Im November-Landtagsplenum wurde über den Jahresbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten diskutiert.
War die Lage im Berichtszeitraum des hier vorliegenden Berichtes geprägt von der Bewältigung der Herausforderungen der Corona-Pandemie, um Fluchtbewegungen aus Afghanistan infolge der Machtübernahme der Taliban und Fluchtbewegungen aus Polen und Belarus, hat sich die Situation seit dem 24.2.22 wohl komplett verändert.
Doch bevor ich zu einzelnen Punkten aktueller Herausforderungen im Tätigkeitsbereich des Ausländerbeauftragten komme, ein paar Worte zum vorliegenden Bericht.
Der Jahresbericht präsentiert sich mit einem neuen Layout und einer neuen Struktur, das finden wir gut. Auch die Betrachtung der parlamentarischen Aktivitäten nimmt einen größeren Platz ein als in vorangegangenen Berichten, auch das finden wir gut und wichtig, gleichwohl hier dokumentiert wird, dass die parlamentarische Auseinandersetzung mit den sehr breiten Themenkomplexen Migration, Flucht und Diskriminierung eher marginal war und ist und gerade von der rechten Seite des Parlaments eher für Negativprojektionen und Hetze genutzt wird.
Wir können dem Befund, dass Migration und die Belange von Menschen ohne deutschen Pass sehr viel weiter gehen als das Thema Flucht und Asyl, jedoch lässt sich sagen, dass die Impulse aus der Regierungskoalition eher rar sind. Um so mehr sind wir gespannt auf den Entwurf eines Teilhabe- und Integrationsgesetzes für Sachsen. Wir haben selbst vor einigen Monaten einen Entwurf ins Verfahren gebracht und blicken der Debatte um einen notwendigen Paradigmenwechsel gespannt entgegen. Denn klar ist: Wir brauchen mehr Verbindlichkeit und klare Strukturen für die Teilhabe von Menschen mit Migrationsbiografie, mehr handfeste Maßnahmen gegen Diskriminierung und interkulturelle Öffnung und auch eine Festschreibung von Förderinstrumenten für die Zivilgesellschaft.Wir wünschen uns zudem eine Neudefinition der Stellung und Rolle des Ausländerbeauftragten: Er soll zum Migrationsbeauftragten werden und nicht mehr zwingend aus der Mitte des Parlaments entsendet werden.
Nichts desto trotz müssen wir konstatieren, dass die Frage der Fluchtmigration, der Umgang mit Geflüchteten und die Perspektiven, die wir denen, die hier leben bieten, eine der zentralen Fragen bleibt. Der barbarische russische Krieg gegen die Ukraine hat uns in Sachsen mit fast 57.000 Flüchtenden erreicht, und die Not in Syrien, Afghanistan, dem Irak oder Jemen sowie denen, die seit Monaten, ja Jahren an den Außengrenzen festsitzen, bleibt hoch und führt weiter zu Fluchtbewegungen. Diese lassen sich nicht abwehren, kein Zaun, kleine Mauer, keine technische Aufrüstung und kein interstaatlicher Deal wird die Wege von Menschen hin zu Sicherheit, Familie und Schutz aufhalten. Damit konstruktiv und menschenrechtskonform umzugehen anstatt Angst zu schüren und Abschottung zu setzen, die das Leid vergrößert, das ist die Herausforderung unserer Zeit.
Der Sächsische Ausländerbeauftragte hat sich im Mai diesen Jahres zur Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten zu Wort gemeldet und in ungewohnter Schärfe Defizite in den Aufnahmestrukturen, Informationszugängen und in der Versorgung kritisiert. Diese Kritik haben wir vor allem im Hinblick auf die Landesdirektion unterstützt. Schließlich kam im Falle der Ukrainer*innen auch zum Tragen, was wir im Hinblick auf die Aufnahme und Versorgung von aus anderen Staaten Flüchtenden seit vielen Jahren kritisieren. Um so gespannter blicken wir auf die Fortsetzung des Heim-TÜV, der die Lage in den Erstaufnahmeeinrichtungen in den Blick nehmen wird.
Denn selektive Solidarität und Humanität ist mit uns nicht zu machen. Ein schneller Zugang zu eigenem Wohnraum, zur Gesundheitsversorgung, zu Sprachkursen und Arbeit, wie es den Ukrainer*innen ermöglicht wurde, das soll aus unserer Sicht für alle Flüchtenden gelten. Denn es geht hier um Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens einerseits, aber auch um die Nutzung von Potentialen für unsere Gesellschaft andererseits. Hier hätten wir uns eine stärkere Stimme des Sächsischen Ausländerbeauftragen im Sinne aller Schutzsuchenden gewünscht. Nicht zuletzt auch weil sich viele langjährig hier lebende bei der Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus Ukraine selbst engagiert haben.
