so viel wie wir uns wünschen oder die Koalition sich selbst zum Ziel gesetzt hat.
Im vergangenen Jahr ist mit dem Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen an der TU Chemnitz ein wichtiger Baustein für die Forschung und die Entwicklung von praxisbezogenen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Kriminalität und straffällig gewordenen Menschen entstanden. Zentral ist hier allerdings auch, dass die gewonnenen Erkenntnisse für Kriminalitätsprävention, Haftvermeidung und die Humanisierung des Strafvollzugs genutzt werden und die Realität verändern! Davon lässt sich noch nicht wirklich viel ausmachen.
Die Ausgaben für alternative Formen wie Täter-Opfer-Ausgleich, Konfliktschlichtung und Ansätze der restorative justice waren schon im letzten Doppelhaushalt sehr gering angesetzt, ein seinerzeit angekündigtes Pilotprojekt in der JVA Dresden ist immer noch nicht am Start, die vor zwei Jahren angekündigte Ausweitung derartiger Ansätze auf andere JVA konnte also noch gar nicht erfolgen. Und so ist es gut, dass wir in diesem Bereich mehr Geld veranschlagen und mehr Projektansätze fördern wollen, es muss aber eben losgehen um hier wirklich Erfahrungen zu sammeln und grundsätzliche Veränderungen in Richtung Haftvermeidung anzugehen.
Zur Resozialisierung trägt auch Digitalisierung bei. Dass hier auch ohne Pilotprojekte ungenutzte Möglichkeiten vorhanden sind, hat uns die Corona-Pandemie gezeigt: so wurde kurzerhand Internettelefonie ermöglicht, um einer weiteren Isolation der Gefangenen entgegenzuwirken. Wir erwarten, dass die Vereinbarung des Koalitionsvertrages ein Pilotprojekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ zu installieren bald umgesetzt wird. Dass dies möglich ist, zeigt das Land Berlin.
Personalmangel spielt mit Blick auf den Justizvollzug weiter eine Rolle. Und dies hat negative Auswirkungen auf alle Beteiligten: für die Belegschaft, die unter Überlastung leidet und für die Gefangenen, die mit verringerten Aufschlusszeiten oder der Einschränkung von Freizeitangeboten oder Arbeitsmöglichkeiten konfrontiert sind.
Der Fachkräftemangel ist auch im Bereich des Vollzugsdienstes harte Realität. Dies ist vor dem Hintergrund der zu erwartenden Altersabgänge besonders dramatisch. Wir müssen an dieser Stelle also nicht um Planstellen diskutieren, sondern darüber, wie Ausbildung und Beschäftigung in diesem Bereich attraktiv gestaltet werden kann. Wir unterstützen die Einführung eines Anwärtersonderzuschlags für die Ausbildung im Justizvollzugs.
Wir legen mit unseren Haushaltsanträgen den Schwerpunkt auf die Verbesserung der sozialen Lage der Gefangenen und eine Stärkung von Beratungsangeboten.
Besonders prekär ist die Situation weiterhin bei den Sozialen Diensten der Justiz, hier ist im Haushalt ein Aufwuchs geplant und das ist auch wichtig. Kürzungen im Bereich der Seelsorgebetreuung und bei der externen Suchtberatung von Gefangenen lehnen wir ab.
Wir wollen ein Modellprojekt für die Beratung von Menschen im Fluchthintergrund in den sächsischen Gefängnissen an den Start bringen. Die aufenthaltsrechtliche Sondersituation und die Inhaftierung stellen für die Betroffenen und ihre Angehörigen besondere Herausforderungen dar.
Bei der Verpflegung und der Vergütung von Gefangenen drängen wir auf eine bessere finanzielle Ausstattung. Die Inflation macht vor dem Knast keinen Halt. Gerade in dieser Frage erreichten uns in den letzten Wochen zahlreiche Beschwerden von Inhaftierten, Angehörigen und auch Rechtsanwält*innen. Für uns ist klar: Bei der Versorgung von Gefangenen darf nicht gespart werden.
Gespannt blicken wir in diesem Zusammenhang auch auf die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Vergütung von arbeitenden Gefangenen. Wir stehen hier ganz klar auf der Seite der Gefangenen, die sich gegen Hungerlöhne und Ausschluss aus Sozial- und Rentenversicherung wehren.
