Ich war am Donnerstag, 24. Juni 2021 zu einer Solidemonstration in Pirna für die abgeschobene Familie Imerlishvili eingeladen. Ich dokumentiere diesen, der in Vertretung gehalten wurde, hier. Die Kampagne „Bring back our neighbours“ bündelt die Bemühungen, die nach Georgien abgeschobenen Menschen wieder nach Deutschland zu holen.
„Ich möchte zuallererst meine Achtung für all das aussprechen, was die Unterstützer*innen, Freund*innen, Nachbar*innen und Berater*innen der Familie Imerlishvili seit dem 10. Juni unternommen haben. „Familie Imerlishvili gehört nach Pirna.“ steht auf der Kampagnen-Website und daran besteht kein Zweifel! Es ist jedes Mal aufs Neue schockierend, wie sächsische Behörden sich genau darüber hinwegsetzen, über die schlichte Feststellung: Menschen, die hier um Schutz suchen, die hierher migrieren, gehören zu dieser Gesellschaft. Gehen und Bleiben sind Menschenrechte!
Das, was an diesem Fall besonders wütend macht, ist, dass nun Kinder in einem Land sind, dass sie nicht kennen. Ich bin wütend, so wie viele hier, die heute hier versammelt sind. Wegen des ausgebliebenen Anrufs beim Flughafens trotz klaren und rechtzeitigen Votums der Härtefallkommission, wegen der Familie aus Radebeul, wegen des Menschen, der aus der Erstaufnahmeeinrichtung Max-Liebermann-Straße in Leipzig mit Tuberkulose-Verdacht abgeschoben wurde. Aber es ist nicht nur Wut, die ich spüre. Ich will über die Wut hinaus eines: das alles verändern.
Als ich gestern in der Sächsischen Zeitung las, da war ich erneut daran erinnert, dass sich etwas ändern muss. Die Ausländerbehörde der Sächsischen Schweiz informierte tatsächlich geheim die Zentrale Ausländerbehörde, dass sie den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis wegen dem, was Integration genannt wird, ablehnen wird.
Ich halte das in all seiner Boshaftigkeit für regelrecht beispielhaft. Denn was da geschehen ist, zeigt den weit verbreiteten Willen in sächsischen Behörden, abzuschieben statt Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen, das Ankommen anzuerkennen. Hier wurde nur die Abschiebebehörde, nicht aber die Familie, nicht Anne Nitschke als Anwältin informiert, wohlwissend, dass dann wohl andere Rechtswege gesucht worden wären. Beispielsweise die Härtefallkommission, dann mit noch rechtzeitigerem Votum, dann vielleicht auch mit einer sechsten Stimme unter den Kommissionsmitgliedern, die es auf dem Weg zum erlaubten Aufenthalt braucht.
Ich habe dem Landrat wie dem Innenminister per Brief gebeten, Wege zu suchen, die Familie zurückzuholen. Ich hoffe nun, dass der Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach 25b positiv beschieden wird und der Familie so ein Grund gegeben wird, zurückzukehren. Hier proaktiv festzustellen, dass die Abschiebung auf Grund des positiven Votums der Härtefallkommission rechtswidrig war, wird bei der Rückkehr helfen.
Ich bin mir sicher: Behörden, die schnell abschieben können, können auch die Rückkehr schnell organisieren. Jeder Tag, der hier verstreicht, bedeutet einen Tag verlorene Zukunft für die Kinder, für die ganze Familie. Deswegen erwarte ich von Staatsregierung wie Landratsamt, dass spätestens in Antwort auf die Kleinen Anfragen, die ich im Sächsischen Landtag zu der Abschiebung eingereicht habe, eine positive Nachricht des Innenministeriums vernommen werden kann.