Lassen sie mich ein weiteres brennendes Thema ansprechen. Das Thema Erwerbsarbeit von Menschen mit Migrationsgeschichte.
Ich wiederhole, was sich in meiner Rede aus dem letzten Jahr gesagt habe: Sachsen wird in den kommenden Jahren massive Zuwanderung brauchen, damit der Bedarf an Arbeitskräften gedeckt wird oder anders gesprochen: unsere Gesellschaft funktionieren kann. Im vorliegenden Bericht wird dem Thema darum auch zurecht ein besonderer Platz eingeräumt. Doch das Gesagte muss auch zu Denken geben. Frau Ungethüm von der sächsische Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit weist darauf hin, dass der Anteil in Sachsen arbeitender Menschen ohne deutsche Pass mit 6,3 % weit unter dem Bundesschnitt von 13,4 % liegt, und das trotz gemeinsamer Grenze mit zwei anderen EU-Staaten. Und das hat sicherlich multiple Gründe: rassistische Stimmungsmache aus Teilen von Politik und Gesellschaft, Drohungen, Anfeindungen auf der Straße, überforderte und unwillige Ausländerbehörden und zu hohe Barrieren bei der Zuwanderung, wie auch bspw bei der Berufsanerkennung. Hier muss endlich etwas geschehen, wir müssen endlich in Gang kommen. Und ich werbe ein weiteres Mal für das Nutzen der Potentiale, die wir hier vor Ort schon haben. Der vom Sächsischen Ausländerbeauftragten bei der Vorstellung des Jahresberichtes ins Spiel gebrachte Abschiebestopp für Arbeitskräfte wäre ein Schritt. Die Schicksale von Herrn K., der in einem Leipziger Restaurant arbeitete, von Herrn M. Aus Hoyerswerda, angehender Wirtschaftsinformatiker – beide nach Pakistan abgeschoben, von Dawit G. Koch in einem renommierten Leipziger Restaurant oder von Mohammad K. Mitarbeiter der Leipziger Lukas-Bäckerei – beide abschiebebedroht und mit einem Beschäftigungsverbot belegt, das sind irrwitzige Beispiele. Wir müssen die Logik durchbrechen, dass restriktive aufenthaltsrechtliche Vorgaben das Leben von Menschen derart beeinträchtigen und – für sie gesprochen – auch den Interessen der Wirtschaft schaden. Das ist aberwitzig. Wir haben ihnen in den letzten Jahren immer wieder Vorschläge gemacht wie sich Wege in Ausbildung und Erwerbsarbeit für bereits hier Lebende Menschen ohne deutschen Pass vereinfachen ließen, zuletzt zum Thema Vorgriffsregelung auf den auf Bundesebene nahenden Chancenaufenthalt. Diese kleinen Schritte, die wir landespolitisch in der Hand haben, haben sie als Regierung und regierungstragende Fraktionen immer wieder weggewischt. Und das Thema zieht weitere Kreise – zu guten und gleichwertigen Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Die ist für Menschen vor allem mit Fluchthintergrund in Sachsen nicht gegeben, von Rassismus am Arbeitsplatz ganz zu schweigen.
Last but not least ein Thema, das uns zunehmend beschäftigt. Das Thema Einbürgerungen. Die Menschen, die seit 2014 und verstärkt ab 2015 zu uns kamen, kommen jetzt sukzessive in die Situation den Schritt der Einbürgerung zu gehen. Zudem naht auf Bundesebene eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes, die wir durchaus begrüßen.
Doch wie sieht die Realität aus? Die unteren Ausländerbehörden sind nicht in der Lage die wachsenden Anfragen und Anträge auf Einbürgerung zu bearbeiten, die Wartezeiten bis zur Antragsbescheidung dauern in einzelnen Landkreisen bis zu 3 Jahren. Das bedeutet für die Betroffenen Einschränkungen bei der Bewegungs- und Reisefreiheit, kein Wahlrecht, und um schlimmsten Fall Verlust des Arbeitsplatzes.
Auch wenn es hier um kommunale Belange geht, sollte dieses Problem in Fokus rücken und aus unserer Sicht auch die Frage der Ausschöpfung von Ermessensspielräumen bei der Einbürgerung beleuchtet werden. Denn die Frage ist: Ist die Steigerung von Einbürgerungen ein politisches Ziel der Landesregierung? Dann müssen die Bedingungen dafür auch verbessert werden, und das auch aus dem Land heraus.
Summa summarum: Es bleibt viel zu tun, um den Anspruch eines offenen Einwanderungslandes, das Menschenrechte allen in gleichem Maße gewährt gerecht zu werden. Zumindest für DIE LINKE kann ich diese Vision bejahen und unser konstruktives Mitwirken daran versichern.