Zum Schluss sei gesagt: Geld ist bei der Reform des Justizvollzugs nicht alles. Wissen Sie uns bei kommenden Schritten in diesem Bereich an ihrer Seite.
Unsere Änderungsanträge
Modellprojekt „Beratungs- und Unterstützungsangebot für Geflüchtete und Asylsuchende im Justizvollzug“
Unter den Gefangenen in den sächsischen Gefängnissen finden sich auch Menschen mit Migrationsgeschichte. Für diese kommen zur Situation der Inhaftierung oft aufenthaltsrechtliche Unsicherheit und Sprachprobleme. In verschiedenen JVA gibt es insbesondere für Menschen mit Fluchtgeschichte ehrenamtliche aufenthaltsrechtliche Beratungsangebote, durch kundige Träger wie Amnesty international oder Bon Courage geleistet. Wir wollen diese wichtige Angebote in Form es Modellprojektes auf hauptamtliche Füße stellen. Denn diese Beratungsleistungen sind im Gefängnis genauso wichtig wie in Freiheit. Mehr noch geht es besonders im Gefängnis darum die Verfahrensrechte von Betroffenen zu sichern.
Mit dem Modellprojekt soll erprobt werden ob es perspektivisch ein hauptamtliches Angebot pro JVA/ JSA geben sollte. F
Erhöhung des Verpflegungssatzes für Gefangene
Wir wiederholen an dieser Stelle einen Antrag, den wir bereits im letzten Doppel-Haushalt gestellt haben, nun hat sich die Dringlichkeit weiter verschärft und zwar durch die allgemeinen Preissteigerungen. Wenn nur aus verschiedenen JVA gespiegelt wird, dass Essensqualität und -quantität sich in den letzten Monaten verschlechtert haben, muss gehandelt werden! Die Verpflegung darf kein zusätzliches Strafübel darstellen. Eine gute und gesunde Ernährung ist zudem ein Beitrag zur Gesundheitsförderung. Was wir damit auf die Agenda setzen ist keine Annehmlichkeit oder gar Luxus, sondern ein zutiefst gesundheitspolitisches Thema. Gesunde und ausgewogene Ernährung ist gut für die physische und psychische Verfasstheit und die ist, wie wir wissen, bei Gefangenen nicht sonderlich gut und verschlechtert sich in der Regel durch den Aufenthalt im geschlossenen Strafvollzug. Viele Gefangenen kommen aus prekären sozialen Verhältnissen und bringen darum gesundheitliche Vorbelastungen mit.
Der Verpflegungssatz für Gefangenen soll von 3,50 Euro auf 6 Euro erhöht werden. Dies entspricht einer Näherung an den durchschnittlichen Verpflegungssatz der sächsischen Krankenhäuser. Am Thema Verpflegung wird auch deutlich, dass inflationsbezogene Preissteigerungen den Justizvollzug auch erreichen. Wir bitten um Zustimmung!
Erhöhung von Taschengeld und Vergütungen von Gefangenen
Gefangenen erhalten für in den sächsischen Justizvollzugsanstalten geleistete Arbeit ein mickriges Entgelt von knapp über 2 Euro. Allein das halten wir für einen Skandal.
Die, die nicht arbeiten können oder keine Zusatzeinkünfte haben, erhalten auf Antrag ein Taschengeld.
Wir erwarten, dass sowohl bei Ausbildungs- und Arbeitsentgelten und beim Taschengeld die Inflationsrate von derzeit 10 % mitgedacht und draufgeschlagen wird! Denn auch bei Gefangenen kommen die Preissteigerungen an: Seien es Briefmarken für die Kommunikation von aussen und vor allem die Preissteigerungen beim Anstaltskaufmann Massak. Massak ist bundesweit Monoplist beim Verkauf von Waren des täglichen Bedarfs an Gefängnisse und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit überteuerten Produkten an den Gefangenen zu verdienen. Aktuell hat Massak auch in Sachsen die Preise für den Gefangeneneinkauf erhöht, bspw. um 5 Prozent bei Kaffee und 120 Prozent bei Sonnenblumenöl.
Es ist also folgerichtig dass wir die finanzielle Basis der Gefangenen stärken. Die Beträge, die wir veranschlagen sind wirklich äußerst gering.
Grundsätzlich schließen wir uns den Forderungen der Anlehnung der Vergütungen im Gefängnis an den Mindestlohn an. Das wäre ein Meilenstein für die Resozialisierung!