Mit einem Antrag hat die Linksfraktion verschiedene Maßnahmen für die Versorgung Wohnungsloser in Leipzig beantragt: Die Gebührenfreiheit der Notunterkünfte, die Aufstockung des Personals in den Unterkünften, Mindeststandards beim Kälteschutz, die Realisierung von Unterbringungsmöglichkeiten für Paare und Menschen mit Haustieren. Das große Ziel der Abschaffung der Wohnungslosigkeit entsprechend der Lissabonner Erklärung des Europaparlaments soll im Jahr 2022 im Rahmen einer Strategiekonferenz mit Akteuren der Wohnungslosenhilfe diskutiert und unterlegt werden.
Der Stadtrat stimmte nur einem Teil unserer Forderungen zu: Für die Gebührenfreiheit ab 2023 und die Aufstockung des Personals votierte nur die Linksfraktion.
Ich dokumentiere hier meine Rede zum Antrag:
Es wird kälter und das Problem der Wohnungslosigkeit in unserer Stadt wird wieder sichtbarer.
Zwischen 600 und 800 Menschen nutzen jährlich die Übernachtungshäuser der Stadt. Doch einige nutzen sie nicht, kommen bei Freundinnen und Freunden unter, schlafen in Abbruchhäusern oder buchstäblich unter Brücken.
Immer wieder wird im Gespräch mit Sozialarbeitenden oder Unterstützer*innen von Wohnungslosen auf die Barriere hingewiesen, die das Entgelt für die Nutzung der Übernachtungshäuser für Betroffene bedeutet. 5 Euro sind pro Nacht zu entrichten, so ist es in der Nutzungs- und Gebührensatzung der Stadt festgeschrieben, eine Gebühr, die bei jenen, die Anspruch auf Sozialleistungen haben, über Jobcenter oder Sozialamt zurückgeholt werden kann und soll. Die, die keinen Anspruch haben, ob als deutsche Staatsbürger*innen oder als EU-Bürger, bekommen früher oder später ein Problem die Gebühr aufzubringen.
Schon öfter hat uns im Stadtrat die Frage von Härtefällen beschäftigt, die von der Gebührenerhebung ausgenommen sind. Doch ob dieses Regelung wirklich praktikabel ist und Menschen den Zugang zum notdürftigen Schlafplatz erleichtert, ist fraglich.
Bundesweit betrifft Wohnungslosigkeit zunehmend auch Erwerbstätige Menschen. In Leipzig waren dies in den vergangenen Jahren zwischen 20 und 30, die Dunkelziffer dürfte höher sein. Auch diese Menschen belastet die Gebühr.
Mit unserem Antrag wollen wir einen Systemwechsel bei der Gebührenerhebung einleiten. Das heißt nicht, dass wir der Praxis der Erstattung der Kosten über Sozialleistungsansprüche der Betroffenen vor allem gegenüber dem Jobcenter beenden wollen, nur soll die Gebühr nicht mehr die Eintrittskarte in die Notunterkunft sein.
Dazu schrieb uns die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe: „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die ordnungsrechtliche Unterbringung durch die Kommune zu erbringen ist und niedrigschwellig zu erfolgen hat. Das Erheben einer Gebühr steht dem entgegen, da es sich nicht um (Dienst-)Leistung der Kommune handelt, sondern um die Abwendung einer öffentlichen Gefahr. Es handelt sich um ein in der Breite bestehenden Missverständnis, dass die Notversorgung mit einer Gebühr einhergehen kann.“
Die, die selbst ein Erwerbseinkommen haben, sollten aus unserer Sicht weiter zur Finanzierung herangezogen werden, allerdings zu einem ermäßigten Beitrag, denn 5 Euro für ein schmales Bett für 10 Stunden erscheinen uns dann doch zu viel. Wir wollen, dass mögliche finanzielle Ausfälle den Betreibern der Unterkünfte erstattet werden und dass wir uns die Wirkung des Beschlusses nach einem Jahr auf Basis von Zahlen anschauen und prüfen. Das soll mit dem Doppelhaushalt 2023/24 wirksam werden.
Abstand genommen haben wir nach Lesen des Verwaltungsstandpunktes von der Forderung der ganztägigen Öffnung der Notunterkünfte. In der Fachwelt gibt es dazu durchaus verschiedene Positionen, die die Verwaltung hier nicht ausreichend abbildet. Wir können den Anspruch der Aktivierung nachvollziehen. Allerdings verbinden wir diesen mit einer anderen Forderung, nämlich der kritischen Überprüfung und ggf. Aufstockung des Personals in den Unterkünften, ebenfalls ab 2023. Die Sozialpädagog*innen und anderen Fachkräfte sind es, die über das reine Verwalten der wohnungslosen Menschen Sorge dafür tragen, dass Menschen Probleme bewältigen, Zugänge in ein normales Leben finden, Angebote wahrnehmen und sich auch nach erfolglosen Versuchen wieder aufstellen. Dass die Arbeit mit Wohnungslosen auch aufgrund wachsender bzw sich verhärtender Problemlagen immer intensiver und schwieriger wird, erkennt auch die Verwaltung an. Daraus müssen aber auch Konsequenzen gezogen werden. Die Einzelfallhilfe nimmt viel Zeit in Anspruch, genau wie die Intervention in Notfällen. Eine Aufstockung des Personals scheint uns unausweichlich, gerade auch wenn wir es mit räumlich so komplex strukturierten Unterkünften wie in der Torgauer oder in der Braunstraße zu tun haben.
Die übrigen Punkte unseres Antrages drehen sich die Garantie von Mindeststandards der BAG Wohnungslosenhilfe im Rahmen des Kälteschutzes sowie um die weiterhin notwendige Schaffung von Übernachtungsplätzen für Menschen mit Haustieren und Paare. Trotz Beschlusses im Jahr 2018 hat sich hier noch nichts getan.
Oberstes politisches Ziel muss allerdings sein, das System der Notunterkünfte abzuschaffen und für jeden und jede das Recht auf Erhalt der Wohnung bzw. Zugang zu einer Wohnung zu gewährleisten. Auch wenn die Stadt mit dem „Housing-First-Projekt“ einen guten Weg zur Beendigung von Wohnungslosigkeit für zunächst 26 Personen geschaffen hat, muss noch einiges passieren, und das liegt nicht nur in den Händen des Sozialamtes sondern auch im wohnungspolitischen Bereich. Wir hoffen, dass im kommenden Jahr eine Strategiekonferenz der Akteure stattfinden kann, in der im Zeichen der Erklärung von Lissabon, des Beschlusses des Europäischen Parlaments vom 23.11.2020, Strategien zur Beendigung der Wohnungslosigkeit bis 2030 diskutiert und vereinbart werden.