Zum Abschluss eine Bitte: der Fall der Familie Imerlishvili hat uns allen erneut und dramatisch vor Augen geführt, zu was die Abschiebemaschinerie fähig ist. Fakt ist: so agiert sie seit Jahrzehnten. Wir haben das bei der Familie H. aus dem Dresdner Hechtviertel im Jahr 2017 in ähnlicher Fallkonstellation sehen können, einen Monat später auch bei Familie K. aus Dresden Tolkewitz. Meine Bitte an euch ist: nicht immer ist die Dramatik einer Abschiebung so offensichtlich wie bei Familie Imerlishvili, Familie H. oder Familie K. Auch wenn Kinder nicht in Deutschland geboren sind, auch dann wenn ein alleinstehender junger Mann abgeschoben wird, wenn jemand noch nicht die rechtlichen Hürden auf dem Weg in den Job überwinden konnte, auch wenn jemand aus einer Aufnahmeeinrichtung und nicht aus der Wohnung abgeschoben wird, wenn kein starkes soziales Netzwerk besteht, ja, auch wenn mal eine Straftat begangen wurde – auch in all jenen Fällen ist immer das Menschenrecht infrage gestellt. Deswegen bleibt bitte kritisch, bleibt bitte wütend. Verfolgt, was bei Abschiebungen in Sachsen geschieht, stellt hier in Pirna und darüber hinaus die Öffentlichkeit, den Protest und den Widerspruch her, die es braucht, um wirklich etwas zu ändern in Sachsen, im gesamten bundesdeutschen Asyl- und Aufenthaltsrecht. Ich verspreche, weiter im Landtag und im Stadtrat in Leipzig dafür zu kämpfen. Ich bitte euch, weiterhin zu kämpfen. Kämpfen um für die Selbstverständlichkeit sorgen, dass Flucht und Migration zu dieser Gesellschaft gehören, dass unsere Nachbar*innen zu uns gehören. Ob in Pirna, Dresden, Leipzig, in allen Orten, wo uns die Nachbar*innen genommen wurden, soll sich was verändern. Vielen Dank!“
Hallo Jule,
Dein Kommentar spricht mir aus der Seele. Es kann nicht sein das die Ausländerbehörde soviele Jahre braucht um zu einer Entscheidung kommen, so etwas muss innerhalb von 6-12 Monaten nach Antragstellung entschieden werden. Man kann doch nicht Jahre dazu brauchen, warten bis die Familie sich hier eine neue Existenz aufgebaut hat, sie dann nach fast 9 Jahren in einer Nacht und Nebelaktion Zwangsenteignen und abschieben, zumal es noch Kinder betrifft für die Deutschland ihre Heimat ist, die das Ursprungsland ihrer Eltern nicht kennen, die Sprache nicht sprechen und sie schon gar nicht lesen und schreiben können. Es gab in Deutschland mal ein Gesetz wonach jeder hier geborene die deutsche Staatsbürgerschaft erhält, aber es wurde 1975 abgeschafft, aber vielleicht sollten wir es wieder einführen. Was jedenfalls mit der Familie Imerlishvili und den anderen georgischen Familien gemacht wurde ist zutiefst menschenverachtend und hier werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Das schlimmste für mich ist, das Georgien noch ein Hochrisikogebiet von Covid-19 ist, in so ein Gebiet kann man schon aus humanitären Gründen keinen abschieben, aber Humanität ist in Deutschland bei vielen nur ein Fremdwort. Nach außen stellt sich Deutschland immer so humanitär da, wir spenden sofort größere Summen bei Katastrophen in andere Länder, aber ob die Spenden auch dafür verwendet werden wofür sie gedacht sind, das spielt dann keine Rolle mehr, aber wir haben ein „gutes Gewissen“. die Politiker jammern rum das in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden, der Anteil der älteren Bevölkerung zu stark anwächst und uns die Arbeitskräfte fehlen, besonders in der Pflege. Wir holen Pflegekräfte aus allen möglichen Ländern nach Deutschland und machen Werbung, aber wenn wir welche haben wie z.B. Herr Imerlishvili und man mit ihrer Arbeit auch sehr zu frieden ist, dann schmeißen wir sie aus dem Land, wer soll das denn bitte noch verstehen. Die Behörden sind ja fast alle Verbeamtet und sie sollten sich mal vor Augen halten das gerade diese Asyl suchenden Familien, die hier gut integriert sind, arbeiten gehen und brav ihre Steuern zahlen mit dazu beitragen, das diese Beamten ihr Gehalt und ihre hohe Pension bekommen können und die Politiker natürlich auch ihre ständig steigenden Diäten. Ich habe das Gefühl das es den Ausländerbehörden noch Vergnügen bereitet wenn sie gut integrierte Familien mit Hilfe von nationalsozialistischen Methoden abschieben kann. Da brauchen wir uns auch nicht wundern wenn wir 76 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges immer noch als Nazis beschimpft werden, viele verhalten sich ja auch wirklich so, wenige aktiv und viele passiv.
Ich hoffe das es eine schnelle Entscheidung im Fall der Familie Imerlishvili erfolgt, denn in 6 Wochen beginnt wieder die Schule und bis dahin muß es gelungen sein diese Familie wieder zurückzuholen. Wir haben ein Gesetz was sagt: das man nach 8 Jahren in Deutschland mit guten Deutschkenntnissen, einer festen Arbeit und festen Wohnsitz ein Bleiberecht hat und man für Kinder die hier geboren wurden und das 10 Lebensjahr noch nicht vollendet haben die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt werden kann, aber was nützen uns die besten Gesetze wenn man sie einfach ignoriert und nicht einhalten will. Die Asylsuchenden müßten darüber verstärkt aufgeklärt werden und einen Rechtsbeistand bekommen damit solche Abschiebemethoden wie in Sachsen nie mehr vorgenommen werden. Kein Bundesland ist in dieser Beziehung so brutal und gnadenlos wie Sachsen.
Ich möchte gerne aktiv mitarbeiten um solche Abschiebemethoden zu verhindern, vielleicht kannst du mir einen Tipp geben wie ich es machen kann.
Mit freundlichen grüßen
Ilona Giesel